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Boris Becker: Er säße noch im Knast, hätte sich sein Traum erfüllt


Becker droht keine Strafe mehr
Hätte sich sein Traum erfüllt, säße er noch im Gefängnis

  • Steven Sowa
Von Steven Sowa

Aktualisiert am 16.12.2022Lesedauer: 4 Min.
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Boris Becker: Der Tennisstar hat vier Kinder.Vergrößern des Bildes
Boris Becker: Er ist seit dem 15. Dezember wieder ein freier Mann. (Quelle: Isa Foltin/Getty Images)

Plötzlich frei: Boris Becker ist aus der Haft entlassen – und genießt in Deutschland Straffreiheit. Dabei kommt ihm vor allem ein Umstand zugute.

Es ist ein erstaunlicher Satz, formuliert von Boris Beckers Anwalt am Donnerstag. Nach der Freilassung seines Mandanten sagt er über ihn: "Damit hat er seine Strafe verbüßt und ist in Deutschland keinerlei strafrechtlichen Restriktionen unterworfen." Boris Becker ist frei – ganz ohne Konsequenzen. Der 15. Dezember mag für Becker turbulent verlaufen sein, aber er ist vor allem eines: sein Glückstag.

Wie kann das sein, werden sich nun einige Menschen fragen. Genießt Boris Becker einen Promi-Bonus? Oder wie ist es möglich, dass die Tennislegende trotz einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren bereits nach rund sieben Monaten das britische Gefängnis Huntercombe in Oxfordshire verlassen darf? Mit dem Schuldspruch am 29. April 2022 hätte Becker normalerweise bis mindestens Ende Juli 2023 einsitzen müssen.

Jetzt ist er wieder in Deutschland, seiner Heimat: als freier Mann. Die Strafe des Londoner Gerichts, die Vermögenswerte in Millionenhöhe, die Becker verschwiegen hat: Das alles hat ihn seinen Ruf gekostet – aber eben nicht einmal ein Viertel der Zeit, die ihm die Richterin Deborah Taylor am Southwark Crown Court als Haftstrafe aufgebrummt hatte.

Er wollte immer Brite werden und kann froh sein, dass es nie so kam

Der Hauptgrund dafür ist, dass der 55-Jährige das Glück hatte, nie einen seiner Herzenswünsche erfüllt zu bekommen. Denn Boris Becker ist Deutscher und das kam ihm nun zugute. Er selbst hätte das in der Vergangenheit gerne geändert. Noch 2015 sagte er auf die Frage der BBC, ob er britischer Staatsbürger werden wolle: "Am Ende werde ich mich sicher darum bemühen."

Wimbledon, der bürgerliche Stadtteil im Südwesten Londons, sei seine berufliche und seit einigen Jahren auch seine private Heimat. Im Februar 2011 war er nach London gezogen, hatte sich ein Haus gekauft, von dem aus er die berühmte Trainingshalle in Wimbledon sehen konnte. Er fühlte sich dort wohl – und als Londoner. Auf die Nachfrage des BBC-Reporters 2015, ob er tatsächlich die britische Staatsbürgerschaft beantragen werde, bekräftigte er seinen Wunsch: "Ja."

Dazu ist es allerdings nicht gekommen. Und weil Boris Becker nie britischer Staatsbürger wurde, konnte er jetzt ein Schnellverfahren durchlaufen, mit dem ausländische Häftlinge zügig abgeschoben werden. Die britischen Gefängnisse gelten als überfüllt – es soll Platz geschaffen werden. Dafür gibt es ein spezielles Entlassungs- und Abschiebeprogramm. Ausländische Häftlinge sollen keine Kapazitäten blockieren und werden schnellstmöglich außer Landes geschafft.

"Jeder Tag eines Häftlings im Gefängnis kostet den britischen Staat Geld", sagt die Rechtsanwältin Gül Pinar t-online auf Nachfrage. Dieses Abschiebungsprogramm gebe es schon lange, es sei "gang und gäbe", auch ein spanischer Einbrecher oder ein kroatischer Trickbetrüger profitierten davon. Es sei dabei völlig unerheblich, welche Staatsbürgerschaft der Verurteilte besitzt, Hauptsache, es ist nicht die britische.

