Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.FC Bayern vor Meistertitel Das ist despektierlich

Ist der deutsche Meistertitel zu wenig für den FC Bayern? t-online-Kolumnist Stefan Effenberg hält ein Plädoyer für den Gewinn der Bundesliga – und trifft eine Vorhersage für Borussia Dortmund.
Die Bundesligasaison 2024/25 biegt auf die Zielgeraden ein. Drei Spieltage verbleiben noch. Drei Spieltage, die es in sich haben. Drei Spieltage, auf die wir uns besonders freuen können. Denn: Es sind drei Spieltage, an denen noch viel passieren kann.
Aber ich sage auch: Ganz vorn wird sich in der Tabelle nichts mehr tun. Denn beim FC Bayern stellt sich nur noch die Frage: Wann machen sie ihren 34. deutschen Meistertitel offiziell? Die Münchner holen die Schale, auch wenn der Verfolger Bayer Leverkusen theoretisch noch Chancen hat. Aber acht Punkte Vorsprung, drei Runden vor Saisonende – das lassen sich die Münchner nicht mehr nehmen. Nach dem dramatischen Aus in der Champions League hatte die Konkurrenz besonders aus Leverkusen auf einen kleinen Einbruch gehofft – aber dazu sind die Bayern diese Saison insgesamt einfach zu stabil.
Die Bayern haben eine Entwicklung durchgemacht
Übrigens finde ich es despektierlich, wenn gesagt wird, die Bayern würden "nur" die deutsche Meisterschaft holen. Warum denn "nur"? Die deutsche Meisterschaft ist der ehrlichste Titel einer Saison, weil du dafür über 34 Spieltage so konstant wie möglich deine Leistung bringen musst, um das Ziel zu erreichen. Das ist kein Erfolg, der erwartbar ist. Eine Saison mit einem Titel als "Enttäuschung" für die Bayern zu bewerten – wer das sagt, der hat nur ganz wenig Ahnung vom Fußball.
Die Ausnahme bestätigt da die Regel: Als ich 1998/99 zu den Bayern zurückkam und wir direkt Meister wurden, war die Freude nicht groß – aber nur, weil wir dabei sowohl das Champions-League-Finale als auch das DFB-Pokal-Endspiel verloren hatten. Das trübte im Nachhinein den Titelgewinn in der Bundesliga enorm – eben weil wir so knapp davor standen, das Triple zu holen. So eng war es diese Saison nun ja aber nicht.
Trotzdem haben die Bayern in dieser Saison eine Entwicklung durchgemacht. Nur zwei Niederlagen nach 31 Spielen, dazu die beste Abwehr, 75 Punkte – schon jetzt drei Punkte mehr als in der gesamten letzten Spielzeit – es ist schon jetzt zwar keine überragende, aber eine gute Saison im ersten Jahr von Trainer Vincent Kompany.
Der BVB hat das Momentum auf seiner Seite
Borussia Dortmund hat indes jetzt noch die Chance, eine über weite Strecken enttäuschende Saison doch noch mit einem Erfolg abzuschließen – denn der BVB ist vielleicht das Team dieser Schlussphase 2024/25 und ist doch wieder in Reichweite der Champions-League-Plätze. Schon über die Spielzeit hinweg habe ich wiederholt betont, was für ein Potenzial in dieser Mannschaft steckt – trotz dieser unerklärlichen Leistungsschwankungen, mit denen sie es sich selbst so schwer gemacht haben. Die Qualität war aber immer da – umso besser für den BVB, dass die Spieler nun offenbar begriffen haben, worum es geht.
Aktuell, drei Spieltage vor Schluss, sind es nur noch drei Punkte Rückstand auf Platz vier – und ich habe das Gefühl, dass Dortmund es doch noch wieder in die "Königsklasse" schafft. Die verbliebenen Gegner heißen: VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, zuletzt dann Holstein Kiel. Das viel beschworene Momentum haben Trainer Niko Kovač und seine Spieler auf ihrer Seite.
