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"Google-Killer": Was wurde eigentlich aus der Antwortmaschine Wolfram Alpha?


Intelligente Antwortmaschine
Was wurde eigentlich aus Wolfram Alpha?

Jann-Luca Künßberg

Aktualisiert am 01.06.2020Lesedauer: 4 Min.
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Faktenbasierte Berechnungen und deren Darstellung: Was wurde eigentlich aus aus der Antwortmaschine Wolfram Alpha?Vergrößern des Bildes
Faktenbasierte Berechnungen und deren Darstellung: Was wurde eigentlich aus aus der Antwortmaschine Wolfram Alpha? (Quelle: Screenshot)

Das menschliche Wissen als Datenbasis, Fakten als Antworten auf Fragen im Internet. Was heute noch utopisch klingt, ist seit 2009 mit Wolfram Alpha in vielen Bereichen möglich. Warum hat sich die Antwortmaschine nie durchgesetzt?

2009 stellte der britische Informatiker Stephen Wolfram eine neuartige Internetanwendung vor: Wolfram Alpha. Manche können sich vielleicht erinnern – anders als das damals schon lange erfolgreiche Google sollte Wolfram Alpha weniger eine Suchmaschine, sondern vielmehr eine Antwortmaschine sein.

Während Google in seinen Ergebnissen einfach Listen davon erstellt, auf welchen Webseiten das eingegebene Suchwort zu finden ist, erhob Wolfram den Anspruch, die gesuchten Begriffe in ihrem Kontext zu erkennen und dann faktenbasiert Ergebnisse zu kuratieren.

Wolfram Alpha versteht die Bedeutung von Sprache

Einfach gesagt: Erstens kann Wolfram Alpha anhand der weiteren Suchbegriffe erkennen, ob mit der Eingabe „50 Cent“ der US-amerikanischen Rapper oder ein Geldstück gemeint ist. Zweitens erstellt es maschinell eine Ergebnisseite mit allen verfügbaren Informationen. Um bei dem Beispiel zu bleiben: Die Suchanfrage „50 Cent“ bittet darum, präzisiert zu werden und sagt dem Nutzer, dass die Eingabe als Frage nach Geld verstanden wird, bietet aber auch den Musiker an.

Wählt der Nutzer nun den Rapper, erscheint eine tabellarische Auflistung seiner Alben mit dem genauen Erscheinungstag und ein Graph, der darstellt, wie oft er seit 2008 bei Wikipedia gesucht wurde.

Ein kurzer Hype zum Start

Im Jahr 2009 sorgte das für eine riesige mediale Resonanz. Der Spiegel titelte: „Software-Genie verspricht den Google-Killer“ und „Hype um den Wissens-Zwerg“. Im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit stellte Stephen Wolfram aber sogleich klar:

„Es ist keine Suchmaschine. Wir nennen Alpha eine Maschine zur Berechnung menschlichen Wissens. Alpha berechnet neue Daten und Fakten, um Fragen zu beantworten, die Nutzer stellen. Wir benutzen als Ausgangsmaterial das gesamte Wissen der menschlichen Zivilisation, mit dem sich Berechnungen anstellen lassen.“

Nach dem großen Anfangsinteresse wurde es, wie die Online-Recherche ergibt, schnell ruhig um Wolfram Alpha. Das bestätigt auch der Eintrag der Seite zu sich selbst: Das Diagramm der Wikipedia-Hitlist zeigt für 2009 eine kurze Spitze von etwa 6.000 Suchanfragen täglich, danach wurde bis auf wenige Ausnahmen kaum mehr die 1.000er-Marke geknackt.

Die Zahlen werden von der englischsprachigen Wikipedia-Ausgabe erhoben. Und das ist vielleicht ein erster Grund, warum Wolfram Alpha nie den Massenmarkt erobert hat: Der Dienst ist auch elf Jahre nach dem Start nur in englischer Sprache verfügbar.

Warum ist Wolfram Alpha kein kommerzieller Erfolg?

Aber kann das als Argument zählen? In Deutschland wird Englisch schließlich in der Schule gelehrt, die internetaffine Gesellschaft schaut Netflix-Serien in englischem Originalton. Bei dieser Beweisführung kann Wolfram Alpha allerdings nicht helfen.

