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Corona in Deutschland: Weshalb die Corona-Zahlen oft nicht stimmen


Teils erstaunlich niedrige Werte
Weshalb die Corona-Zahlen oft nicht stimmen

Von Laura Stresing

Aktualisiert am 23.12.2020Lesedauer: 5 Min.
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Schlange vor einem Testzentrum in Leipzig: Die Tageswerte des RKI bei der 7-Tage-Inzidenz haben manchmal wenig mit der Wirklichkeit zu tun.Vergrößern des Bildes
Schlange vor einem Testzentrum in Leipzig: Die Tageswerte des RKI bei der 7-Tage-Inzidenz haben manchmal wenig mit der Wirklichkeit zu tun. (Quelle: Christian Grube/imago-images-bilder)

Die Corona-Zahlen des Robert Koch-Instituts sind für viele Menschen eine wichtige Informationsquelle in der Pandemie. Doch die Statistik ist oft unvollständig. Und zu Weihnachten und Neujahr verschärft sich das Problem vermutlich noch.

Kurz vor Weihnachten sieht es fast so aus, als hätte sich in Teilen Deutschlands ein Corona-Wunder ereignet: Laut den Mittwochs-Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) weist ein Dutzend Landkreise Inzidenzwerte von unter 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen auf.

Am besten steht der Landkreis Spree-Neiße in Brandenburg da mit einer 7-Tage-Inzidenz von 11,4. Die Landeshauptstadt Potsdam könnte mit 40 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen wohl auch schon über Lockerungen nachdenken.

Doch diese Zahlen stimmen nicht – bei weitem nicht. Die Behörden in Potsdam haben am 23. Dezember nach eigenen Angaben eine 7-Tage-Inzidenz von 296,7 ermittelt. Der Landkreis Spree-Neiße an der Grenze zu Polen meldet auf seiner Homepage sogar 424,7.

Veraltete Technik sorgt für Meldeverzug

Das Problem ist beim RKI bekannt und hat einen bürokratischen Namen: Meldeverzug. Die Gesundheitsämter der Landkreise melden ihre aktuellen Zahlen an das jeweilige Bundesland, von dort aus geht es weiter ans RKI. An jeder Stelle in der Meldekette kann es zu Verzögerungen kommen. Die Gründe sind vielfältig. Zum Teil können die Meldedaten etwa auch aufgrund veralteter Technik nicht weitergeleitet werden, wie t-online recherchiert hat.

Das RKI verweist an die einzelnen Landkreise, nimmt sie zugleich aber auch in Schutz. "Grundsätzlich sollte die Übermittlung neuer Fälle spätestens am nächsten Arbeitstag erfolgen. In der aktuellen Lage übermitteln jedoch die meisten Gesundheitsämter früher und häufiger als gesetzlich vorgesehen, meist täglich, auch am Wochenende", sagte eine Pressesprecherin auf t-online-Anfrage.

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Knick in der Kurve

Wenn die aktuellen Zahlen mal nicht pünktlich beim RKI ankommen, wird am nächsten Tag nachgemeldet. Das führt regelmäßig zu überraschenden Sprüngen in der Statistik – zuletzt fehlten mal die aktuellen Infektionszahlen aus ganz Sachsen, kurz darauf jene aus Baden-Württemberg.

Was für die Betrachtung des Gesamtverlaufs der Pandemie nicht weiter dramatisch ist, hat für die Berechnung der 7-Tage-Inzidenz schwerwiegende Folgen: Denn selbst die Tage, an denen für einen Landkreis keine Fallzahlen übermittelt wurden, fließen in die Berechnung ein. Nicht selten setzt sich der vom RKI ermittelte Wochenwert dadurch aus den Meldungen aus sechs oder noch weniger Tagen zusammen, statt aus sieben, wie man vermuten würde.

Das Ergebnis ist ein oft viel zu niedriger, trügerischer Tageswert für die 7-Tage-Inzidenz, was auch schon mehrfach von Medien thematisiert wurde. Nachmeldungen fließen zum Teil zwar in spätere Tages-Inzidenzwerte ein, nicht jedoch in den aktuellen. Was fehlt, ist eine einheitliche Lösung.

Nur ein Wert in sieben Tagen übermittelt

Anschaulich wird das Problem, wenn man sich zum Beispiel die RKI-Meldezahlen aus den beiden oben genannten brandenburgischen Landkreisen genauer anschaut. Aus Potsdam etwa wurden an drei von sieben zurückliegenden Tagen keine neuen Fälle an das RKI übermittelt. Die Stadt räumte auf Nachfrage ein, dass es seit einigen Tagen ein technisches Problem gebe. Die Ursache? Unklar. Auf der Webseite des Landesministeriums sind die Zahlen aus der Hauptstadt deshalb nun mit einem Sternchen markiert.

