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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Staat zahlt zu wenig Rentenbeitrag könnte zwei Prozentpunkte niedriger sein

Der Bund zahlt nach Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung zu wenig Steuermittel an die Rentenkasse. Mit Folgen für die Beitragshöhe.
Würde der Bund alle politisch gewollten Rentenleistungen aus Steuermitteln finanzieren, könnte der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung spürbar sinken. Darauf wiesen am Donnerstag Fachleute der Deutschen Rentenversicherung (DRV) in Berlin hin. Im Jahr 2023 habe die Lücke zwischen den tatsächlichen Bundeszuschüssen und dem Bedarf bei den sogenannten nicht beitragsgedeckten Leistungen bei rund 40 Milliarden Euro gelegen.
Gäbe es diese Lücke nicht, könnte der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent "um zwei Prozentpunkte niedriger liegen", erklärte Imke Brüggemann-Borck, Leiterin des DRV-Dezernats "Finanzierung und Verteilung". Alternativ sei auch ein höheres Rentenniveau möglich: "Die Faustformel lautet, ein Prozentpunkt beim Rentenniveau sind 0,5 Prozentpunkte beim Beitragssatz." Lesen Sie hier, was das Rentenniveau genau angibt.
Die Rechnung geht nicht auf
Die Rentenversicherung argumentiert, dass sie zahlreiche Leistungen ausführen muss, für die eigentlich keine Beiträge erhoben werden – etwa schulische Ausbildungszeiten, Renten nach dem Fremdrentengesetz oder Frührenten ohne Abschläge. Solche Leistungen gelten als gesamtgesellschaftliche Aufgaben, für die der Staat zuständig ist.
Doch: Im Jahr 2023 belief sich der tatsächliche Zuschuss des Bundes laut Rentenversicherung nur auf 84,3 Milliarden Euro, während der Bedarf für die nicht beitragsgedeckten Leistungen auf 124,1 Milliarden Euro geschätzt wurde – die Differenz sind die genannten fast 40 Milliarden Euro.
Bundeszuschüsse sind real nicht gestiegen
Insgesamt flossen 2024 rund 117 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt an die Rentenversicherung. Diese Summe umfasst neben den direkten Zuschüssen auch Beiträge des Bundes, etwa für Kindererziehungszeiten. Das weckt regelmäßig politische Diskussionen, da die Rentenkasse damit einer der größten Ausgabeposten im Bundeshaushalt ist.
Die Rentenversicherung verweist jedoch darauf, dass der Anteil der Bundesmittel am Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit Anfang der 2000er-Jahre sogar rückläufig ist. Lag er 2003 noch bei 3,5 Prozent, belief er sich 2024 auf 2,7 Prozent. Ein ähnliches Bild zeige sich, wenn man sich die Bundeszuschüsse im Verhältnis zu den Einnahmen der Rentenversicherung anschaue: Hier lag der Anteil im vergangenen Jahr bei 22,1 Prozent, 2004 hingegen noch bei 24,4 Prozent.
Steuermittel stopfen keine Finanzlöcher
"Das ist keine Subvention, diese Bundesmittel", stellte Edgar Kruse, Leiter des Bereichs "Statistische Analysen", klar. Vielmehr erfüllten sie unterschiedliche gesetzlich vorgesehene Funktionen – neben der Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen etwa auch die Begrenzung des Beitragssatzes, um die Lohnnebenkosten nicht zu stark steigen zu lassen. Das Stopfen von Finanzlöchern hingegen gehöre nicht dazu.
Mit Blick auf aktuelle Haushaltsdebatten mahnte Kruse zur Vorsicht: "Das heißt, wenn wir jetzt die Bundeszuschüsse weiter kürzen sollten, wenn Herr Klingbeil sagt, es ist nicht mehr genug Geld da, dann belastet das natürlich die Versicherten und Arbeitgeber, das heißt, der Beitragssatz wird früher steigen müssen, als das vielleicht momentan vorhersehbar ist."
Mütterrente: Rentenversicherung will genau aufpassen
Auch für neue Leistungen wie die geplante Mütterrente III, bei der auch Mütter älterer Kinder mit drei statt bisher 2,5 Rentenpunkten bedacht werden sollen, und die Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031 sei eine vollständige Finanzierung über Steuermittel entscheidend. Das sei zwar im Koalitionsvertrag so vorgesehen, doch die Praxis zeige, dass das bislang nicht durchgängig umgesetzt werde. "Wir werden darauf achten", sagte Statistikexperte Kruse. Sonst werde die Milliardenlücke bei den Bundesmitteln noch größer und Versicherte und Arbeitgeber noch stärker belastet.
- Eigene Eindrücke vom Pressefachseminar der Deutschen Rentenversicherung Bund
- Präsentation von Imke Brüggemann-Borck und Edgar Kruse: "Bundesmittel: Wofür der Staat Steuereinnahmen an die Rentenversicherung zahlt"