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"Tatort": Ein intensives Kammerspiel im Stuttgarter Verhörraum


"Tatort: Der Mann, der lügt"
Ein intensives Kammerspiel im Stuttgarter Verhörraum

MeinungVon Barbara Schaefer

04.11.2018Lesedauer: 3 Min.
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Erbarmungslos: Die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) lassen einfach nicht ab vom Verdächtigen (Manuel Rubey).Vergrößern des Bildes
Erbarmungslos: Die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) lassen einfach nicht ab vom Verdächtigen (Manuel Rubey). (Quelle: SWR/Alexander Kluge)

In diesem "Tatort" ist alles anders. Die netten Kommissare von nebenan brechen ein, und zwar in das Leben eines – vielleicht

An einem ganz normalen lichten Arbeitstag stehen die Ermittler Lannert (reibeisig: Richy Müller) und Bootz (stur: Felix Klare) im Büro von Jakob Gregorowicz. Er soll als Zeuge befragt werden. Für die Kommissare ein normaler Vorgang, aber für den Befragten natürlich ein Ausnahmezustand.

Das ginge wohl jedem so, denn man hat das nicht alle Tage, dass die Polizei "nur ein paar Fragen" stellen möchte. Beim Rausgehen sagen die Ermittler: "Wir melden uns sicher nochmal." Das kann nur als Drohung verstanden werden.

Ein Mann wurde ermordet, und Gregorowiczs Name steht in dessen Terminkalender. Das sei ein Irrtum, sagt der Befragte. Der Mann lügt, das spüren die Ermittler, und die Fernsehzuschauer auch. Aber wer hat nicht schon mal gelogen? Häppchenweise gesteht, revidiert, ergänzt der Befragte, der immer mehr zum Verdächtigen wird. Denn wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, wird schon Kindern eingebläut.

Was wäre, wenn alle lügen?

Was diesen "Tatort" interessant macht: Als Zuschauer beginnt man, sich einiges zu fragen. Wenn es etwa heißt, die Polizei müsse davon ausgehen, dass alle Menschen lügen, mit denen sie zu tun hat. Wir, die Nicht-Polizisten, müssen hingegen vom Gegenteil ausgehen. Ein Leben in unserer Gesellschaft wäre nicht möglich, würden wir nicht grundsätzlich glauben, dass die Menschen um uns herum die Wahrheit sagen.

Fassungslos schaut man unterdessen Gregorowicz zu, wie er sich immer weiter reinreitet. Er gibt zu, mit dem nunmehr Ermordeten regelmäßig Tennis gespielt zu haben, und man kann nicht verstehen, warum er das verschwiegen hat. Er bittet einen befreundeten Zahnarzt, ihm ein Alibi zu verschaffen, und wir alle wissen, das wird nicht funktionieren. Genauso wenig wie das Rausfeudeln von DNA-Spuren aus der Geheimwohnung mit Glasreiniger.

Die freundlich-perfiden Ermittler lassen nicht locker, Lannert als der schicke Anzugmann genauso wenig wie Bootz, der legere Lederjackenträger. Und immer mehr bekommen wir unbeteiligten Zuschauer das Gefühl, das könnte einem selbst auch passieren: plötzlich verdächtig.

Natürlich verheimlicht Gregorowicz etwas. Spätestens als er in ein Schwulencafé marschiert, hat auch der Letzte kapiert, dass er eine Affäre am Laufen hat. Aber das ist ja kein Verbrechen.

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"Mogsch a Bierle?"

Drehbuch und Regie (Martin Eigler) schaffen es, dass Zuschauer diesen Fall ganz aus der Perspektive des Verdächtigen erleben. Man fragt sich: Würde das auch uns so gehen, dass das Umfeld uns nicht mehr glaubt? Der Schwager und Anwalt, der so anstrengend angepisst auf alles reagiert; die Ehefrau, die vielleicht sogar mehr weiß; die sauberen Kumpels, die eines Abends den immer mehr Verstörten räudig-schwäbisch begrüßen mit "wa machsch n du da?". Wer solche Freunde hat, muss sich wirklich Sorgen machen. Das lapidare "Mogsch a Bierle?" hilft da auch nicht weiter.

Die drängende Befragung im sogenannten Stuttgarter Verhörraum mit festgeschraubten Stühlen und Videokameras in allen Ecken steigert sich zum intensiven Kammerspiel. Alle drei leiden, stundenlang, die Ermittler, überkorrekt und doch erbarmungslos, ebenso wie der Befragte. Manuel Rubey überzeugt als Bedrängter, spielt ihn wie ein Kind, das einfach die Augen zudrückt, wenn es etwas nicht sehen möchte.

So bestürzend hat man das noch nicht gesehen, wie es sich anfühlen muss, in Untersuchungshaft zu kommen. Wie mit dem Ablegen aller Kleidungsstücke und Wertsachen auch ein Teil des Menschen in eine Schachtel gelegt wird. Als er die Schachtel nach dem ersten Aufenthalt im Knast zurückbekommt, scheint dieser Teil aber verloren gegangen zu sein.


Das geradezu kafkaeske Drehbuch (Sönke Lars Neuwöhner und Martin Eigler) schwächelt nur ganz am Schluss mit dem pseudo-dokumentarischen Ausklang. Insgesamt ein starker "Tatort", passend zum Zehnjährigen für die Stuttgarter Ermittler.

Verwendete Quellen
  • "Tatort: Der Mann, der lügt" vom 4. November 2018
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