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Ex-Trump-Beraterin Kellyanne Conway: Warum wir übers Schweigen sprechen müssen


Privatsphäre und Social-Media
Der Fall Conway: Warum wir übers Schweigen sprechen müssen

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 27.08.2020Lesedauer: 4 Min.
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Ex-Trump-Beraterin Kellyanne Conway: Sie stolperte über fehlende Social Media Absprachen in der Familie, schreibt Nicole Diekmann.Vergrößern des Bildes
Ex-Trump-Beraterin Kellyanne Conway: Sie stolperte über fehlende Social Media Absprachen in der Familie, schreibt Nicole Diekmann. (Quelle: Rene Traut / ZUMA Press/imago-images-bilder)

Trump-Beraterin Kellyanne Conway ist ihren Job los – weil ihre Teenie-Tochter den schwelenden Familienstreit auf Twitter öffentlich machte. Nur ein Beispiel dafür, dass wir über Privatsphäre und Social Media sprechen müssen, findet Kolumnistin Nicole Diekmann.

Kellyanne Conway hat schier Übermenschliches geschafft: Jahrelang diente sie treu ergeben Donald Trump. Selbstlos warf sie jegliche Würde über Bord und sich schützend vor ihr Dienstherrchen, als der sehr plump und denkbar unaufwändig widerlegbar verkünden ließ, bei seiner Amtseinführung seien mehr Menschen zugegen gewesen als auf der seines Vorgängers Barack Obama. Beim Blick auf die Fotos beider Veranstaltungen registrierte das menschliche Auge binnen Zeptosekunden: Völliger Stuss, was das Weiße Haus da behauptet.

Das sei keine Lüge, widersprach jedoch Conway 2017 in einer Fernsehsendung, nein, das seien “alternative Fakten”. Seitdem ist Conways Name untrennbar mit dieser bizarren Wortkreation verknüpft. Sie galt fortan als lebender Beweis für die Dummdreistigkeit, die unverzichtbar zum Instrumentarium der Trump-Administration gehört.

Fall Conway zeigt: Wir müssen über Privatsphäre reden

Seit dieser Woche ist Conway außerdem der prominenteste Beleg dafür, dass eine Frage dringend neu verhandelt werden muss: Was geht "die Leute" im Zeitalter von Social Media etwas an, was nicht? Und: Wie vermitteln wir Kindern UND Erwachsenen (und solchen dazwischen) einen rücksichts- und verantwortungsvollen Umgang mit einer theoretisch unendlichen Öffentlichkeit in einer Welt, die weiß Gott nicht ausschließlich von wohlmeinenden Menschen bevölkert ist?

Was war passiert? "Der Job meiner Mutter hat mein Leben ruiniert", schrieb Kellyanne Conways Tochter Claudia Samstagabend auf Twitter.

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Es breche ihr das Herz, dass ihre Mutter auf ihrem Weg bleibe, "nachdem sie über Jahre gesehen hat, wie ihre Kinder leiden". Das sei "egoistisch", es gehe nur um "Geld und Ruhm, meine Damen und Herren". Die sechs Tweets, mit denen die 15-Jährige Fakten schuf, leitete der Teenie ein mit der Bemerkung, sie sei am Boden zerstört, dass ihre Mutter diese Woche beim Parteitag der Republikaner sprechen werde.

Familie Conway im selbstgeschaffenen Big-Brother-Haus

Zwei Tage später zog Kellyanne Conway die Reißleine und kündigte – auf Twitter – ihren Rücktritt an. Ebenso ihr Ehemann, der auch mit Politik sein Geld verdient, jedoch im Anti-Trump-Lager. Er hatte versucht, dessen Wiederwahl zu verhindern und Trump erbittert bekämpft wo er konnte – unter anderem ebenfalls auf Twitter. Die Liebe zum Medium liegt wohl in der Familie. Kinder erben nichts von fremden Eltern. (Sagte meine Mutter immer. Mehr verrate ich hier aber nicht über sie. Nichts für ungut, aber: Das geht Sie nichts an.)

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politik-Berichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie bereits Zehntausende Fans hat. In ihrer Kolumne auf t-online.de filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet.

Womöglich nutzen die Conways die Zeit in den eigenen vier Wänden nun erstmal, um kurzfristig diverse Passwörter für Twitter, Tiktok und andere moderne Massenmedien herauszufinden und so ihre Tochter von weiteren privaten Enthüllungen abzuhalten, – oder aber, falls das nicht klappt, erstmal Endgeräte zu konfiszieren und sich so aus dem selbstgeschaffenen Promi-Big-Brother-Haus zu befreien. Langfristig kann man Mama, Papa und Kindern Conway nur wünschen, dass sie sich paar oder sogar mehr Gedanken über Sinn und Unsinn von Privatheit gönnen und miteinander vereinbaren, wie weit sie an die Öffentlichkeit und in der Öffentlichkeit gehen wollen.

Auch wir müssen neu denken, worüber man besser schweigt

Vielleicht – und: hoffentlich – passiert dasselbe demnächst auch mal bei einer fleißig twitternden, instagrammenden und bloggenden Frau in einer deutschen Kleinstadt. Ich kenne sie nicht persönlich. Aber ich kenne ihren Namen, ihr Gesicht. Soweit kein Problem, könnte man sagen. Stimmt. Nur ist das Dilemma in diesem Falle umgekehrt gelagert: Diese Frau ist auch Mutter – und zerrt das Innerste nach außen – nämlich das ihres halbwüchsigen Sohns.

Auch sein Gesicht kenne ich, und damit nicht genug: Ich kenne seine Ängste. Ich weiß, dass er wegen leichten Übergewichts in der Schule gemobbt wird. Und dass es gerade großen Krach mit seinem leiblichen, von der Familie getrenntlebenden Vater gibt, der demnächst womöglich vor Gericht ausgetragen wird, weiß ich auch. Und nicht nur ich. Jeder Mensch, der auch nur zufällig im Netz auf die Mutter dieses Jungens stößt, kann all das nachlesen.

Warum diese Frau, eine Akademikerin, die sich beruflich mit Kommunikation beschäftigt, um alles in der Welt all dies für alle Welt sichtbar ins Internet stellen muss – keine Ahnung. Warum sie ihren Sohn nicht schützt, sondern im Gegenteil seine wunden Punkte noch offen markiert. Ich kenne sie wie gesagt nicht und fände es übergriffig, sie zu fragen.

Claudia Conway könnte bald ebenfalls Twitter-Opfer werden

Es wird Zeit für ein neues, ungeschriebenes Gesetz: Wie definieren wir den Schutzraum namens "Privatsphäre", den wir so dringend brauchen, um einen Platz zu haben, in dem wir schutzlos wir selbst sein können mit all unseren Blößen, Ängsten und Schwächen? Wie definieren wir ihn, wenn es theoretisch möglich ist, ihn komplett aufzulösen? Wie erkennen wir unsere eigene Schmerzgrenze und die unserer Nächsten?

Und nun drücken wir der jungen Claudia Conway erst mal die Daumen: dafür, dass der bald Ex-Chef ihrer Mutter sich wenigstens zu schade dafür ist, einen Teenie öffentlich auf Twitter fertigzumachen. Nach allen Erfahrungen mit Trump: Gesichert ist das nicht.

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