Anders sieht es im Fall des Spree-Neiße-Kreises aus: Hier erreichte das RKI zum bislang letzten Mal am 16. Dezember die Meldung über 13 Neuinfektionen – seitdem herrscht augenscheinlich Funkstille. Dem Landesministerium hingegen wurden laut den Pressemitteilungen bis auf Montag täglich zwischen 34 und 142 Fälle aus dem Landkreis Spree-Neiße übermittelt – ohne Sternchen. Insgesamt sind es mehr als 500 Neuinfektionen, die in der Statistik des RKI aktuell noch fehlen und wohl in die Berechnung zukünftiger Inzidenzwerte einfließen werden.

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Bei Entscheidungen verlässt man sich nicht aufs RKI

Wie der Meldeverzug des Spree-Neiße-Kreises zustande kommt, ist unklar. "Auf die Zahlen des RKI haben wir keinen Einfluss", teilte eine Sprecherin des Landkreises t-online mit. "Sie stehen immer wieder in der Kritik, weil sie tageweise nachlaufen."

Auf politische Entscheidungen im Umgang mit der Pandemie haben die Inzidenzwerte des RKI in Brandenburg aber ohnehin keine Auswirkungen, heißt es aus Potsdam. Für lokale Maßnahmen seien laut der Eindämmungsverordnung die tagesaktuellen Zahlen vor Ort ausschlaggebend, nicht das RKI-Dashboard. Andere Bundesländer könnten das jedoch anders handhaben.

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Bundesweit gilt: Wo der Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen überschritten wird, sind härtere Maßnahmen notwendig. Bleibt ein Landkreis darunter, geht man davon aus, dass Kontaktketten wieder nachverfolgt werden können und das Infektionsgeschehen kontrollierbarer wird. Aktuell sind die allermeisten Landkreise weit davon entfernt – selbst nach den eher optimistischen Angaben des RKI.

Von den 12 Landkreisen, die laut RKI derzeit eine 7-Tage-Inzidenz von unter 50 aufweisen, kann diese nur in 6 Fällen von den Lokal- und Landesbehörden bestätigt werden. Die Unterschiede sind jedoch in den meisten Fällen nicht gewaltig. Im Zweifel sollten Nutzer dennoch die im RKI-Dashboard angegebenen Inzidenzwerte aus ihrer Region immer mit den Informationen ihrer Lokalverwaltung abgleichen. Auch die Daten der Firma Risklayer sind etwas näher dran am Infektionsgeschehen, da sie im Crowdsourcing-Verfahren abgefragt werden.

Noch mehr Meldeverzug an Weihnachten?

Eine einfache Lösung für das Problem des Meldeverzugs in den Corona-Daten gibt es nicht. Wer den tatsächlichen Inzidenzwert möglichst genau wissen möchte, muss zurückblicken: Nach gut einer Woche sind die meisten Nachmeldungen beim RKI eingegangen. Doch wer interessiert sich schon für die 7-Tage-Inzidenz von vor ein bis zwei Wochen?

Für einen schnellen Überblick über die Lage in Deutschland halten wir die RKI-Daten trotz allem für geeignet. Man muss bedenken: Nicht alle Landkreise sind gleichermaßen und zu jeder Zeit von statistischen Verzerrungen bei der Inzidenzberechnung betroffen. Unwahrscheinliche Tagesausreißer werden mit den später einlaufenden Daten korrigiert.

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Allerdings könnte sich nun im Zuge der anstehenden Feiertage über einen längeren Zeitraum ein falsches Bild ergeben. Auch das RKI rechnet mit Verzerrungen in der Statistik. Schwankungen nach Wochenenden und Feiertagen seien normal, heißt es von Seiten der Behörde. Es fange schon damit an, dass weniger Menschen zum Arzt gehen und weniger Proben entnommen werden.

Wie stark sich das auf die offiziellen Meldedaten auswirkt, muss sich erst noch zeigen. "Das RKI kann die Zahl der Meldungen von Corona-Neuinfektionen über die Feiertage oder die Entwicklung danach nicht prognostizieren", so die RKI-Sprecherin. Jedoch ist es sehr wahrscheinlich, dass die offiziellen RKI-Zahlen in den kommenden Tagen nicht die Realität abbilden.

Es bleibt deshalb nur eins: Abwarten und die gemeldeten Fallzahlen mit Vorsicht betrachten. Der Lagebericht des RKI könnte dabei mit seinen weiteren Hintergründen und Einschätzungen hilfreich sein – und der erscheint auch zu Weihnachten und dem Jahreswechsel täglich. Nur am 25. Dezember und 1. Januar 2021 ist kurz Pause.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • RKI-Meldedaten (CSV)
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