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Tesla in Grünheide: Das sind die Beweggründe der Aktivisten


Protest gegen Tesla
Das hat die Aktivisten nach Grünheide gebracht


Aktualisiert am 13.03.2024Lesedauer: 6 Min.
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"Dreckige Lüge": Das sagen Aktivisten und ein Tesla-Mitarbeiter zum Konflikt in Grünheide. (Quelle: t-online)

Das Unternehmen Tesla will seine "Gigafactory" in Grünheide nahe Berlin erweitern. Bürger und Aktivisten stellen sich dagegen. t-online war vor Ort.

Die Tesla-"Gigafactory" war bereits vor dem Baubeginn 2020 umstritten. Nun möchte der Hersteller von Elektroautos seine rund 300 Hektar große Fabrik um 170 Hektar erweitern. Dagegen haben sich vor zwei Wochen die Einwohner der angrenzenden Ortschaft Grünheide bei einer Bürgerbefragung ausgesprochen. Zwei Drittel lehnten die Erweiterung ab. Tesla steht vor allem in Bezug auf das Grundwasser in der Kritik. Der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner hat den Autobauer bereits mehrfach für das Überschreiten von Grenzwerten im Abwasser abgemahnt – ohne Erfolg. Das bestehende Tesla-Werk befindet sich zu zwei Dritteln in einem Wasserschutzgebiet.

Da die Bürgerbefragung für die Politik nicht bindend ist, errichteten Aktivistinnen und Aktivisten in der Nacht zum vergangenen Mittwoch mehrere Baumhäuser im angrenzenden Wald. "Tesla stoppen" nennt sich die Gruppe. t-online war bei der Waldbesetzung vor Ort und hat sich mit Aktivisten, Anwohnern und Mitarbeitern von Tesla unterhalten.

Wer sind die Menschen, die einen Wald besetzen?

Nur wenige Hundert Meter vom Werksgelände entfernt befindet sich der Eingang zum besetzten Gebiet. Es ist viel Betrieb in dem kleinen Teil des Waldes, in dem die Baumhäuser stehen. Es werden weitere Baumhäuser gebaut, es wird gekocht, und dann gibt es Führungen für Besucher oder Journalisten.

Die meisten der Waldbesetzer sind noch sehr jung. Es ist noch nicht lange her, da protestierte Aktivistin Lotta (20) noch jeden Freitag mit Fridays for Future für eine bessere Klimapolitik. Doch die Klimaaktivistin hatte das Gefühl, dass diese Demonstrationen nichts bringen. Bei der Waldbesetzung packt sie überall da an, wo sie helfen kann: Sie baut Baumhäuser mit, holt Material oder betreut Besucher. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Waldbesetzung hier ein großer Erfolg wird, wenn nicht sogar ein riesengroßer Erfolg", sagt Lotta mit Überzeugung.

Auch Rene Sander ist Teil der Gruppe "Tesla stoppen". Ihm persönlich geht es darum, ein Zeichen zu setzten gegen den Ausbau der Fabrik. Er kommt selbst aus der Region, und deshalb ist es ihm besonders wichtig: "Die Natur und Versorgung mit so elementaren Dingen wie Wasser darf nicht zurückstehen hinter Profitinteressen von Konzernen wie Tesla." Gerade in Grünheide werde deutlich, dass "für ein Unternehmen wie Tesla Extraregeln gelten. Es wird zuerst gebaut und danach einfach genehmigt."

Faktencheck: Setzt sich Telsa über geltendes Recht hinweg?

Bereits mit Beginn des Baus der ersten Fabrik schaffte Tesla schnell Fakten. Noch bevor eine umweltrechtliche Genehmigung der Fabrik im Jahr 2020 vorlag, begann der Konzern mit den Rodungsarbeiten. Das Umweltamt hatte zuvor zwar seine Genehmigung für die Rodung erteilt, allerdings nur unter der Prämisse, dass Tesla den alten Zustand wiederherstellen müsse, sollte die umweltrechtliche Genehmigung nicht erteilt werden. Erst im Juli des vergangenen Jahres stellten Prüfer eine illegale, also nicht genehmigte Dieseltankstelle auf dem Gelände der Fabrik fest.