"Sonst hätte er seinen Job verfehlt"

Dass das Insolvenzverfahren in London vor Gericht kam, ist für Boris Becker rückblickend ebenfalls ein glücklicher Umstand. Zuständigkeiten bei solchen Wirtschaftsfragen seien immer eine komplizierte Angelegenheit, sagt Pinar. Dass es britische Geschädigte und Gläubiger im Fall Becker gab, könne den Ausschlag gegeben haben, den Prozess dort zu führen. Auch sein Wohnort kann laut Gül Pinar ein Argument gewesen sein, immerhin hatte Becker seinen Lebensmittelpunkt nach London verlegt.

Dieses Abschiebe-Schlupfloch zur vorzeitigen Haftentlassung muss den Experten bereits vorab klar gewesen sein, ist sich Pinar sicher. Beckers Anwalt Christian Oliver Moser wird gewusst haben, dass die Verurteilung eines deutschen Staatsbürgers in London Möglichkeiten eröffnet. "Sonst hätte er seinen Job verfehlt", sagt Pinar.

Im Prozess selbst hatte Becker auf unschuldig plädiert. Später verzichtete er jedoch auf eine Berufung. "Unser Mandant akzeptiert sowohl das Urteil der Jury als auch das vom Gericht festgesetzte Strafmaß", teilte Beckers Anwalt Christian-Oliver Moser damals mit. Becker wurde noch am Tag der Urteilsverkündung aus dem fensterlosen Gerichtssaal in London abgeführt, musste zunächst im Wandsworth Prison der englischen Hauptstadt einsitzen, später wurde er ins Huntercombe-Gefängnis in Oxfordshire nahe London überführt.

Genau diese Wahlheimat wird er nun allerdings eine Weile meiden müssen. Nach seiner Abschiebung darf Becker aller Voraussicht nach längere Zeit nicht nach Großbritannien einreisen, obwohl dort seine Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro wohnt. Der Zeitung "Mirror" zufolge gilt das Einreiseverbot mindestens so lange, wie seine eigentliche Strafe gedauert hätte, also bis Ende Oktober 2024. Anwältin Pinar sagt, dass der Zeitraum normalerweise länger sei und mindestens fünf Jahre betrage.

So sieht Boris Beckers Zukunft aus

Doch Becker wird es verkraften können. Den schlimmsten Teil seiner Misere hat er wohl hinter sich gebracht. Auch wenn seine Straffreiheit in Deutschland nicht bedeutet, dass seine Insolvenz erledigt ist. Laut britischem Insolvenzregister ist er noch immer nicht Herr über seine eigenen Finanzen. Der Abschluss seines Insolvenzverfahrens wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Einige Auflagen, wie zum Beispiel das Verbot, ohne gerichtliche Erlaubnis in Großbritannien ein Unternehmen zu leiten, gelten noch bis 2031.

In einem Podcast im vergangenen Jahr hatte Becker erzählt, er müsse die Hälfte seiner Einkünfte abgeben. Wie das in Zukunft sein wird, ist noch unklar.

Für Boris Becker beginnt nun ein neues Leben in Freiheit. Eines, bei dem er sich vor Angeboten nicht retten kann. Der Vizepräsident des Deutschen Tennis Bundes hatte Becker bereits vor Wochen eine Stelle in Aussicht gestellt. "Salopp gesagt: Boris kann sich den Job aussuchen!" Auch ein Vertrag mit Sat.1 ist eingetütet und eine zweiteilige Doku mit Apple TV+ bereits abgedreht. "Vom Helden zum Häftling und wieder zurück in die Heimat": Diese Geschichte scheint sich gut zu verkaufen – auch ein Kapitel unter dem Namen "Zum Glück ein Deutscher" könnte darin Platz finden.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Telefonat mit Anwältin Gül Pinar
  • Anfrage an Rechtsanwalt Christian Oliver Moser
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