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Philipp hat Muskelschwund


"Eine Grippe hΓ€tte auch gereicht"

t-online, Simone Blaß

27.04.2015Lesedauer: 4 Min.
Philipp leidet an Muskelschwund und ist seit langem auf den Rollstuhl angewiesen.
Philipp leidet an Muskelschwund und ist seit langem auf den Rollstuhl angewiesen. (Quelle: privat)
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Philipp ist ein ganz normaler Jugendlicher. Er mag den Youtuber "inscope21", kann über die "Big Bang Theory" lachen, und seine Freunde holen ihn regelmÀßig ab, um mit ihm Playstation zu spielen oder gemeinsam mit um die HÀuser zu ziehen. Der einzige Unterschied: Einer muss Philipp schieben, denn der fast 16-JÀhrige sitzt seit vielen Jahren im Rollstuhl.

Weder in der Schwangerschaft, noch bei der Geburt gab es AuffÀlligkeiten. Philipp entwickelte sich zunÀchst ganz normal. Er saß, krabbelte, stand auf und lief. "Doch dann ist mir aufgefallen, dass er manchmal ohne ersichtlichen Grund einfach hingefallen ist", erinnert sich Michael Kolodzig. Natürlich wusste der zweifache Vater, dass kleine Kinder in diesem Stadium hÀufig hinplumpsen, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass etwas nicht stimmt.

Der Kinderarzt nahm die Sorgen nicht ernst

Als der Gang des Kleinen immer watscheliger wurde, baten die Eltern den Kinderarzt um Hilfe. Doch dieser nahm das Bauchgefühl zunÀchst nicht ernst. Erst auf DrÀngen der Eltern überwies er die Familie an das Kinderzentrum in Maulbronn, wo Experten die Nervenleitgeschwindigkeit und die Muskelstrâme maßen. Die Diagnose war niederschmetternd: SMA - Spinale Muskelatrophie, eine Krankheit, bei der die Muskeln immer schwÀcher werden.

"Als wÀre das nicht schon schlimm genug, hat sich der Kinderarzt auf die Übermittlung dieser Schocknachricht nicht genügend vorbereitet und behauptet, unser gerade mal zweijÀhriger Sohn hÀtte eine Lebenserwartung von nur zehn Jahren." Noch heute zittert die Stimme von Michael Kolodzig, wenn er daran denkt: "Die Emotionen selbst kommen verzâgert. ZunÀchst hat man Gedanken wie 'Wird unser Kind je zur Schule gehen?' Und wenn ja, kânnte man dann über eine schlechte Note überhaupt schimpfen?'"

Es gibt kein Heilmittel gegen SMA

Grit und Michael Kolodzig reagierten, wie es die meisten Eltern tun wΓΌrden: Sie suchten nach einem Strohhalm. Weil sie sich mit der Diagnose nicht zufrieden geben wollten, recherchierten sie selbst und stellten dabei fest, dass Philipp noch GlΓΌck im UnglΓΌck hatte: Seine Form der Krankheit nennt man juvenile SMA. Sie schrΓ€nkt zwar schon frΓΌh die Beweglichkeit ein, entgegen der Behauptung des Arztes nicht aber die Lebenserwartung.

Eine humangenetische Untersuchung bestΓ€tigte das. Eine Heilung ist allerdings nicht mΓΆglich. "Es macht so traurig, wenn man merkt, dass man seinem Kind nicht helfen kann und zusehen muss, wie es schwΓ€cher wird."

"Wir machen alles, was in unserer Macht steht"

Anfangs ließ sich diese SchwÀche noch überbrücken. "Wir haben versucht, das Beste daraus zu machen, ihm zum Beispiel ein kleines Elektroauto gekauft, in dem er mit den anderen Kindern herumkurven konnte. Aber dieses Gefühl, ganz schnell an die Grenzen der Mâglichkeiten zu kommen, das treibt einen um." Michael Kolodzig wollte sich dieser Hilflosigkeit nicht hingeben, musste etwas unternehmen. Er gründete den Verein "Philipp und Freunde - SMA Deutschland".