Es freut mich übrigens sehr für Niko und sein Trainerteam, dass sie nach anfänglichen Schwierigkeiten doch noch die Kurve gekriegt und die Mannschaft stabilisiert haben. Noch nach dem 0:4 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Barcelona wirkte die Mannschaft leer, besiegt, geschlagen. Dann kam drei Tage später aber das 2:2 beim FC Bayern, darauf das 3:1 im Rückspiel gegen Barça. Und: Schon zuvor die Siege gegen direkte Bundesliga-Konkurrenten wie Mainz 05 (3:1) oder den SC Freiburg (4:1), vor einer Woche nun das 3:2 über Borussia Mönchengladbach.
Ich halte es übrigens für totalen Quatsch, dass ernsthaft spekuliert wird, dass Dortmund und Kovač nach der Saison bereits wieder getrennte Wege gehen könnten – im Anschluss wartet schließlich schon die finanziell wichtige Klub-WM, da brauchst du einen Trainer, der Rückendeckung spürt und befreit arbeiten kann.
Freiburg wird alles geben, um Geschichte zu schreiben
Überhaupt wird es jetzt richtig spannend im Kampf um die vorderen Plätze. Dass es so kurz vor Saisonende noch immer so eng ist und sich jeden Spieltag noch etwas ändern kann – für die Fans der Bundesliga gibt es doch nichts Schöneres. Der SC Freiburg auf Platz vier kann unbeschwert aufspielen, weil auch ein Europa-League-Rang ein Erfolg wäre? Von wegen: Die Breisgauer werden genau erkannt haben, wie nah dran sie an der ersten Champions-League-Teilnahme ihrer Klubhistorie sind – und genau dann kommt ein selbst auferlegter Druck zum Tragen. Freiburg ist in der besten Ausgangsposition und wird alles dafür geben, diesen Erfolg zu erreichen.
Bei Mainz 05 scheint aktuell ein wenig die Luft raus, nachdem wir sie kürzlich noch gefeiert haben, auch Borussia Mönchengladbach stolperte zuletzt im Kampf um die internationalen Plätze. Aber sie sind alle noch im Rennen. Neun Punkte sind schließlich noch zu vergeben.
Ein Angriff auf die vorderen Plätze wird für den VfB Stuttgart indes ganz, ganz schwer, bei aktuell Platz elf mit sieben Zählern Rückstand auf Rang sechs. Ähnlich wie für die Dortmunder war es auch für den Vizemeister eine Achterbahnfahrt durch die Saison. Mit dem Unterschied, dass die Kurve für Stuttgart gerade eher nach unten zeigt. Gegen Heidenheim kassierte der VfB bereits die sechste Heimniederlage in Folge. Nun könnten sie endgültig in einen Strudel geraten, an dessen Ende sogar das DFB-Pokalfinale gegen Arminia Bielefeld zu einer heiklen Angelegenheit werden könnte.
Für Stuttgart kann es ganz gefährlich werden
Klar ist Stuttgart der Favorit gegen den Drittligisten, aber ich sehe eine Gefahr: Dass sich die Mannschaft von Sebastian Hoeneß zu sehr an die Aussicht klammert, über den Pokalsieg nächstes Jahr doch noch europäisch zu spielen – im Endspiel aber einer Mannschaft gegenübersteht, die nichts zu verlieren hat, unbekümmert aufspielen kann und zur Krönung ihres Laufs nun auch im Finale den Favoriten schlagen will. Das kann für Stuttgart wirklich ganz gefährlich werden.
Auch im Tabellenkeller kann noch viel passieren. Holstein Kiel war vor Wochen noch totgesagt – und nun gewinnen die 4:3 gegen Borussia Mönchengladbach, holen zuvor einen Punkt in Leipzig. Der 1. FC Heidenheim kassierte bereits einige Klatschen – und gewinnt dann plötzlich 1:0 in Stuttgart. Der VfL Bochum konnte vor Wochen sogar den FC Bayern besiegen. Am kommenden Spieltag treffen nun Heidenheim und Bochum im direkten Duell aufeinander.
Mehr Spannung geht kaum. Das ist total verrückt, und dafür muss man die Bundesliga lieben.
- Eigene Beobachtungen
- Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“