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Kommentar: Facebook zähmt man nicht mit Datenschutz


Missbrauch und Manipulation
Facebook zähmt man nicht mit Datenschutz

Meinungt-online, Michael Seemann

24.04.2018Lesedauer: 4 Min.
Ein Logo des Sozialen Netzwerks FacebookVergrößern des BildesEin Logo des Sozialen Netzwerks Facebook: Das soziale Netzwerk kämpft mit vielen Problemen. Datenschutz ist aber nicht die richtige Antwort, meint der Autor Michael Seemann. (Quelle: Ole Spata/dpa-bilder)
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Seit den Facebook-Enthüllungen scheint es in Mode zu sein, jede Art von Datenweitergabe zum Skandal zu erklären. Die Folge: Die Menschen klammern sich an Scheinlösungen, statt wichtige Debatten zu führen. Ein Gastbeitrag des Netz-Experten Michael Seemann.

Anfang des Monats schockierte Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds die Öffentlichkeit mit der Forderung, Städte und Kommunen sollten Bürgerdaten verkaufen dürfen. Viele Kommunen könnten das Geld gut gebrauchen. Doch der Vorschlag kam zur falschen Zeit. Schließlich war der Skandal um Cambridge Analytica und Facebook noch nicht ausgestanden. Selbst die Beschwichtigungen, dass keine personenbezogenen Daten zum Verkauf freigegeben werden sollen, scheint die Datenschützer nicht zu überzeugen. Jede Art von Datenweitergabe wirkt derzeit skandalös.

Zwar stimmt es, dass auch anonymisierte Daten missbraucht werden können, um Menschen Schaden zuzufügen oder zu benachteiligen. Doch ein Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen sind solche Datensammlungen nicht.

Worum ging es in dem Facebook-Skandal noch mal?

Nehmen wir zum Beispiel den Fall Cambridge Analytica – worum ging es da nochmal? Die Kurzfassung geht so: Die Firma Cambridge Analytica ist an die Profilinformationen von schätzungsweise 87 Millionen Facebook-Mitgliedern gelangt. Ein Wissenschaftler hatte die Daten auf unlautere Art und Weise gesammelt und widerrechtlich an die Firma verkauft. Ein klarer Fall für den Datenschutz.

Zum Skandal wird die Geschichte aber nicht etwa dadurch, dass die Privatsphäre von Millionen Menschen verletzt wurde. Schließlich ist es allgemein bekannt und üblich, dass nicht nur Facebook, sondern nahezu alle populären Dienste im Netz Nutzerdaten erheben, auswerten und Dritte von ihrem Wissen profitieren lassen.

Nein, der eigentliche Grund für die Aufregung ist die Geschichte, die der Whistleblower Christopher Wylie zu den Daten erzählt. Und die geht so: Sein früherer Arbeitgeber habe die Daten für gezieltes Psychomarketing genutzt und so die US-Präsidentschaftswahl entscheidend beeinflusst. Das ist der wahre Stein des Anstoßes: Nicht das Abhandenkommen der Daten empört die Menschen und die Politik, sondern was damit gemacht wurde. Dabei ist auch das nicht neu.

Kann Cambridge Analytica Meinungen manipulieren?

Das sogenannte „Mikrotargeting“ kennt man aus der Werbung. Es bedeutet, dass man Menschen mit speziell zugeschnittenen Werbebotschaften anspricht. Cambridge Analytica behauptet, dabei eine besonders effektive Methode gefunden zu haben, indem es aus Facebook-Daten psychologische Profile erstellt. Dadurch soll es möglich gewesen sein, die Menschen sogar in ihrer Wahlentscheidung zu manipulieren. Die Trump-Kampagne habe nämlich die Stärken und Schwächen, Wünsche und Hoffnungen der Menschen erkannt und gezielt ausgenutzt. So zumindest erzählt es Wylie und so stellte es auch Cambridge Analytica in seinen PR-Veranstaltungen dar.

Ob es wirklich so war, sei mal dahin gestellt (ich habe da so meine Zweifel). Doch wenn jetzt Medien und Politik aufgeregt darüber reden, der mangelhafte Datenschutz bei Facebook sei eine "Gefahr für die Demokratie", führt das in die Irre. Denn: Mit Datenschutz hat das alles nichts zu tun.

