Das Sat.1-"Herzblatt" zeigt, was Pilawa noch lernen muss

Die CDU in Berlin, Schlaghosen oder 3D-Filme – hatten wir alles längst abgehakt, ist jetzt aber wieder da. Genau wie das "Herzblatt". Und wie ist das so?

"Und hier ist Ihr Heeerzblatt!" Tüüdüüdüüdüdüüüüdüütüüdü ... hören Sie das auch? Nostalgie im Kopf. Ob nun Rudi Carrell oder Hera Lind, sie alle führten durch das herrliche Format "Herzblatt", bei dem sich Singles einfach nur verlieben oder ein bisschen Spaß haben wollten. Keiner der Teilnehmer und Teilnehmerinnen wusste, was Followerzahlen sind, bei dem Wort "Fame" dachte man an wild umher tanzende Jugendliche und gelästert wurde, wie es sich gehört, im stillen Kämmerlein und nicht auf einer internationalen Plattform namens Twitter.

Ein Stückchen dieser guten, alten Zeit lässt Sat.1 jetzt wieder aufleben. Wenn Sie davon nichts mitbekommen haben, dann höchstwahrscheinlich, weil aus Gründen die Sendung leider nicht "Herzblatt" genannt werden darf, sondern den recht schnöden Namen "Dating Game – Wer soll dein Herzblatt sein?" trägt. Ansonsten ist aber eigentlich alles wie immer. Sogar Superstimme Susi ist mit dabei und Jörg Pilawa, der auch schon in der ARD drei Jahre lang Willige verkuppelte, macht Selbiges jetzt für Sat.1. Ende 2022 folgte der 57-Jährige dem Trend und wechselte nach mehr als 20 Jahren von den Öffentlich-Rechtlichen zum Privatfernsehen. Herzlich willkommen.

Fernsehen muss nicht immer Haudrauf sein

Besonders schön dabei ist: Beim "Herzblatt" finden endlich normale Leute statt. Stefan, der Busfahrer, Tamara, die Krankenkassenangestellte, Jens, der Mathelehrer oder Patricia, die Erzieherin. Sie alle trällern ihre wohlüberlegten, charmanten, manchmal süffisanten, Antworten oder Fragen vor, ohne, dass man sich fragt: Wo um Himmels willen, haben die diese Menschen her? Das kann auch einfach mal ganz beruhigend, gar schön sein. Ein Fernsehabend muss nicht immer Haudrauf sein oder am Rande der Intelligenzgrenze stattfinden, nur damit wir uns daheim wie die Größten fühlen können.

Und wer dann trotzdem noch einen Aufreger braucht, für den gibt es zum Beispiel Kandidat Denis. Der Agenturinhaber einer Versicherungsgesellschaft hat sich sein Lebensmotto tätowieren lassen. Es lautet "Augenhöhe". Jetzt kann man denken, wie schön, ein Mann, der seinen Mitmenschen auf Augenhöhe begegnet, kann kein schlechter Mensch sein. Nur hat Denis sich das "Motto" auf Hüfthöhe tätowieren lassen, man überlege kurz, denke sich seinen Teil und nehme dann am besten Reißaus.

Das Problem mit den alten, weißen Männern

Auch Moderator Jörg Pilawa trifft nicht immer den richtigen Ton. "Wenn ich hier die Frauen im Publikum frage, wie die Männer putzen können, da würden wir die tollsten Geschichten hören. Es gibt bestimmt Männer, die wissen gar nicht, wo der Staubsauger steht", meint er. Vermutlich will der Hamburger aus nostalgischen Gründen ein bisschen Flair aus den Achtzigern verbreiten, wobei das selbst da schon Schnee von gestern gewesen sein sollte.

Momente wie mit Stefan, dem köllschen Busfahrer, machen aber vieles wieder gut. "Hast du eine bevorzugte Haarfarbe?", fragt ihn Pilawa, abzielend auf die zwei Blondinen und die eine Brünette, die hinter der Wand auf den Singlemann warten. "Mir ist es wichtig, dass man zusammen lacht", antwortet Stefan. Hach!

Eine Sache stinkt beim neuen "Herzblatt" aber ganz gewaltig. "Hier ist Dein Herzblatt", kündigt der Moderator an diesem Montag gleich viermal an. Dein? Ernsthaft? Hier muss schon allein aus traditionellen Gründen gesiezt werden. Kann doch nicht jeder einfach machen, was er will. Wo kommen wir denn dahin, wenn jeder von den Öffentlich-Rechtlichen-Dahergelaufene Pilawa uns die Sitten verroht? So gut kennt der doch die Leute bei seinem neuen Arbeitgeber schließlich auch noch nicht.