Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der "Tatort" im Zuschauercheck "Irgendwann muss dann auch Schluss sein"
Fünfeinhalb Jahrzehnte "Tatort" und kein Ende in Sicht: Die berühmte Krimireihe erfreut sich weiterhin hoher Zuschauerzahlen. Doch hat sie mittlerweile ausgedient? Zuschauer antworten im Video.
1970 ging der "Tatort" mit der Folge "Taxi nach Leipzig" zum ersten Mal auf Sendung, auch heute noch ist er ein fester Bestandteil des ARD-Programms. Das verwundert nicht, schließlich ist die Krimireihe nach 55 Jahren immer noch die mit Abstand am meisten geschaute regelmäßige Sendung im deutschen Fernsehen.
Jeden Sonntag schalten teilweise über zehn Millionen Zuschauer zur besten Sendezeit das Erste ein, um die Fälle aus verschiedenen Regionen Deutschlands sowie aus Zürich und Wien zu verfolgen. Manche Kommissare sind schon seit Jahrzehnten dabei, unter anderem Lena Odenthal und das umstrittene Münsteraner Duo Thiel und Boerne.
Doch nicht alle Teams sind so beständig: Bisweilen ersetzen neue Ermittler die alteingesessenen. So verabschiedete sich Klaus Borowski, über 20 Jahre lang von Axel Milberg verkörpert, dieses Jahr von den Bildschirmen. Auch in München geben bald Ivo Batic, gespielt von Miroslav Nemec, und Franz Leitmayr, dargestellt von Udo Wachtveitl, ihre Dienstmarken ab – nach 34 Jahren Ermittlungen in der bayerischen Hauptstadt.
Dem Format weiterhin die Treue halten werden hingegen viele t-online-Nutzer. Steffen Zander sagt: "Sonntagabend muss das Abendbrot fertig sein, sodass ich mir den 'Tatort' ansehen kann. Da darf nichts stören." Mit Elke Ostwaldt ist die Krimireihe, die sie gern zusammen mit einem guten Glas Wein genießt, "so verwachsen wie die 'Tagesschau'", wie sie verrät. Frauke Weigand verspricht sogar: "Wenn meine Sehkraft mich nicht verlässt, schaue ich den 'Tatort', bis ich diese Erde verlasse."
Videotranskript lesen
Soweit ich mich erinnere, schaue ich den "Tatort" seit den Anfängen, seit es den "Tatort" gibt. Ich war damals beginnender Teenie und bei uns zu Hause war es eben üblich, sonntagabends gemeinsam Fernsehen zu sehen. Seitdem waren wir als Familie dabei und ich persönlich dann eben auch.
Ich schaue schon sehr lange "Tatort", schon seit meinem vierzehnten/fünfzehnten Lebensjahr mit meinen Eltern.
Irgendwann kam der "Tatort" und mein Vater und meine Mutter waren offen für diese Krimis und haben uns als junge Menschen eigentlich schon zu diesem Krimi hingeführt.
War der “Tatort” früher besser?
Der "Tatort" war früher nicht besser, auf keinen Fall – vor allen Dingen nicht filmtechnisch. Wenn man sich die Formate nochmal anguckt, dann ist die Technik jetzt viel, viel weiter.
Ich würde nicht sagen, es ist schlechter oder besser geworden. Ich finde, er ist vielfältiger geworden in der Vielfalt der Themen, die er behandelt.
Der "Tatort" hat sich schon geändert. Ist natürlich auch eine Sache des Zeitgeistes. Ich würde es gar nicht positiv oder negativ bewerten. Es ist sicherlich abhängig von den jeweiligen Schauspielern, die die Kommissare oder Kommissarinnen verkörpern – aber auch von den entsprechenden Themen, die da angesprochen werden.
Welche Teams sind Ihre Favoriten und welche gefallen Ihnen nicht?
Wir mögen sehr gerne, natürlich weil wir hier in der Kölner Region wohnen, den Freddy Schenk und den Max Ballauf uns angucken. Aber ansonsten mögen wir auch die Lindholm gerne und Faber aus Dortmund.
Dortmund finde ich super, wegen den Schauspielerinnen und Schauspielern, die da agieren.
Die Münsteraner, am Anfang fand ich die ganz toll. Aber jetzt: Ich finde, das ist nur noch Komödie, kein Krimi mehr.
Ganz schrecklich finde ich den Murot, wobei ich den Ulrich Tukur als Schauspieler sehr gut finde. Aber diese Geschichten, wenn das völlig ins Surreale abdriftet, das gefällt mir persönlich nicht.
Ist der “Tatort” zu politisch?
Über politische Dinge solche Filme zu machen, das ist ja eigentlich Unterhaltung, das ist eine ganz schwierige Sache. Ab und an ja, aber das darf nicht zu viel werden.
