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Sommer mit extremer Hitze in den Städten: Der Beton rächt sich jetzt


Hitze in Deutschland
Mannheim wird zum Mahnmal

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

20.06.2025 - 15:37 UhrLesedauer: 7 Min.
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Begrünte Fassaden: Diese Städte sollten sich deutsche Metropolen zum Vorbild nehmen. (Quelle: t-online)
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In Städten ist die Hitzebelastung besonders hoch. Während einer Hitzewelle kühlt es sich dort auch nachts oft kaum ab. Doch Städte können eine Menge tun, um ihre Bewohner zu schützen.

Im vergangenen Sommer habe ich einen der heißen Abende in der Stadt bei einer Freundin auf dem Balkon verbracht. Ihre Wohnung liegt zwischen Spree und Wuhlheide, einem riesigen Parkgebiet im Osten von Berlin; der Balkon ihrer Wohnung blickt direkt auf das Wasser. Irgendwann musste ich mir einen Pullover leihen, weil es so kühl wurde. Auf der Fahrradfahrt nach Hause fror ich sogar. Ich wunderte mich, hatte es sich in den Tagen zuvor doch nachts kaum abgekühlt. Doch mit jedem Kilometer, den ich dem Stadtzentrum näher kam, wurde es wärmer. In meiner Wohnung stand nach wie vor die Hitze und ließ sich kaum vertreiben.

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Das ist ein typisches Phänomen: Die sommerliche Hitzebelastung ist in Städten besonders hoch. Denn die Sonne heizt den dunklen Asphalt, der das Stadtbild dominiert, besonders auf. Für ihren Hitze-Check hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Satellitendaten von 190 Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern ausgewertet und den Grad der Versiegelung und das Volumen von Grünflächen untersucht. Mehr als zwölf Millionen Menschen sind demzufolge an ihrem Wohnort extremer Hitze ausgesetzt. Nur 28 Städte erhalten in der Auswertung eine Grüne Karte, 131 bekommen eine Gelbe Karte und 31 Städte eine Rote Karte. Am schlechtesten schneidet Mannheim ab. 88 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner seien dort überdurchschnittlich stark von Hitze betroffen. Auch Ludwigshafen am Rhein, Worms und Frankfurt am Main haben besonders schlechte Werte. Alle sind zu mehr als 50 Prozent versiegelt.

Städte im Norden wie Flensburg, Wilhelmshaven und Kiel haben einen Vorteil, weil die Temperaturen dort oft nicht ganz so hoch klettern. Am besten aber schneiden Städte ab, die vergleichsweise viele grüne und wenige versiegelte Flächen haben, etwa Hattingen, Gummersbach und Witten. Die DUH fordert daher verbindliche Mindestgrünanteile auf jedem Grundstück. Grün in den Städten sei für die Gesundheit der Menschen essenziell und kein 'Nice-to-have'. Und tatsächlich können Städte viel tun, um ihre Bewohner vor gesundheitsschädlicher Hitze zu schützen. Viel mehr, als die allermeisten bislang tun.

Video | Diesen deutschen Städten droht Hitzestress
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Quelle: dpa

Fassaden und Dächer begrünen

Naturbasierte Lösungen wie Dach- und Fassadenbegrünung helfen, Gebäude von außen passiv und klimafreundlich zu kühlen, und tragen über die Verdunstung der Pflanzen auch dazu bei, die Umgebungstemperatur herunterzukühlen. Sie haben außerdem weitere positive Effekte: Sie schonen Ressourcen, fördern die Artenvielfalt und helfen, Starkregen aufzufangen.

Neue Grünflächen und Durchlüftungsbahnen schaffen

Noch wirkungsvoller wäre es, Flächen zu entsiegeln und zu begrünen – und damit, wenn möglich, sogar zusammenhängende grüne Bänder in der Stadt zu schaffen. Das fördert den Luftaustausch, damit Wärmeinseln sich mit dem kühlen Nachtwind wieder auflösen. Konkret bedeutet das, vor allem Straßen und Parkplätze in Grünflächen umzuwandeln. Dagegen sperren sich jedoch viele. Kaum jemand stört ein begrüntes Dach, das zusätzlich hinzukommt. Neue Grünflächen und Bäume jedoch nehmen hart umkämpften Platz weg.