Was Cambridge Analytica gemacht hat, nennt sich klassische Profilbildung. Und dafür braucht man keine Namen und Adressen, keine Sozialversicherungsnummer oder Kreditkarteninformationen, keine Facebook-Profile und auch keine anderen Daten, die den Einzelnen identifizierbar machen. Denn Profiling funktioniert auch mit anonymisierten Daten problemlos.

Mikrotargeting steht unter Manipulationsverdacht

Man kann Mikrotargeting also für eine gefährliche Sache halten. Doch mit einem besseren Datenschutz lässt sich dieses Problem nicht lösen. Das liegt an den unterschiedlichen Zielsetzungen: Datenschutz soll das Individuum beschützen. Das Mikrotargeting interessiert sich aber gar nicht für den Einzelnen. Stattdessen dreht sich alles um Statistik und um Wahrscheinlichkeiten.

Werbung funktioniert dann am besten, wenn sie von Menschen wahrgenommen wird, die sich sowieso für das Produkt interessieren. Der ganze Trick des Mikrotargetings besteht nun darin, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass dies der Fall ist. Das ist wahrlich kein Hexenwerk und auch nicht besonders manipulativ. Wer sich für das Produkt nicht interessiert, wird sich von einer Anzeige nicht umstimmen lassen – egal, ob sie in einer Zeitung erscheint oder auf Facebook.

Für den Werbetreibenden macht es sich aber schon bezahlt, wenn nur 1,6 Prozent statt 1,4 Prozent der Leser auf sein Angebot eingehen. Bei 2,2 Milliarden Facebook-Nutzern kann schon ein Bruchteil eines Prozentpunktes eine deutliche Umsatzsteigerung bedeuten. In der Masse machen sich die Manipulationseffekte also durchaus bemerkbar. Das gilt auch in der Politik: Gerade bei unklaren Mehrheitsverhältnissen können schon kleine Veränderungen in der Wahlbeteiligung bei den Anhängern des einen oder des anderen Lagers den Ausschlag geben.

Mikrotargeting ist also tatsächlich ein mächtiges Instrument – und die Methode wird in Zukunft immer ausgefeilter. Aber weil es dabei nicht um die Rechte von Individuen geht, ist Datenschutz das falsche Werkzeug für das richtige Problem.

Wie kann eine effektive Lösung aussehen?

Wenn wir Werbung regulieren wollen – und ich finde, das sollten wir – müssen wir die Probleme direkt angehen. Wir müssen zunächst unterscheiden, welche Form von Targeting wir für problematisch halten. Neben der Manipulation von Wahlen fallen mir Beispiele ein, wo besonders verletzliche Menschen angesprochen werden sollen, um aus deren Schwächen Kapital zu schlagen.

Schnapswerbung für Alkoholiker oder Diättips für Magersüchtige zum Beispiel haben das Potenzial, den Menschen Schaden zuzufügen. Oder wenn Facebook Vermietern die Möglichkeit bietet, ihre Wohnungsanzeigen nur an Weiße auszuspielen und Latinos oder Afroamerikaner systematisch auszuschließen, dann ist das Diskriminierung und verstößt gegen das Gesetz.

Die gute Nachricht ist, dass man diese Dinge durchaus regulieren kann. Es gibt bereits hohe Auflagen an politische Werbung. Warum gelten diese Transparenzpflichten nicht auch online? Wir sollten wissen können, wer, wann, wie viel Geld ausgibt, um mit welchen Inhalten wen zu erreichen. Manche Formen des Targetings sollte man ganz verbieten, nämlich dann, wenn sie diskriminierend wirken oder Leid verursachen.

Diese und ähnliche Maßnahmen wären sehr viel zielführender, um den problematischen und manipulativen Umgang mit Daten einzugrenzen, als der klassische Datenschutz.

Über den Autor

Michael Seemann, geboren 1977, studierte Angewandte Kulturwissenschaft in Lüneburg. Seit 2005 ist er mit verschiedenen Projekten im Internet aktiv. Anfang 2010 begann er das Blog CTRL-Verlust zuerst bei der FAZ, seit September auf eigene Faust, in dem er über den Verlust der Kontrolle über die Daten im Internet schreibt. Seine Thesen hat er im Oktober 2014 auch als Buch veröffentlicht: Das Neue Spiel, Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust. Normalerweise bloggt er auf mspr0.de, betreibt den Podcast wir.muessenreden.de und schreibt unregelmäßig für verschiedene Medien.

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