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Literatur: Neuer Krimi von Jan Costin Wagner


Literatur
Neuer Krimi von Jan Costin Wagner

Von dpa
19.12.2017Lesedauer: 3 Min.
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Berlin (dpa) - Jan Costin Wagner (45) ist der Poet unter den deutschen Krimiautoren. Wo es bei anderen knallt und spritzt, hört sich bei ihm ein Buchanfang schon einmal so an:

"In dem Sommer, in dem Marisa den Mond vermessen möchte, betritt Kimmo Joentaa den Raum, in dem das Meer zu Hause ist. Sanna schwimmt im Sonnensee. Petri läuft zwischen Bäumen, auf der Flucht vor sich selbst. David löscht die Sonne aus. Magnus und Stefan spielen Leben. Aune und Valtteri stehen Hand in Hand, Leena tanzt mit dem Tod. Sakari lernt, durch Wände zu gehen." Das ist die Einstimmung auf ein Buch, das sich in kein gängiges Krimiraster, in keine Schablone sperren lässt.

Tatsächlich ist "Sakari lernt, durch Wände zu gehen" ein Grenzgänger. Das kriminalistische Geschehen, wenn man es denn so nennen will, ist die Folie für fein ausgelotete psychologische Porträts, filmisch dichte Schilderungen von Stimmungen, Gefühlen und Wahrnehmungen. Letztlich geht es um die Zerbrechlichkeit menschlicher Existenz. Wagners finnischer Kommissar Kimmo Joentaa, der hier seinen sechsten Fall löst, passt gut in dieses Konzept. Er ist kein abgehalfterter Ermittler, kein streitsüchtiger Raufbold, vielmehr ein nachdenklicher und melancholischer Charakter.

Dabei hat Joentaa auch eine warmherzige Seite, was sich vor allem in seiner innigen Beziehung zu seiner Tochter Sanna zeigt. Vor Jahren hat Joentaa seine Frau verloren. Er trug schwer an diesem Verlust, doch jetzt scheint es in seinem Leben wieder so etwas wie Zuversicht zu geben.

In den neuen Fall wird er durch seinen Kollegen Petri Grönholm hineingezogen, der sich nach einem Einsatz in seelischer Not befindet. Grönholm hat einen jungen Mann erschossen, Sakari Ekman. Dieser war - offenbar in geistiger Verwirrung - in einen Brunnen auf dem Marktplatz gestiegen und hatte dort bedrohlich mit einem Messer hantiert. Bei den Nachforschungen stellt sich heraus, dass Ekman unter schweren Psychosen litt. Auslöser war ein Motorradunfall, bei dem durch sein Verschulden seine Freundin Emma Nystad ums Leben kam. Das freundschaftliche Verhältnis der benachbarten Familien Ekman und Nystad wurde durch dieses tragische Ereignis zerstört. Eines Tages geht das Haus der Nystads in Flammen auf.

Wagner schildert den Brand aus der Sicht des Kommissars, der sich gerade im Nachbarhaus befindet: "Die Sonne brennt, denkt Joentaa noch einmal, er weiß nicht, woher der Gedanke kommt. Dann sieht er oben, an einem Fenster des dunkelblauen Nachbarhauses, eine kleine Flamme flackern. An einem weißen Vorhang. Er kneift die Augen zusammen, versucht, das flimmernde, von der flirrenden Sommerluft gebrochene Bild scharf zu stellen. Bunte Blumen auf der weißen Tasse, schwarzer Kaffee."

Dieser Stil ist typisch für Wagner. Lakonische Sätze, oft nur kurze aneinandergereihte Hauptsätze, Impressionen, Momentaufnahmen, die wie in einem Film abgespult werden. Manchmal scheint es sogar so, als ob die Kamera auf Zeitlupe gestellt wäre. Auch in dieser Form kann Spannung aufgebaut werden. In der geschilderten Szene entwickelt sich der Brand parallel zu einem Gespräch zwischen dem Kommissar und der Nachbarsfrau. Erst langsam, wie ein Schwelbrand, greift die Erkenntnis einer akuten Gefahr und Bedrohung um sich. Natürlich geht es hier auch um das Aufspüren des Brandverursachers.

Hauptsächlich aber interessieren Wagner die Beziehungen der Menschen zueinander, ihre Verbundenheit und Solidarität wie auch ihre Einsamkeit, Entfremdung und Verwirrung, wenn Schicksalsschläge alles durcheinanderwirbeln. Wer dem und einer ungewöhnlich poetischen Sprache etwas abgewinnen kann, wird an dem Buch seine Freude haben, klassische Thriller-Erwartungen werden allerdings nicht erfüllt.

Jan Costin Wagner: Sakari lernt, durch Wände zu gehen, Galiani Verlag, Berlin, 240 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-86971-018-1

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