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Olympia 2024: Harsche Kritik an der deutschen Bewerbung


"Bürger haben Schnauze voll"
Harsche Kritik an der deutschen Olympia-Bewerbung

Von t-online
Aktualisiert am 18.11.2014Lesedauer: 5 Min.
Olympia 2024 in Deutschland findet viele Befürworter, aber auch viele Gegner.Vergrößern des Bildes
Olympia 2024 in Deutschland findet viele Befürworter, aber auch viele Gegner. (Quelle: imago-images-bilder)

Von Johann Schicklinski

Vor wenigen Wochen hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) angekündigt, sich mit Berlin oder Hamburg für die Olympischen Sommerspiele 2024 und eventuell 2028 bewerben zu wollen. Am 21. März nächsten Jahres will der Verband bekannt geben, mit welcher der Städte Deutschland ins Rennen um die in zehn Jahren stattfindenden Spiele gehen wird. Bereits jetzt ist jedoch der Protest bereits groß.

Die Entscheidung des DOSB ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen wird 2024 mit der Fußball-Europameisterschaft bereits ein sportliches Großereignis in Deutschland stattfinden. Die Vergabe des Turniers durch die UEFA an den DFB gilt als Formsache. Dass zwei Veranstaltungen dieser Größenordnung innerhalb von nur drei Monaten in einem Land stattfinden, ist nahezu ausgeschlossen.

Ohrfeige für den DOSB

Zum anderen hatte der DOSB erst vor rund einem Jahr eine krachende Niederlage kassiert, als er sich mit München für Winterspiele 2022 bewarb. In gleich vier Volksentscheiden in der bayrischen Hauptstadt und den Partnergemeinden votierten die Bürger gegen Olympia. Großen Einfluss auf die Entscheidung übte damals die Initiative (N)Olympia aus, ein Netzwerk von Olympia-Gegnern. Bei Ihnen stößt die erneute deutsche Bewerbung auf Unverständnis.

"Das haben die Leute einfach satt"

Sportliche Großereignisse würden von der Bevölkerung immer kritischer gesehen, so Dr. Wolfgang Zängl von (N)Olympia München, im Gespräch mit t-online.de: "Für eine Party von 16 oder 17 Tagen werden Milliarden verbraten, das ursprüngliche Budget wird nicht eingehalten, die Spiele werden immer teurer. Das haben die Leute einfach satt."

Diese Verdrossenheit sei kein rein deutsches Phänomen, meint Zängl. Wirft man einen Blick über die Grenze, wird seine These bestätigt. So hat die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo den Wunsch des französischen Staatspräsidenten Francois Hollande nach einer Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2024 gerade gebremst: "Aktuell befinden wir uns in einer wirtschaftlichen Position, die mir nicht erlaubt, von einer künftigen Bewerbung zu sprechen."

"Immer weitere Kostenexplosionen"

Zängl ist sich sicher, dass die Stimmungslage hierzulande ähnlich ist. Eine Erklärung liefert er gleich mit: "Die Bürger haben einfach die Schnauze voll von immer weiteren Kostenexplosionen." Deshalb will (N)Olympia jetzt wieder mobil machen: "Die fünf Argumente, die wir bereits gegen München 2022 ins Feld geführt haben, greifen aktuell auch für Berlin oder Hamburg: Nein zu Schuldenbergen, Nein zum Wachstumswahn, Nein zur Mietpreisexplosion, Nein zur Naturzerstörung, Nein zu Knebelverträgen."

Bereits die horrenden Kosten für das Bewerbungsverfahren seien nicht gerechtfertigt, so Zängl: "Die 50 Millionen Euro, die vom DOSB für eine deutsche Bewerbung veranschlagt werden, sind nur die offizielle Zahl." Die tatsächlichen Kosten dürften seiner Meinung nach weit höher liegen: "Tokios Bewerbung für die Olympischen Spiele 2020 hat knapp 80 Millionen Euro gekostet. Da muss man sich doch fragen: 'Leute, seid ihr eigentlich verrückt geworden?'. Das ist ein Wahnsinn. Zumal es bei der deutschen Bewerbung um ein aufwändiges und von vornherein aussichtsloses Verfahren geht."

"Wird alles billig gerechnet"

Sollte Deutschland den Zuschlag erhalten, ist zudem noch völlig unklar, wie hoch dann die Kosten für die Ausrichtung der Spiele wären. "Die Zahlen, die für Berlin und Hamburg im Raum stehen, sind einfach absurd", warnt Zängl. "Demnach soll das Ausrichten der Olympischen Spiele 2024 nur rund zwei bis drei Milliarden Euro kosten."