Ich empfinde es genau umgekehrt: Ich finde es dadurch, dass es auch politisch ist, viel realitätsnaher und auch spannender, weil man einfach viele Komponenten mit einbindet, die es früher nicht gegeben hat.
Das sind sehr relevante Themen. Und wenn man den "Tatort" dafür nutzen kann, um solche Themen zu transportieren, finde ich, wenn es gut gespielt ist, das wunderbar.
Bei manchen "Tatorten", da hat man so ein bisschen den Eindruck, dass man da mit einem erhobenen Zeigefinger dem Zuschauer irgendwas mitteilen will.
Ich fühle mich dadurch nicht erzogen, sondern teilweise auch angeregt zum Nachdenken.
Es ist auch völlig in Ordnung, wenn gesellschaftspolitische Dinge aufgegriffen werden, die uns beschäftigen. Schwierig finde ich es, wenn das ein bisschen sehr aufgesetzt daherkommt. Wenn man das Gefühl hat, der Tatort wird stark pädagogisiert. Es ist dann die Situation, wenn zum Beispiel Teams so divers zusammengesetzt sind, dass der normale Zuschauer, die normale Zuschauerin das in ihrem Alltag so nie erlebt. Dann fühlt man sich nicht wirklich abgeholt in der eigentlichen Lebenssituation. Die Tatorte sind ja immer so gestrickt, dass sie sehr nah am Alltag von Menschen sein sollen. Zumindest wird dieser Eindruck erweckt. Das ist aber dann eine Situation, die nicht mehr den Realitäten entspricht.
Thematisiert der “Tatort” die Privatleben der Kommissare zu stark?
Grundsätzlich ist es eine Bereicherung, wenn die persönlichen Umstände der Ermittler mitspielen. Man darf nur den Fokus nicht zu sehr drauf legen.
Es gefällt mir nicht gut, wenn die persönlichen Befindlichkeiten der Ermittler zu stark in den Vordergrund gehen, wenn diese die eigentliche Kriminalgeschichte überlagern.
Wir sind alles nur Menschen und leben mit diesen Dingen und das kann man nicht einfach abschalten, nur weil man auf Arbeit ist. Und ich denke, wenn man das im Film mit reinbringt, ist das für mich total authentisch.
Ich finde: mehr auf die Fälle konzentrieren. Irgendwie haben die ja alle psychische Probleme, also viele auf jeden Fall. Und ich weiß nicht, ob das in der Realität auch so ist.
Wenn ich einen Ermittler habe, der langfristig auftritt, finde ich es hilfreich, den Hintergrund so ein bisschen zu kennen. Wenn allerdings ein Ermittlerteam nur für relativ kurze Zeit geplant ist, dann finde ich es schwierig, weil dann brauche ich das nicht.
Sollten jüngere Kommissare die dienstälteren ablösen?
Irgendwann muss dann auch Schluss ein. Also so ganz alte Ermittler finde ich halt nicht so gut.
Ich find’s traurig, wenn man bekannte Personen verliert im "Tatort". Aber ich finde es auch gut, wenn man neuen Teams eine Chance gibt, sich zu profilieren und da frischen Wind reinzukriegen.
Manchmal ist es auch einfach an der Zeit, dass man einfach mal sagt: So, jetzt hat man mal ein neues Team. Weil es gibt ja wirklich ganz dienstalte Kommissare, die das sicherlich über viele Jahre auch toll gemacht haben. Aber irgendwann, so nach 30/40 Jahren, ich denke, da ist für jeden mal das Berufsleben beendet.
Also Fluktuation sollte schon sein. Es sollte auch ein frischer Wind reinkommen. Lieb Gewöhntes, das vermisst man nicht gerne. Also Axel Milberg nicht mehr zu sehen, das wird mir ein bisschen schwerfallen. Aber okay, so ist das Leben – so what?!
Wie lange schauen Sie den “Tatort” noch?
So wie vielleicht das Sportstudio am Samstagabend gehört der "Tatort" am Sonntag ins Programm hinein. Also den werde ich auf jeden Fall, solange es ihn gibt, weitergucken.
Das ist so eine gewisse Tradition. Und ich denke, man kann auch festhalten an gewissen Traditionen.
Es ist immer noch, finde ich, eine der besten Sendungen im deutschen Fernsehen – der zuverlässigsten, besten Sendungen. Und das, finde ich, ist ja nun auch eine tolle Sache, wenn man das über so viele Jahrzehnte so sagen kann als Zuschauerin. Dann müssten die doch da auch einiges richtig gemacht haben.
Welche Teams ihre Favoriten sind, verraten diese drei t-online-Nutzer und weitere "Tatort"-Fans hier oder oben im Video.
- Videointerviews mit den t-online-Nutzern Frauke Weigand, Karsten Thiem, Torsten Reichardt, Elke Ostwaldt, Steffen Zander, Hedi Roos-Schumacher und Elke Haschke
- mit Fotomaterial von Imago