"Schreckliche Momente" Womit Hugh Grant seit 20 Jahren zu kämpfen hat
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Von romantischen Komödien hat Hugh Grant genug. In der neuen Serie "The Undoing" zeigt er seine dunkle Seite. Welche Ängste er dafür überwinden musste, hat er im Interview verraten.
Den Hemdkragen aufgeknöpft, die Ärmel nach oben gerollt, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Es ist derselbe lässige Charme, mit dem Hugh Grant das Zoom-Interview in einem Londoner Hotelzimmer abhält, der ihn Mitte der Neunzigerjahre zum Weltstar machte.
Mit "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" gelang ihm der große Durchbruch in Hollywood, seine Rollen in "Notting Hill", "Bridget Jones" und "Tatsächlich Liebe" drückten ihm endgültig den Stempel des britischen Verführers auf.
Die Wandlung des Hugh Grant
Doch "Mr. RomCom" ist Geschichte. Nach seinem Höhenflug schlug Grant die immer gleichen Rollenangebote lieber aus, als weiter in eine schauspielerische Sackgasse zu laufen. Er überlegte vor einigen Jahren sogar, seinen Job komplett an den Nagel zu hängen. "Vielleicht war das damals mein Tiefpunkt", blickt er im Gespräch mit t-online auf diese Zeit zurück. Doch anstatt Hollywood den Rücken zu kehren, wurde der Brite wählerisch – und wandelbar.
Als Meryl Streeps aufopfernder Ehemann in "Florence Foster Jenkins" oder als zwielichtiger Schnüffler in Guy Ritchies Gangsterfilm "The Gentlemen" überzeugte er zuletzt sämtliche Kritiker – und den ewigen Zweifler in sich. "Man könnte sagen, ich habe in den letzten sechs oder sieben Jahren sogar so etwas wie Spaß bei der Arbeit empfunden. Das ist sehr ungewöhnlich für mich", so Grant.
Lampenfieber vor der Kamera
Denn neben den Selbstzweifeln plagt ihn ein für Schauspieler noch viel größeres Problem: Lampenfieber vor der Kamera. "Seit 20 Jahren habe ich damit zu kämpfen. Das erste Mal passierte es mitten in den Dreharbeiten zu 'Notting Hill', während einer einfachen Szene. Aus dem Nichts hatte ich Schweißausbrüche, war verwirrt und konnte mir meinen Text nicht mehr merken", erinnert sich der Brite im t-online-Interview.
Mittlerweile habe er Wege gefunden, damit umzugehen. "Zum Beispiel gehe ich morgens vor der Arbeit joggen, um das überschüssige Adrenalin loszuwerden", erklärt er, gibt aber auch zu: "Es passiert mir immer noch ab und zu. Es sind schreckliche und peinliche Momente und ich habe keine Ahnung, woher es kommt."
"Ich hatte Angst vor Nicole Kidman"
Deshalb suche er nach wie vor gerne nach Gründen, Rollen abzulehnen. "Bei diesem Projekt konnte ich aber einfach nicht ‘Nein’ sagen", zuckt er grinsend mit den Schultern. Das Projekt ist die neue HBO-Serie "The Undoing", die seit dem 30. November bei Sky zu sehen ist. Grant spielt darin den erfolgreichen Arzt Jonathan Fraser, dessen Bilderbuch-Familienleben an der New Yorker Upper East Side auseinanderbricht, als er zum Hauptverdächtigen eines brutalen Mordfalls wird.
Seine Serien-Ehefrau: keine Geringere als Oscarpreisträgerin Nicole Kidman. Trotz ihrer langen Karrieren ist die Zusammenarbeit eine Premiere für die beiden Schauspieler. Und ein Grund, warum Grant die Rolle überhaupt in Betracht zog – obwohl er auch hier mit Ängsten zu kämpfen hatte. "Ich hatte Angst vor Nicole", lacht er im Interview. "Und um ehrlich zu sein, hatte ich auch ein bisschen Angst vor dem amerikanischen Fernsehen. Es steht viel Geld auf dem Spiel und ich finde das ziemlich einschüchternd."
Trotzdem ging er das Risiko ein und zeigt damit erneut eine ganz andere Seite von sich. "Jonathan ist dieser bezaubernde Kinderonkologe mit einer liebenswerten Art. Geboren, um zu heilen, leicht mürrisch, unsozial, liebt seine Frau, liebt sein Kind. Ich wollte, dass man von Folge eins an denkt: 'Was für ein großartiger Kerl, aber ist er nicht ein bisschen zu großartig?'", so der Brite.
"Ich bin erfüllter und zufriedener"
"The Undoing" – das Zunichtemachen einer perfekten Scheinwelt – lässt die Zuschauer bis zur finalen sechsten Episode immer wieder zweifeln. Nicht zuletzt durch Grants Darbietung, für die er von der US-Presse gefeiert wird. Eine neue Anerkennung, die er genießt. "Nach diesen letzten vier oder fünf Projekten bin ich jetzt ein etwas anderer Mensch. Ich habe mehr Selbstachtung, was die Schauspielerei betrifft, und ich glaube, ich bin erfüllter und zufriedener", sagt er.
Und das nicht nur beruflich. Auch privat hat der Brite, der im September seinen 60. Geburtstag feierte, das Image des ewigen Junggesellen hinter sich gelassen. 2018 trat er zum ersten Mal vor den Traualtar, hat mit seiner Frau, der schwedischen TV-Produzentin Anna Eberstein, drei Kinder. Zwei weitere stammen aus einer früheren Beziehung. Und auch, wenn er die späte Vaterrolle in vollen Zügen genießt, an Ruhestand denkt er längst nicht mehr, wie er im Interview betont. Denn der neue Hugh Grant hat gerade erst richtig losgelegt.
"The Undoing" läuft seit dem 30. November immer montags ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic HD sowie auf Abruf bei Sky Ticket und über Sky Q.
- Gespräch mit Hugh Grant