Chinas Schönrechner: SportstÀtten als MilliardengrÀber
Peking (dpa) - In wenigen Tagen wird IOC-PrĂ€sident Thomas Bach die Winterspiele von Peking pflichtbewusst mit groĂen Worten loben. So ist es guter Brauch am Ende des 16 Tage wĂ€hrenden Spektakels auf Schnee und Eis, fĂŒr Kritik ist in der Bilanz meist kein Platz.
Dabei droht beim Olympia-Gastgeber nach dem Ende der Spiele ein ziemliches Trauerspiel. Einige der durchaus spektakulÀren WettkampfstÀtten werden die auslÀndischen Sportler nie wieder sehen.
"Es ist sehr wichtig, kĂŒnftig Weltcups und Weltmeisterschaften in diesen prachtvollen SportstĂ€tten auszutragen. Es ist sehr wichtig, dass China und die internationalen VerbĂ€nde sich da austauschen", sagte IOC-Olympiadirektor Christophe Dubi. Doch das Erbe der Spiele wird eher ein nationales. Auf der offiziellen Olympia-Website findet man fĂŒr viele SportstĂ€tten dieselbe Zukunft: TrainingsstĂ€tte der chinesischen Nationalmannschaft und Touristenort.
Lesser: "Der Gigantismus ist wirklich krass"
Vor allem zwei WettkampfstĂ€tten ragen bei den Neubauten heraus. Die Bob- und Rodelbahn in Yanqing sowie die futuristische Schanzenanlage in Zhangjiakou etwa 120 Kilometer weiter westlich. In unmittelbarer NĂ€he der Schanzen ist auch noch die nagelneue Biathlon-Anlage zu finden. "Der Gigantismus ist wirklich krass. Die Anlagen sind einfach geisteskrank. Die Skisprunganlage - wie riesig, wie heftig das ist", sagte Biathlet Erik Lesser in einem Podcast: "Das StadiongebĂ€ude in unserem Biathlonstadion ist riesig. Das alles dafĂŒr, dass danach hier nichts mehr stattfindet als chinesische Meisterschaften."
So drastisch, wie es Lesser formuliert, könnte es tatsĂ€chlich kommen. Bis 2026 sind alle Biathlon-Weltcups vergeben, nach dpa-Informationen haben die Chinesen darĂŒber hinaus daran auch kein Interesse. Was das Skispringen betrifft, sei man in GesprĂ€chen. Gleiches gilt fĂŒr den Eiskanal. "Die Weltmeisterschaften sind langfristig ĂŒberall vergeben, es geht erstmal nur um die Weltcup-Serien", sagte Thomas Schwab, Vorstandschef des deutschen Bob- und Schlittenverbands.
Allerdings ist eine Diskrepanz zwischen WĂŒnschen der VerbĂ€nden und denen der Athleten festzustellen. Viele Sportler sind wie die Rodel-Olympiasiegerin Natalie Geisenberger kĂŒnftigen Wettbewerben in China eher abgeneigt. Dabei geht es neben politischen und menschenrechtlichen Vorbehalten auch um logistische Themen. China ist fĂŒr den europĂ€isch zentrierten Weltcup-Zirkus eine wahre Weltreise und logistischer Alptraum.
"Gerne nicht", sagte Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher auf die Frage, ob man gern zurĂŒckkommen wolle an die Schanze, die aussieht wie ein gewaltiger Donut. "Es ist ziemlich weit weg und ziemlich kalt hier. Aber wenn's sein muss, komme ich auch wieder her." Abfahrerin Kira Weidle ist die weite Reise ebenfalls ein Graus. "Also die Reise ist natĂŒrlich schon extrem, das braucht man jetzt nicht unbedingt in einem eh schon sehr engen Weltcup-Kalender, aber an sich haben sie da schon eine coole Strecke gebaut", sagte Weidle.
WettkampfstÀtten droht Ende als Milliardengrab
Den WettkampfstĂ€tten in den Bergen nördlich von Peking droht ein Ende als Milliardengrab, wie bei vielen anderen Spielen auch. Dabei ist die chinesische Regierung nicht gerade transparent, was die Kosten betrifft. Offiziell ist die Rede von Gesamtkosten von 3,9 Milliarden Dollar fĂŒr die Spiele. Manche Experten schĂ€tzen die Summe allerdings auf das Zehnfache, zumal China offenbar Kosten fĂŒr Infrastruktur aus der Gleichung nimmt und nur einige der neuen SportstĂ€tten betrachtet.
Allein die Projekte am Skisprung- und Biathlon-Standort Zhangjiakou sollen fĂŒnf Milliarden Dollar verschlungen haben. FĂŒr den Eiskanal in Yanqing variieren die SchĂ€tzungen zwischen 170 Millionen fĂŒr die reine Bahn und 500 Millionen Dollar fĂŒr das gesamte Objekt. Allein der neue ĂŒber 300 km/h schnelle Hochgeschwindigkeitszug, der Peking mit den Bergen verbindet, soll neun Milliarden Dollar gekostet haben. 15 Milliarden entfallen SchĂ€tzungen zufolge auf neue Autobahnen.
Man darf bei der Kostenrechnung allerdings nicht aus den Augen verlieren, warum China diese Winterspiele wollte. Es ging der Partei um PrĂ€sident Xi Jinping nicht darum, der Welt zu gefallen. Es ging darum, den Chinesen den Wintersport schmackhaft zu machen und einen bisher nahezu brachliegenden Wirtschaftszweig aufleben zu lassen. Das Potenzial des Marktes wird auf gut 150 Milliarden Euro geschĂ€tzt. Aus dem Blickwinkel könnten sich die Investitionen womöglich gelohnt haben. Volkssport dĂŒrften Rennrodeln oder Skispringen dennoch nicht werden.