Ein erster Schritt wäre es, gesunde Bäume in der Stadt zu erhalten und nicht zu fällen. Unter Bäumen im Schatten zu sitzen, kann bis zu 12 Grad kühler sein als auf Asphalt. In der Wuhlheide in Berlin oder der Leinemasch in Hannover protestieren Klimaschützer und Anwohnerinnen daher dagegen, Stadtwaldflächen für neue Straßen zu roden. Denn viele Bäume werden gar nicht nachgepflanzt, und selbst wenn: Es dauert, bis junge Bäume so groß sind, dass sie ebenso viel CO2 binden und Schatten spenden wie ein alter Baum.

Neue Bäume zu pflanzen, ist außerdem gar nicht so einfach. Jeder Baum braucht unterirdisch so viel Platz, wie seine Baumkrone einnimmt. Und dort verlaufen in Städten oft bereits Leitungen und Rohre. Auf aufgeheizten Stadtflächen stehen sie zudem massiv unter Stress.

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo zeigt, dass es dennoch geht, wenn man will. 2021 hat sie angekündigt, 170.000 Bäume in der Stadt zu pflanzen. Eine der Begründungen: Sie sind sinnvoller und nachhaltiger als etwa Klimaanlagen. Wenn alle Wohnungen nämlich mit individuellen Klimaanlagen heruntergekühlt würden, stiege die Temperatur in der Stadt um bis zu drei Grad. Klimaanlagen verbrauchen im Sommer zudem ein Fünftel der Energie in einem Haus.

Plätze und Gebäude verschatten

Spielplätze und Schulhöfe, Bushaltestellen, Wege und Plätze sind wichtig für das Leben in der Stadt. Es sind Orte, an denen sich Menschen begegnen, bewegen und aufhalten. Um bei Hitze nutzbar zu bleiben, müssen sie verschattet werden.

Auch beim Bau von Gebäuden muss Sonnenschutz konsequent mitgedacht werden. Vorhänge reichen oft nicht mehr, um die Hitze draußen zu halten. Effektiver ist eine Verschattung von außen, sodass die Sonnenstrahlen gar nicht erst durch die Fenster dringen. Auch eine gute Wärmeisolation von Gebäuden ist nicht nur wichtig für den Winter – sie schützt im Sommer gleich mit.

Kühle Orte schaffen

Kühle Orte können alles Mögliche sein, Kirchen oder Museen, Einkaufszentren, Lobbys oder grüne Außenbereiche. Viele Städte nutzen Karten, um diese Orte sichtbar zu machen. In Lyon in Südfrankreich werden kühle Orte an heißen Tagen gezielt zugänglich gemacht: Zum Abkühlen kann man kostenlos ins Museum; Menschen, die Sozialhilfe bekommen, dürfen sogar kostenfrei ins Kino.

Auch in der österreichischen Hauptstadt Wien ist die Hitzebelastung hoch. Im Sommer 2020 wurden dort 18 temporäre "Coole Straßen" getestet. Die Straßen wurden für Autos gesperrt, Sitzmöglichkeiten, Pflanzen und Schatten eingerichtet. Sie luden Kinder zum Spielen und Erwachsene zum Verweilen ein. Viele verlegten ihre Mittagspausen in die Straßen, einige sogar ihr Homeoffice. So hat das Projekt nicht nur positive Auswirkungen darauf, die Hitzebelastung zu reduzieren, sondern auch auf das soziale Leben vor Ort. Vier der Straßen wurden dauerhaft umgebaut.

Hitzeschutzräume einrichten

Besonders betroffen von Hitze sind obdachlose Menschen, die sich nirgendwohin zurückziehen können. In Berlin gibt es sieben vom Senat geförderte Hitzeschutzräume, die zwischen dem 1. Juni und dem 31. August tagsüber geöffnet haben. Dort gibt es etwa schattige Terrassen oder Gärten, Toiletten und Dusche, Getränke und Essen und Schlafplätze, die tagsüber genutzt werden können. Im Winter werden die Räume zum Teil auch für die Kältehilfe genutzt.

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Im Berliner Stadtteil Schöneberg wurde der erste Schutzraum dieser Art 2022 eröffnet. Die Nachfrage war den Betreibern zufolge überwältigend, es waren schnell 60 Gäste gleichzeitig anwesend. 2024 kamen zwischen Juni und August insgesamt 3.112 Menschen. Doch das reicht nicht, sagt der Präsident der Ärztekammer Berlin, Peter Bobbert, dem RBB: angesichts von mehreren Tausend Obdachlosen auf den Straßen Berlins.