Mit der Frage nach englischsprachigen Deutschen kann die Maschine nichts anfangen, aber Statista hilft. 63% der Deutschen geben an, zumindest einigermaßen gut Englisch sprechen und verstehen zu können.

Warum also blieb der kommerzielle Erfolg aus? Als Stephen Wolfram den Dienst 2009 vorstellte, klang das durchaus selbstbewusst. In einem Blogeintrag schrieb er: „Das bringt uns fast dahin, was Menschen vor 50 Jahren dachten, das Computer in der Zukunft können!“

Das Internet ist ein bequemer Ort geworden

Damit bezieht er sich auf ein Science-Fiction-Vorstellung der 1960er-Jahre, nach der Menschen einem Computer irgendwann einfach eine mündliche Frage stellen und dann eine gesprochene Antwort bekommen. Echte menschliche Kommunikation mit einem Computer.

Vielleicht hatte da aber schon der Siegeszug des bequemen Internets begonnen. Denn das kann Google: Leicht zu bedienende Oberfläche und schnell Antworten auf quasi alles finden. Ob die Antworten richtig sind, bleibt allerdings der Bewertung des Suchenden überlassen. Google-Suchen übernehmen keine Verantwortung für Fakten.

Außerdem bequem: Dienste mit persönlichen Daten statt mit echtem Geld bezahlen. Wolfram Alpha kann zwar kosten- und werbefrei genutzt werden, um alle Funktionen freizuschalten, brauchen Nutzer allerdings einen Pro-Zugang. Der kostet aktuell 7,49 Euro im Monat, für ein ganzes Jahr 59,90 Euro.

Wolfram Alpha erfordert Arbeit

Wolfram Alpha zu benutzen erfordert außerdem Arbeit von den Nutzerinnen und Nutzern. Ein kurzer Selbsttest zeigt, wie ungewohnt das ist: Bevor eine Frage gestellt wird, muss der Fragesteller sich gut überlegen, was für eine Art von Antwort er eigentlich erwartet. Dazu kann die Frage zwar in natürlicher – also gesprochener Sprache – gestellt werden, muss aber präzise sein.

Auch wenn die Software dabei hilft, verlangt das Procedere wesentlich mehr vom Nutzer als Google. Dort kommt eine Reaktion auf quasi alles. Dazu in Sekundenbruchteilen, wie die Suchmaschine bei jeder Anfrage verrät.

Nach Jahren der Google-Gewöhnung fehlt den meisten wohl auch die Geduld für Wolfram Alpha: Nach der Anfrage erscheint ein Ladebalken und das Wort „Computing“ – die Maschine rechnet, der Inhalt muss schließlich erst erstellt werden.

Eine professionelle Anwendung – und mehr

Die aktuelle Version des Dienstes richtet sich vor allem an Studentinnen und Studenten sowie andere Professionelle in naturwissenschaftlichen und informationstechnischen Bereichen. Wolfram Alpha hilft komplexe Gleichungen auszurechnen, Plots und mathematische Funktionen grafisch darzustellen. Dabei kann es eigentlich so viel mehr.

Nutzer können zum Beispiel ihr Alter, aktuelles Gewicht, Geschlecht und Grad ihrer sportlichen Aktivität in die Suchmaske schreiben, dazu noch, wie viel sie in welchem Zeitraum abnehmen möchten – und kurz darauf sagt Wolfram Alpha, wie viele Kalorien dann täglich eingenommen werden können. Ebenso kann man sich in einem Graphen darstellen lassen, wie sich die Bratzeit eines Truthahns im Verhältnis zu seinem Gewicht verändert.

Viele benutzen Wolfram Alpha, ohne es zu wissen

Ist Wolfram Alpha somit gescheitert? Nicht wirklich. Viele Menschen benutzen es in ihrem Alltag, ohne es zu bemerken. Das Programm steckt etwa hinter vielen Antworten von Apples Sprachassistenz Siri – allerdings auch hier nur im englischen Sprachraum.

Wolfram Alpha wollte nie ein „Google-Killer“ sein, es wäre ohnehin mehr als das. Ein Jahrzehnt früher hätte es vielleicht unsere Art, das Internet zu benutzen, ganz anders geprägt. So wirkt es für die meisten unsichtbar im Hintergrund, als Werkzeug dient es hauptsächlich Experten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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