Ein Kostenvoranschlag, den er für absolut unrealistisch hält: "Da wird vorab alles billig gerechnet und runtergebügelt. Je näher das Ereignis dann kommt, umso teurer wird es. Das ist durch viele Studien und nicht zuletzt durch die Praxis in den vergangenen Jahrzehnten belegt."

Größtes Hindernis für die Austragung von Olympia 2024 in Deutschland könnte aber das IOC-Reglement selbst sein. Hierzu heißt es auf der Homepage von (N)Olympia Hamburg: "Dass Deutschland laut offizieller Olympia-Charta für 2024 gar keinen Zuschlag bekommen kann, da es höchstwahrscheinlich im selben Jahr Austragungsort der Fußball-EM sein wird, scheint nicht weiter zu stören."

In der Charta selbst ist dieser Fall allerdings nicht ausgeschlossen, dort heißt es: "Die Ausrichtung, der Ablauf und die Medienberichterstattung der Olympischen Spiele dürfen in keiner Weise von einer anderen Veranstaltung beeinträchtigt werden, die in der Gastgeberstadt oder in ihrer Umgebung oder an anderen Wettkampfstätten oder Austragungsorten stattfindet."

Bach: "Sehe da kein Konfliktpotenzial"

Unter den Funktionären herrscht jedenfalls große Zuversicht, auch beide Großereignisse innerhalb eines Kalenderjahres stemmen zu können. "Ich sehe da keinen Clash. Eine deutsche Olympia-Bewerbung hätte unsere größte Sympathie. Es gibt da keinen Wettbewerb, das haben wir auch mit DOSB-Präsident Alfons Hörmann so besprochen", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, während IOC-Präsident Dr. Thomas Bach auf die besondere Ausgangssituation in Deutschland hinweist: "Ich sehe da kein Konfliktpotenzial, weil die Infrastruktur für eine EM-Bewerbung weitgehend steht. Die Stadien sind dank der grandiosen WM 2006 im besten Zustand in ganz Europa, insoweit wären hier wohl keine nennenswerten infrastrukturellen Maßnahmen erforderlich."

Der DOSB geht ein großes Risiko ein

Beim DOSB setzen die Verantwortlichen jedenfalls alles auf die Karte Olympia. "Olympische Spiele, nachhaltig angelegt, sind eine Chance für das ganze Land und besonders für die Ausrichterstadt und -region. Von München 1972 bis London 2012 wird deutlich, was sie, richtig konzipiert und durchgeführt, in Wirtschaft und Gesellschaft und vor allem im Sport eines Landes auslösen können", hatte DOSB-Boss Alfons Hörmann nach der einstimmigen Entscheidung des DOSB-Präsidiums für eine Bewerbung erklärt.

Der Verband geht damit ein großes Risiko ein, denn er hat sich verpflichtet, eine finale Bewerbung nur einzureichen, wenn sich die Bürger in Berlin bzw. Hamburg in einem Votum für die Austragung der Spiele aussprechen. Doch wie die Chancen dafür stehen, ist noch völlig unklar.

Olympia-Befürworter verweisen auf eine DOSB-Umfrage aus dem September, in der sich in Hamburg 80 Prozent und in Berlin 79 Prozent für eine deutsche Bewerbung aussprachen. Schaut man sich die Umfrage genauer an, dann sieht es indes schon anders aus: Die Begeisterung für Olympia in der eigenen Stadt hielt sich in Berlin (48 Prozent) und Hamburg (53 Prozent) nämlich in deutlichen Grenzen.

"Aus meiner Sicht erbärmlich"

"Diese Zustimmungsraten sind aus meiner Sicht erbärmlich", sagt (N)Olympia-Aktivist Zängl. Ohnehin seien solche Zahlen mit Vorsicht zu genießen: "Man muss sehen, dass hier zumindest zum Teil Fragen von Sport-affinen Institutionen speziell an Sport-Interessierte adressiert wurden", sagt Zängl. "Mit einer solchen Vorgehensweise kommt man natürlich auf hohe Zustimmungsraten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zahlen repräsentativ sind."

Klar ist: Sollte eine deutsche Bewerbung nicht zustande kommen oder nach erfolgter Bewerbung in der Endauswahl unterliegen, würde dies eine erneute herbe Niederlage für den DOSB bedeuten. Neben München 2018 und 2022 scheiterten mit Berchtesgaden 1992, Berlin 2000 und Leipzig 2012 bereits fünf deutsche Bewerbungen in den vergangenen zwei Dekaden.

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