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Todesfahrer von Saarwellingen vor Mordanklage


Mit Tempo 130 durch die City
Todesraser vor Gericht – warum Mordanklage problematisch ist

Von Markus Abrahamczyk

09.08.2018Lesedauer: 3 Min.
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Ende einer Todesfahrt: Spuren der Verwüstung in der Geschäftsstraße in Sarwellingen nach dem Crash.Vergrößern des Bildes
Ende einer Todesfahrt: Spuren der Verwüstung in der Geschäftsstraße in Sarwellingen nach dem Crash. (Quelle: Simon Mario Avenia/dpa-bilder)

Ein Mann rast mit Tempo 130 durch die City, tötet zwei Menschen. Es war kein Unfall, sondern Mord, sagen die Staatsanwälte. Das ist nachvollziehbar – birgt aber einige Schwierigkeiten, die ein ähnlicher Fall zeigte.

Das Stoppschild umgeknickt wie ein Grashalm, zerstörte Autos reihen sich aneinander. Scherben und Fetzen überall, es sieht aus wie nach einem Anschlag. Aber es ist das Ende einer Todesfahrt. Sie kostete zwei Unbeteiligte in Saarwellingen (Saarland) vor knapp einem Jahr das Leben. Die Staatsanwälte in Saarbrücken sagen: Das war Mord. Jetzt steht der 26-jährige Autofahrer vor Gericht.

Was in Saarwellingen geschah

Es ist Mittwoch, der 23. August 2017: Der damals 26-Jährige rast mit mindestens 130 km/h im Feierabendverkehr über die stark befahrene Bahnhofstraße – erlaubt sind 50 km/h. Ermittlungen zeigen später: Dabei schreibt er zudem noch Nachrichten auf seinem Smartphone. Vor einem Imbiss schlägt sein Auto in einen anderen Wagen ein. Die Wucht des Aufpralls schleudert das Auto gegen ein Haus und andere Autos. Die 42-jährige Fahrerin stirbt am Unfallort, ihre 12-jährige Tochter zwei Monate später im Krankenhaus.

Zeugen sagen später: Der Mann habe zunächst eine rote Ampel überfahren und zwei Autos überholt. Dabei habe er ein anderes Auto und einen Lkw gestreift. Dann soll er im gleichen Tempo weiter gerast sein, bis er gegen das Auto von Mutter und Tochter prallte, das etwa 40 km/h fuhr.

Ist so etwas ein Unfall? Nein, sagen die Saarbrücker Staatsanwälte. Sie klagen den Todesfahrer wegen Mordes an. Es bestehe der Verdacht, dass er tödliche Verletzungen zumindest billigend in Kauf genommen habe. Der Mann sagte aus, er habe Epilepsie und hätte während der Fahrt einen Krampfanfall erlitten. Nach Zeugenaussagen, einem medizinischen Gutachten und der Auswertung Dashcam-Videos sieht die Staatsanwaltschaft diese Aussage als widerlegt an.

Mordanklage nach Todesfahrt – einfach wird das Vorhaben der Saarbrücker Staatsanwälte nicht. Das zeigt ein Fall aus Berlin, der im März Schlagzeilen machte.

Was in Berlin geschah

Im Februar 2016 liefern sich zwei Raser mitten in der Innenstadt ein illegales Rennen – mit bis zu 170 km/h. Einer der Raser prallt in den Geländewagen eines Unbeteiligten. Der Rentner Michael W. hat keine Chance.

Die beiden Raser hatten ihn ermordet, urteilte später das Berliner Landgericht. Beide bekamen Lebenslänglich, beide gingen in Revision. Im März 2018 kassierte der Bundesgerichtshof das Berliner Urteil. Er sah nicht alle Merkmale eines Mordes als gegeben an. Eines dieser Merkmale ist Vorsatz. Das bedeutet: Der Täter muss sich im Klaren darüber sein, was er da tut. Und er muss es auch wollen.

Die Merkmale eines Mordes
Ein Mord wird mit Vorsatz und nicht fahrlässig begangen. Außerdem zeigt er Merkmale, die die Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit sowie das Missverhältnis von Mittel und Zweck ausdrücken.

Konkret sagten die Bundesrichter: Das Berliner Landgericht konnte einen Vorsatz nicht belegen. Zwar war das Rennen natürlich auch für die beiden Raser lebensgefährlich. Trotzdem mögen sie auf ein gutes Ende gehofft haben. Außerdem: Sie hätten in den Sekunden vor dem Crash gar nicht mehr handeln können – der tödliche Unfall war “unumkehrbar in Gang gesetzt“. Darum entschied damals der Bundesgerichtshof: Es war kein Vorsatz. Und damit auch kein Mord. Deshalb geht der Fall erneut vors Berliner Landgericht. Eine lebenslängliche Haftstrafe müssen beide Raser nun schon einmal nicht mehr befürchten.

Das Problem der Saarbrücker Staatsanwälte

Diese Hürde müssen nun auch die Saarbrücker Staatsanwälte überwinden: Hätte der Raser von Saarwellingen den Crash verhindern können? Hat er auf einen glimpflichen Ausgang seiner Fahrt gehofft?

Nur wenn ihnen der Beweis aller Merkmale wie eben des Vorsatzes gelingt, kann ein Richter entscheiden, was wohl beinahe jeder denkt: Wer mit Tempo 130 in der Innenstadt andere tötet, ist ein Mörder. Es wäre ein Urteil mit Signalwirkung, das unsere Straßen künftig zumindest etwas sicherer machen könnte.

Verwendete Quellen
  • dpa
  • AFP
  • Eigene Recherche
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