WM-Prozess geplatzt - Schweizer Justiz und FIFA unter Druck
Berlin (dpa) - Das stille Ende des SommermĂ€rchen-Prozesses wurde zur Randnotiz. Nach neuerlichen Medienberichten ĂŒber die enge Verstrickung von FIFA-PrĂ€sident Gianni Infantino in die Schweizer Justiz steht der FuĂball-Weltverband an seinem Amtssitz gehörig unter Druck.
"Wir, die Bananenrepublik", schrieben mehrere Schweizer Zeitungen ĂŒber die Irrungen der Ermittler und die geheimen Treffen von Infantino mit Bundesanwalt Michael Lauber. Die FIFA reagierte ungewöhnlich erbost - und mit viel Pathos.
"Nicht fĂŒr die FIFA, fĂŒr die Schweiz", sei die gesamte AffĂ€re schwer belastend, sollte sich herausstellen dass man ungestraft "zig Millionen stehlen" könne. "Konzentrieren wir uns auf die Bestrafung der Kriminellen, ohne uns auf lokale politische Streitigkeiten zwischen einigen Abgeordneten, Medien und/oder StaatsanwĂ€lten einzulassen", appellierte der Weltverband.
Unter anderem das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, Infantino habe versucht, unerlaubten Einfluss auf Ermittlungen zu nehmen. Konkret ging es bei den Untersuchungen um einen TV-Vertrag der UEFA mit sĂŒdamerikanischen RechtehĂ€ndlern, den Infantino noch in seiner Zeit bei der EuropĂ€ischen FuĂball-Union unterzeichnet hatte. Laut FIFA war der Vertrag rechtlich einwandfrei.
In einer E-Mail an einen Freund aus hohen Justizkreisen soll Infantino vor einem anberaumten Treffen mit Lauber im Jahr 2016 geschrieben haben: "Ich werde versuchen, es der Bundesanwaltschaft zu erklĂ€ren, da es ja auch in meinem Interesse ist, dass alles so schnell wie möglich geklĂ€rt wird, dass klar gesagt wird, dass ich damit nichts zu tun habe." Der Schweizer "Tagesanzeiger" schreibt dazu, es sei durch die E-Mail erwiesen, "dass sich WeltfuĂball-Chef Infantino in einer Zusammenkunft mit Lauber reinwaschen wollte".
Die Treffen sind durch ein Disziplinarverfahren der Aufsichtsbehörde ĂŒber die Bundesanwaltschaft inzwischen verbĂŒrgt. Lauber habe seine Pflichten "verschiedentlich und teilweise erheblich verletzt", so das Ergebnis. Schweizer Medien zufolge wird in der Politik die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens geprĂŒft.
"TatsĂ€chlich war Herr Infantino weder Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens noch gab es gegen ihn zu diesem Zeitpunkt oder spĂ€ter ein Verfahren. Daher musste er nie "seinen Namen reinigen", hieĂ es von der FIFA. Zudem sei die E-Mail "offensichtlich durch Hacking" öffentlich geworden, "was eine illegale und kriminelle Handlung ist. Solche E-Mails werden nicht nur gehackt, sondern können auch leicht manipuliert werden". Der "Spiegel" hatte berichtet, die Informationen ĂŒber die EnthĂŒllungsplattform Football Leaks erhalten zu haben.
Die Einstellung des SommermĂ€rchen-Prozesses gegen drei frĂŒhere FunktionĂ€re des Deutschen FuĂball-Bundes wegen Eintritts der VerjĂ€hrung wurde am 28. April endgĂŒltig bestĂ€tigt. Die Verteidiger der ehemaligen DFB-PrĂ€sidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sowie des frĂŒheren DFB-GeneralsekretĂ€rs Horst R. Schmidt holten noch einmal zur Generalkritik aus.
"Es ist festzuhalten, dass unseren Mandanten aufgrund einer voreingenommenen und von geradezu unglaublichem Fehlverhalten geprĂ€gten VerfahrensfĂŒhrung der Schweizer Bundesanwaltschaft kein faires Verfahren gewĂ€hrleistet worden ist", teilten die AnwĂ€lte mit und betonten, dass "kein strafbares Verhalten" festgestellt worden sei.
Das spÀt gestartete Verfahren war wegen der Coronavirus-Pandemie Mitte MÀrz unterbrochen worden - bis am 27. April die VerjÀhrung eintrat. Die bereits im November 2015 gestarteten Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zu den ominösen 6,7 Millionen Euro hatten allerdings ohnehin wenig Erhellendes zutage gefördert. Angeklagt war auch der Schweizer Urs Linsi, einst FIFA-GeneralsekretÀr.
Das Bundesstrafgericht verwehrte sich zwar gegen VerschleppungsvorwĂŒrfe und fĂŒhrte "prozessuale UmstĂ€nde und die Vorgaben im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie" fĂŒr das fehlende Urteil an - die AnwĂ€lte der einstigen DFB-Lenker sprachen dennoch von einem "unrĂŒhmlichen Bild" der Schweizer Strafverfolgungsbehörden.
"Das SommermÀrchen-Debakel kratzt nicht nur am Image der Schweizer Justiz im Ausland. Es wird die Schweizer Steuerzahler zudem teuer zu stehen kommen", schrieb die Boulevardzeitung "Blick". Der "Tagesanzeiger" urteilte: "Das prestigetrÀchtige SommermÀrchen-Verfahren endet damit definitiv in einem Desaster."
Ob die Zahlungen aus dem Jahr 2002 und 2005, an denen der damalige WM-Organisationschef Franz Beckenbauer maĂgeblich beteiligt war, auch noch einmal vom Landgericht Frankfurt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung aufgegriffen werden, ist noch offen. Das Gericht prĂŒfe die Auswirkungen des Verfahrensausgangs in der Schweiz, hieĂ es.