Hitzeschutzpläne und Aufklärung

Seit der großen Hitzewelle 2003, bei der in Europa schätzungsweise 70.000 Menschen starben, haben fast alle unsere Nachbarländer Hitzeschutzpläne erstellt – Deutschland hingegen nicht. Die Pläne helfen dabei, sich besser auf Hitzephasen vorzubereiten. Durch Aufklärung und präventive Maßnahmen wird negativen gesundheitlichen Folgen von Hitze vorgebeugt. Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat 2023 zwar angekündigt, dass auch Deutschland einen Hitzeschutzplan bekommen soll. Wann er fertig wird, ist allerdings noch unklar. Auch die Stadt Berlin arbeitet an einem solchen Plan. Aber auch der ist noch nicht fertig.

Einige Städte und Kommunen, darunter Offenbach, sind da schon weiter und haben einen detaillierten Maßnahmenkatalog erarbeitet. Vor jeder Hitzeperiode erhalten dort etwa die Gastronomiebetriebe der Stadt eine E-Mail mit Handlungsempfehlungen. Die Bevölkerung wird gezielt im öffentlichen Nahverkehr informiert. Wenn der Deutsche Wetterdienst vor Hitzebelastung warnt, werden auf den Fahrgastinformationstafeln Hinweise angezeigt, im Schatten zu bleiben und genug Wasser zu trinken.

Um die Hitzebelastung möglichst gering zu halten, sollten gefährdete Personen sich an besonders heißen Tagen an gewisse Regeln halten: Anstrengung meiden, lockere Kleidung, leichtes Essen. Um darüber aufzuklären, hat die Stadt Erfurt ein Hitzeportal eingerichtet. Auf einer Internetseite finden sich gebündelt Informationen rund um den Hitzeschutz und praktische Tipps, was Einzelne tun können, um sich zu schützen.

Über das Hitzetelefon informieren Ehrenamtliche in Kassel gezielt ältere Menschen, die über Smartphone und Internet oft nicht erreicht werden. Der Seniorenbeirat der Stadt Kassel und das lokale Gesundheitsamt sprechen so schon seit 2010 mithilfe von Freiwilligen übers Telefon gezielt all jene an, die von Hitze besonders gefährdet sind. (Für das Angebot muss man sich zuvor einmal auf einer Website anmelden, Verwandete und Bekannte können dabei helfen.) Liegt eine Warnung des Deutschen Wetterdienstes vor, rufen von Mitte Juni bis Ende August vormittags Ehrenamtliche die angemeldeten Personen an, informieren über die Hitzewarnung, geben Tipps und hören auch zu, um den gesundheitlichen Zustand der Angerufenen einzuschätzen. Falls nötig, wird die Hausarztpraxis über mögliche Probleme informiert.

Nachbarschaftshilfe fördern

1995 wurde Chicago von einer Hitzewelle erfasst; mehr als 700 Menschen starben, darunter viele Arme und Alte. In zwei Vierteln mit einer ähnlichen Sozialstruktur fiel die Sterberate sehr unterschiedlich aus, Forschende fanden heraus, warum: In einem Stadtteil war die Kriminalitätsrate deutlich höher, dort zogen sich die Menschen in ihre Wohnungen zurück und versuchten, die Hitzewelle auszusitzen – viele von ihnen starben. Im anderen Stadtteil gingen die Menschen nach draußen, setzten sich in die Gärten ihrer Freundinnen, harrten im Einkaufszentrum aus oder klopfen bei ihren Nachbarn, um sicherzustellen, dass es ihnen gut geht. Die trauten sich, die Tür zu öffnen und Hilfe anzunehmen. Das war es, was den Unterschied machte.

Zusammenhalt und Zusammenarbeit sind entscheidend, um der Hitze zu trotzen. Tipps, wie man Nachbarschaftshilfe initiieren und sich gegenseitig unterstützen kann, gibt die Kampagne "Schattenspender" des Umweltbundesamtes. Um sich eine gut funktionierende Gemeinschaft aufzubauen, die sich in Krisenzeiten unterstützt, könne man etwa eine Einkaufshilfe oder Transportdienste organisieren, damit geschwächte Personen körperliche Anstrengung während einer Hitzeperiode vermeiden können. Denn wie wir als Gesellschaft durch die Krisen kommen, die wir nicht mehr vermeiden können, darüber entscheiden auch jeder Einzelne und wir alle zusammen.

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