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Retro-Game: Wie zwei Entwickler die NES wiederbeleben


150.000 Euro auf Kickstarter
Wie zwei Entwickler die Uralt-Nintendo wiederbeleben

Von Ali Vahid Roodsari

10.11.2018Lesedauer: 4 Min.
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Das Spiel "Micro Mages": Zwei Entwickler haben das Game für die NES programmiert.Vergrößern des Bildes
Das Spiel "Micro Mages": Zwei Entwickler haben das Game für die NES programmiert. (Quelle: Morphcat Games/Montage watson.de)

Vor über 30 Jahren veröffentlichte Nintendo seine Hit-Konsole NES. Obwohl das Gerät nicht mehr produziert wird, entwickeln heute noch Menschen Spiele für den grauen Kasten – und das mit großem Erfolg.

Julius Riecke programmiert für eine tote Maschine: Ein Gerät so alt, dass es niemand mehr produziert. So alt, dass es viele Händler schon vor Jahrzehnten aus den Regalen nahmen. So alt, dass andere Entwickler es schon lange aufgegeben haben. Selbst der Hersteller möchte nichts mehr damit zu tun haben.

Julius Riecke entwickelt für die Nintendo-Ur-Konsole NES (Nintendo Entertainment System). Das Gerät erschien 1983 als weiß-roter Famicom in Japan, ab 1985 als grauer Kasten NES weltweit und verkaufte sich über 60 Millionen Mal. Das letzte Spiel erschien offiziell 1994. 2007 beendete Nintendo den Support für die Konsole.

Dennoch gibt es noch Menschen, die für die NES Spiele programmieren. Wie Riecke und sein Freund Nicolas Betoux. Sie sind sogenannte Homebrew-Entwickler. Übersetzt bedeutet Homebrew "selbstgebrautes Bier". In diesem Fall steht es aber für Leute, die in ihrer Freizeit Programme entwickeln – beispielsweise Games für alte Konsolen. Wie groß die Homebrew-Szene in Deutschland ist, lässt sich nicht sagen. Aber eines ist klar: Die Szene lebt – auch, weil sich viele Konsumenten noch für Retro-Games interessieren.

"Micro Mages" wird zum Kickstarter-Erfolg

Ein Beweis dafür: Rieckes und Betoux' kommerzielles Erstlingswerk "Micro Mages", ein neues Spiel für die uralte NES. Bei dem Game schlagen sich bis zu vier Spieler gleichzeitig in Form kleiner Magier durch mehrere Level und bekämpfen dabei Monster und Bosse. Knapp 150.000 Euro sammelten die Entwickler mit dem Projekt über eine Kickstarter-Kampagne. Als Ziel waren 15.000 Euro angestrebt. Über 4.000 Menschen unterstützten Riecke und Betoux. "Am ersten Tag dachten wir: Wenn es gut läuft, schaffen wir 1.000 Euro", sagt Riecke und lacht. "Nach sieben Stunden hatten wir unser Ziel erreicht. Nach 24 Stunden war es schon das Doppelte. Das war verrückt."

Woher der Erfolg kommt, dazu hat Retro-Games-Expertin Mascha Tobe eine Vermutung: "Dank des Internets kann sich die Homebrew-Szene leichter vernetzen und Spiele verkaufen", sagt Tobe. "Dabei können auch kleine Spiele, die von Einzelpersonen entwickelt wurden, vielen Spielerinnen und Spielern zugänglich gemacht werden." Tobe ist Kuratorin des Computerspielemuseums in Berlin.

Retro-Games sind im Trend

Riecke selbst denkt, dass die vielen YouTube-Videos über Retro-Games wie die der NES "das alles irgendwie im Umlauf halten". Wer auf dem Videoportal nach Stichworten wie "Homebrew Games" sucht, findet tatsächlich dutzende Videos zum Thema, viele mit hunderttausenden Views. Dazu diskutieren in verschiedenen Foren Nutzer über "selbst gebraute" Spiele oder listen in Blogs und Wikis ihre Lieblings-Titel zu allerhand Konsolen – denn Homebrew-Games sind nicht nur ein Phänomen der NES, weiß Tobe: "Ende der 1970er-Jahre war es noch üblich, dass Einzelpersonen Spiele programmieren – so etwa für Heimcomputer wie den Apple II", sagt die Kuratorin des Computerspielemuseums. "Die Homebrew-Szene ist während der Weiterentwicklung von Computertechnologien zu weiten Teilen der Retro-Hardware treu geblieben. Aber auch auf neueren Systemen wie der Sega Dreamcast von 1999 finden sich Homebrew-Titel."

Auch die großen Konsolenhersteller haben den Trend um Retro-Gaming erkannt. So veröffentlichte beispielsweise Nintendo 2015 die NES Classic Mini. Eine neue, handflächengroße Version der NES mit vorinstallierten Spielen. Das Gerät verkaufte sich bisher über 3,5 Millionen Mal. Beflügelt vom Erfolg, legte Nintendo 2017 mit der Super Nintendo Classic Mini nach. Die Konkurrenz antwortete mit ihren eigenen Konsolen: Anfang 2018 erschien der Heimcomputer Commodore 64 in einer Mini-Version. Sony plant zum Weihnachtsgeschäft seine eigene Retrokonsole: die PlayStation Classic. Auch Sega will seine Mega Drive von 1988 als Mini-Version wiederbeleben.

Ein Game auf 40 Kilobyte

Das besondere an Homebrew-Games wie "Micro Mages" ist, dass sie vor allem auf der Original-Hardware noch funktionieren wollen. Dabei müssen Entwickler die Limitierungen der alten Geräte beachten. "Micro Mages" beispielsweise ist nur 40 Kilobyte groß – die Standardgröße für die ersten NES-Spiele. Zum Vergleich: Ein reines Textdokument fasst heutzutage etwa 15 bis 20 Kilobyte. "Wir haben uns dabei an 'Super Mario Bros.' orientiert", sagt Riecke. "Als Kind hatte ich keine NES und habe das Game immer bei einem Nachbarn gezockt. Das hatte auf mich einen Rieseneindruck hinterlassen." In einem YouTube-Video erklärt Riecke ausführlich die Programmier-Tricks, die die Entwickler genutzt haben, um das Limit einzuhalten.

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Den Titel für "Micro Mages" fanden Riecke und Betoux mithilfe eines Preisausschreibens im Computerspielemuseum. Der Gewinner soll eine Kopie des Spiels erhalten. Doch es gibt ein Problem: "Die Mail-Adresse war nicht lesbar", sagt Riecke. "Da müssen wir nachforschen. Aber gemeldet hat sich niemand bisher."


Das Game liefern die Entwickler unter anderem als ROM – die Software – aber auch als Modul mit Handbuch und Verpackung – alles im NES-Stil von anno 1985. An dem Projekt arbeiteten Riecke und Betoux knapp zwei Jahre. Für den Websiteentwickler Riecke hat sich damit ein Kindheitstraum erfüllt, wie er sagt. Zusammen mit Betoux will er am liebsten mehr Spiele für die NES entwickeln. "Wir haben den Vorteil, dass wir auf 40 Jahre Spieleentwicklung zurückschauen können", sagt Riecke. "Wir können heute auf die Erfahrung zurückgreifen und wirklich neue Dinge auf die NES bringen, die noch nie dagewesen sind. Einfach mal schauen."

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