Die Prüfer ordneten zwar den Abbau der Anlage an, nach einer Recherche des Magazins "Stern" waren zu dieser Zeit bereits 250 Liter Kraftstoff ausgelaufen. Tesla hatte die Tankstelle unter einem "weißen Partyzelt" versteckt. Bereits zuvor war das Betanken von Baufahrzeugen im Bereich der Baustelle aufgrund des dortigen Wasserschutzgebietes verboten gewesen. Tesla soll sich an diese Auflage ebenfalls nicht gehalten haben. Im Nachhinein erfolgte eine Genehmigung durch das Landesamt für Umwelt.

Doch nicht nur bei klassischen Tankstellen scheint der Tesla-Konzern den Genehmigungsverfahren einen Schritt voraus zu sein. Die Schnellladesäulen für Elektroautos aus dem Hause Tesla, die sogenannten "Super Charger", sind in Deutschland verboten. Schnellladesäulen anderer Hersteller sind hingegen erlaubt. Bisher hat Tesla die geforderten Anpassungen nicht vorgenommen. Rund um das Werk in Grünheide sind diese allerdings ebenso zu finden wie an anderen Standorten in Deutschland. Tesla betreibt derzeit rund 1.800 dieser Elektroladestationen.

Bürgerbefragung: Aufgehoben oder aufgeschoben?

Gegen das Vorhaben von Tesla, sich in einem Wasserschutzgebiet anzusiedeln, regt sich bereits seit Ende 2019 Protest in der Region. Manu Hoyer (65) hat damals die Bürgerinitiative Grünheide gegründet. Die 65-Jährige will nicht darauf vertrauen, dass das Votum der Bevölkerung gegen den Ausbau des Werks von der Politik umgesetzt wird – auch wenn dies angekündigt ist. Deshalb ist sie froh über die jungen Aktivisten, die mit ihrem Protest dem Votum Nachdruck verleihen. "In meinen Augen versucht Tesla dort etwas zu mauscheln, um die Bevölkerung hinters Licht zu führen", so Hoyer im Hinblick darauf, dass der Bebauungsplan nicht mehr den Gemeindevertretern vorgelegt werden soll.

Das hatte der Bürgermeister von Grünheide, Arne Christiani (parteilos), bereits bekannt gegeben. Dem RBB sagte er zuletzt: "Ich ärgere mich darüber, dass es nicht gelungen ist, den Menschen darzustellen, dass ganz wichtige Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel die neue Landesstraße L386 oder der Bahnhofsvorplatz Bestandteil dieses Bebauungsplanes sind." Warum es für den kritischen Bereich der Werkserweiterung keinen separaten Bebauungsplan gibt, ging aus Christianis Statements nicht hervor.

Das Votum der Bürger von Grünheide ist für die Entscheidungsträger nicht bindend. An der Befragung beteiligten sich 71 Prozent der Grünheider. Während sich Bürgermeister Christiani über eine starke Beteiligung freut, kritisiert Hoyer, dass auch die Menschen aus Erkner hätten befragt werden müssen. Diese seien von dem Ausbau ebenso betroffen. Christiani sieht das Votum nicht als Zeichen für eine Anti-Tesla-Haltung in der Bevölkerung, wie die Deutsche Presse-Agentur schreibt.

Wie stehen die Mitarbeitenden zur Waldbesetzung?

t-online hat auch Tesla um ein Statement oder Interview gebeten, bis heute gab es keine Reaktion. Nach Informationen der Bürgerinitiative sollen auch die Mitarbeiter eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet haben, die es ihnen verbietet, mit Dritten über jegliche Themen in Bezug zum Tesla-Werk zu sprechen. Dies ließ sich bis dato nicht unabhängig überprüfen.

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Vor Ort wollten die meisten der Beschäftigten nicht mit t-online sprechen – bis auf zwei. Ein junger Beschäftigter, der lieber anonym bleiben möchte, blickt positiv auf die Erweiterung. Es würden mehr Arbeitsplätze entstehen, sagt er. Die Waldbesetzung der Aktivisten findet er allerdings auch eine gute Sache. "Die Gefahr für das Wasser ist Mist", sagt der Mann, der nach eigenen Angaben extra für den Job in die Region gekommen ist. Genauer wollte er sich zu dem Sachverhalt nicht äußern, bevor er in den Bus stieg, der ihn immer auf das Werksgelände von Tesla bringt.

