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CO2-Kompensation nach Flügen und Busfahrten bezahlen – bringt das was?


Bei Flug und Fernbus
CO2-Kompensation bezahlen – bringt das was?

InterviewVon Markus Abrahamczyk

Aktualisiert am 07.02.2020Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Auf dem Weg zum Flieger: Verschiedene Unternehmen versprechen, durch eine Zahlung die Flugreise klimaneutral zu machen. Aber erfüllen sie dieses Versprechen?Vergrößern des Bildes
Auf dem Weg zum Flieger: Verschiedene Unternehmen versprechen, durch eine Zahlung die Flugreise klimaneutral zu machen. Aber erfüllen sie dieses Versprechen? (Quelle: Ralph Peters/imago-images-bilder)

Mit einem Klick ist alles gut: Wer eine Reise bucht, kann ganz einfach sein CO2 mit ein paar Euro kompensieren. Aber wohin fließt das Geld überhaupt? Wie seriös sind die Anbieter? Und stimmt ihr Versprechen? Das fragte t-online.de einen Greenpeace-Experten.

Das hat sich Shell sicher anders vorgestellt: Der Sprit-Riese plant einen Öko-Cent, mit dem Autofahrer ihren CO2-Ausstoß ausgleichen können. Mit dem Geld sollen ausgewählte Umweltprojekte unterstützt werden.

Aber statt Applaus gibt es Schelte.

Scheinlösung, Täuschung, ein leeres Versprechen – so lauten die Vorwürfe an den Ölkonzern. Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) etwa stellt auf Anfrage von t-online.de klar: Die Klimakrise lasse sich nicht allein durch das Versprechen lösen, irgendwo auf der Welt Bäume zu pflanzen. Sie warnt umweltbewusste Autofahrer vor einem Trugschluss: "Glauben Sie nicht, deshalb klimaneutral zu fahren oder zu reisen."

Der Klima-Cent mag neu sein – die Idee dahinter ist es aber nicht. Vom Fernbus bis zum Urlaubsflieger bieten etliche Unternehmen die sogenannte CO2-Kompensation an.

Schafft sie wirklich reine Luft – oder nur ein reines Gewissen? Und wie seriös sind die Anbieter? Warum die CO2-Kompensation keine ganz so saubere Sache ist, wie viele Urlauber sich erhoffen, erklärt Greenpeace-Experte Benjamin Stephan im Gespräch mit t-online.de.

t-online.de: Wer einen Flug oder eine Busfahrt bucht, fragt sich vielleicht: CO2-Kompensation bezahlen – ja oder nein? Was sagt der Experte?

Benjamin Stephan: Zunächst sollte man überlegen: Ist diese Reise überhaupt nötig? Viele Dienstreisen etwa lassen sich durch Videokonferenzen ersetzen. Wer dennoch reisen muss, kann seine CO2-Emissionen möglichst gering halten. In Europa ist der Nachtzug häufig eine gute Alternative zum Flug. Erst, wenn es keine Alternativen gibt und ein Flug unumgänglich ist, kann eine CO2-Kompensation eine sinnvolle Rolle spielen. Ansonsten ist die Zahlung nichts anderes als ein moderner Ablasshandel.

Man kauft sich frei von seinen Sünden.

Genau. Man macht alles wie bisher, will sich mit der eigenen Verantwortung nicht auseinandersetzen und gibt lieber ein bisschen Geld für Klimaprojekte. Ein grünes Feigenblatt, hinter dem sich aber auch Unternehmen gerne verstecken – zum Beispiel, wenn eine Airline verspricht, alle Flüge zu kompensieren.

Klingt aber erst mal gut. Was ist denn das Problem daran?

Das Problem ist: Durch den CO2-Handel gerät die eigentliche Herausforderung aus dem Blickfeld. Wir müssen weg von fossilen Brennstoffen. Wir brauchen eine Energieversorgung, die vollständig auf erneuerbaren Energien basiert. Kompensationsmodelle bremsen diesen Umstieg. Sie suggerieren den Kunden, dass alles so bleiben kann. Und sie nehmen den Druck von den Unternehmen. Beispiel Luftfahrt: Statt auf klimaneutrale E-Fuels (synthetische Kraftstoffe) umzustellen, setzen Airlines auf Kompensationshandel. Die Politik könnte sie aber zu saubereren Kraftstoffen verpflichten. In kürzester Zeit würde so ein Markt entstehen, die Preise für bislang teure E-Fuels würden sinken und man würde wirklich Emissionen einsparen. Kompensationsmodelle sind ein Grund dafür, dass das nicht passiert. Sie erwecken den Eindruck, Fliegen wäre unproblematisch. Das aber ist falsch.

Wie seriös sind aktuelle Anbieter?
Das hat die Zeitschrift "Finanztest" bereits im Jahr 2018 überprüft. Deren Experten testeten sechs der größten Anbieter auf dem deutschen Markt unter anderem darauf, wie gut sie das CO2 tatsächlich kompensieren. Geprüft wurde auch, wie transparent sie beispielsweise darüber informieren, wohin das Geld fließt.
Vier der sechs Anbieter im Test konnten beinahe rundum überzeugen. Diese Anbieter sind Atmosfair, Klima-Kollekte, Primaklima und Myclimate Deutschland. Dort ist Ihr Geld demnach in guten Händen. Hier finden Sie den kompletten Beitrag.

Weil die Zertifikate das CO2 nicht kompensieren, obwohl ihre Anbieter genau das versprechen?

Zumindest kann man sich da nicht immer sicher sein. Frühere Prüfungen im Auftrag der EU zeigten beispielsweise, dass viele Projekte einige der nötigen Kriterien verfehlen – ihre Wirkung auf den Klimaschutz wurde zu positiv bewertet. Und der Verbraucher selbst kann kaum einschätzen, ob die Klimaschutz-Projekte der Anbieter wirklich die versprochenen Effekte haben. Deshalb fanden sich in diesem Bereich in den vergangenen zwei Jahrzehnten, seit CO2-Kompensation aufgekommen ist, viele schwarze Schafe. Sie verschwinden aber meist relativ schnell vom Markt. Dafür sorgt das Strafrecht.

Man weiß ja noch nicht einmal, ob beispielsweise die versprochenen Bäume wirklich gepflanzt werden – und wie lange sie dann stehen bleiben.

Richtig. Ein weiteres Problem: Bei Aufforstungsprojekten kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten mit den Menschen vor Ort. Außerdem wurde nicht immer darauf geachtet, einen Wald mit sinnvollen Baumarten zu pflanzen. Oft wählte man Arten, die möglichst schnell viel CO2 binden. So entstehen aber Monokulturen, was wiederum zu weiteren Problemen führt. Wenn wir an die Waldbrände im Amazonas und Australien denken, wird auch klar, dass es nicht gesichert ist, dass ein Wald auch dauerhaft die Emissionen bindet. Mit sinnvollen Projekten, die zum Beispiel den Ausbau erneuerbarer Energien fördern, kann eine – ergänzende – CO2-Kompensation dennoch eine gute Sache sein. Es darf nur nicht die einzige gute Sache bleiben.

Herr Stephan, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Greenpeace
  • Deutsche Umwelthilfe
  • Finanztest
  • Eigene Recherche
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