Nicht alle haben Verständnis für den Protest

Rocko Winkler arbeitet seit eineinhalb Jahren im Logistikbereich des Tesla-Werks. Den Protesten steht er kritisch gegenüber. "Es werden durch die Aktion wieder Steuergelder verschwendet", sagt Winkler. Beim nahegelegenen Umspannwerk seien viele Polizisten zum Schutz abgestellt worden, dies koste Geld. Zu den Vorwürfen, Tesla gefährde das Wasser in der Region, meint Winkler: "Dass Tesla nur Schmutzwasser rückführt, kann ich nicht bestätigen. Es sind viele Rückführ- und Aufbereitungsbecken auf dem Gelände und um das Werk entstanden".

Vom zuständigen Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) heißt es in einer Beschlussvorlage, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, dass Tesla "ständig und in erheblicher Weise" die zulässigen Abwassergrenzwerte überschreite. Auf mehrmalige schriftliche Hinweise habe der Konzern keine Regung gezeigt. Arbeiter Winkler sieht in der Tesla-Fabrik dagegen einen wichtigen Schritt zur Energiewende: "Wir wollen energiemäßig ganz woanders hin, weg von Brennstoffen, und da ist die Elektroenergie natürlich gefragt." Außerdem komme Tesla dem Aufbau Ost zugute. "Tesla bringt Menschen in Lohn und Brot", so Winkler.

"Das Wasser muss sauber sein und bleiben – Punkt"

Die Aktivisten im Wald neben der Fabrik sehen die Nachhaltigkeitsversuche von Tesla grundlegend anders. "Wir sagen, dass Teslas Versprechen, eine saubere Firma zu sein, eine dreckige Lüge ist", sagte Lotta von der Gruppe "Tesla Stoppen", "Mir ist es egal, ob Tesla versucht, alles zu tun, um das Wasser sauber zu halten. Das Wasser muss sauber sein und bleiben – Punkt." Das Firmengelände im geplanten Umfang zu erweitern, sei faktisch gar nicht möglich, ohne das Grundwasser in Mitleidenschaft zu ziehen, so die Aktivistin.

 
 
 
 
 
 
 

Elektroautos sehen die meisten in der Besetzung kritisch. Durch den Verbrauch von seltenen Rohstoffen würden sie keine grüne Alternative zum Verbrenner darstellen. "Luxus E-SUVs sind keine Lösung gegen die Klimakrise. Gut fürs Klima wäre es, wenn wir weg vom Individualverkehr kommen würden", sagt Rene Sanders.

Wie ist das Verhältnis zwischen Aktivisten und Polizei?

Als die Polizei die Besetzung entdeckte, erkannte sie den Protest unter Auflagen als Versammlung an. "Wir sind sehr froh, dass das Verhältnis mit der Polizei aktuell friedlich ist. Sie machen uns wenig Stress, was bei einer Waldbesetzung nicht das Normalste auf der Welt ist. Das ist sehr schön", sagte die Aktivistin Lotta.

Das Verhältnis zu den Arbeitern aus der Fabrik sei laut der Initiative Grünheide und der Gruppe "Tesla stoppen" ebenfalls sehr gut. Immer wieder würden Arbeiter aus dem Werk in dem Protestcamp vorbeikommen und das Gespräch suchen. "Wir setzen uns auch für bessere Arbeitsbedingungen in dem bereits bestehenden Werk ein", sagte Rene Sander. Hier würde man schnell einen gemeinsamen Nenner finden, so der Aktivist.

Eine Recherche von "Stern" zeigte im vergangenen Jahr, dass es häufig zu schweren Arbeitsunfällen bei Tesla kommt. "Diese Häufigkeit an Arbeitsunfällen ist nicht normal", zitiert das Magazin Dirk Schulze, Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen.

"Einige hoffen natürlich auf mehr Arbeitsplätze durch die Erweiterung, aber ihnen ist es genauso wichtig, dass sie dort gut arbeiten können". Gegen das bereits bestehende Werk sprach sich in Interviews mit t-online niemand in der Besetzung aus. "Wir können keine 300 Hektar Wald wiederherstellen, die erste Fabrik muss bleiben. Dann aber mit fairen Bedingungen für die Arbeiter", sagte Manu Hoyer.

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