"Ich habe immer gedacht, wenn er mal groß ist, will ich ihm sagen kânnen, dass wir alles getan haben, um ihm zu helfen." Die Kontakte zu anderen Betroffenen waren sehr hilfreich. "Es tut gut, wenn man sich austauschen kann. Denn manchmal fÀllt es einfach schwer, die Probleme anderer mit ihren gesunden Kindern wirklich ernst zu nehmen. Wahrscheinlich geht es jedem so, der ein behindertes Kind hat."

Philipps Vater kann auch meckern

Doch in einem unterscheidet sich Michael Kolodzig nicht von anderen VΓ€tern. Auch er Γ€rgert sich, wenn sein Sohn schlechte Noten heimbringt. Heute kennt er die Antwort auf seine damalige Frage: Ja, er kann ΓΌber schlechte Noten schimpfen. "Aber das hat natΓΌrlich noch einen anderen Hintergrund. Wir kΓΆnnen nicht immer fΓΌr ihn da sein. Er muss sich eine Basis aufbauen, und mit einem guten Abitur steigen seine Chancen auf einen guten Job."

Beweglicher dank Rollstuhl

Gegen Ende der ersten Klasse kam die Familie um den Rollstuhl nicht mehr herum. "Ich habe diesen Moment hinauszuzΓΆgern versucht, so lange es ging. Ich hatte wahnsinnige Angst davor. Eigentlich will man mit seinem Sohn doch Sportschuhe kaufen und nicht RollstΓΌhle. Dann kam es ganz anders als ich dachte: Philipp fand es toll, endlich beweglicher und vor allem schneller zu sein. Er hat den Rollstuhl tatsΓ€chlich als Hilfsmittel fΓΌr sich gesehen."

"Werde ich als Erwachsener rennen kΓΆnnen?"

Trotzdem hat Philipp immer gehofft, ihn bald wieder los zu sein: "Als kleiner Junge fragte er mich, ob er als Erwachsener immer noch diese Krankheit haben werde. Oder ob er dann endlich auch wΓΌrde rennen kΓΆnnen. Das sind die Momente, die dir die TrΓ€nen in die Augen treiben, in denen es schwer ist, dem Kind Mut zu machen."

Die Zeit bekommt eine andere Dimension

Philipps Eltern machen alles, damit der Junge so normal wie mâglich aufwÀchst. Sie haben dafür gekÀmpft, dass Philipp den Regelkindergarten besuchen konnte, die Regelschule, das Gymnasium. "Wir versuchen immer wieder kleine und große Lichtpunkte zu setzen, die ihn dazu motivieren, nicht aufzugeben."

Ob Schüleraustausch, Weltmeisterspiel, Praktikum bei einem Fernsehsender oder zahlreiche Reisen - Grit und Michael Kolodzig schaffen bewusst so viele schâne Momente wie mâglich. "In unserer Situation betrachtet man die Zeit anders. Man will sie nutzen und so viel wie mâglich mit dem Kind machen, um ihm einen Ausgleich verschaffen, Freude am Leben. Doch man stâßt immer wieder an seine Grenzen, natürlich auch finanziell."

Die Frage nach dem Warum

Auch vor mancher EnttÀuschung kânnen die Eltern Philipp nicht bewahren. Genauso wenig wie vor der Frage nach dem Warum. Denn manchmal hadert der attraktive Jugendliche mit seinem Schicksal und fragt sich, warum es ihn getroffen hat. Phillips Vater geht noch einen Schritt weiter: "Ich frage mich: Warum muss es diese Krankheit überhaupt geben? Ich bin natürlich sehr traurig darüber, dass unser Sohn nicht mit den anderen Fußball spielen kann, dass er viele alltÀgliche Dinge nicht tun kann. Dann denke ich manchmal: Eine Grippe hÀtte auch gereicht."

Philipp wΓΌrde so gerne einmal rennen

Philipps grâßter Wunsch wÀre, eines Tages einfach aufzustehen und loszulaufen und dabei endlich zu erfahren, wie es ist, zu rennen.

Immerhin kommt die Forschung zu SMA voran. Es wird an einem Mittel gearbeitet, dass den Betroffenen vielleicht in Zukunft zu mehr LebensqualitÀt verhelfen kann. Bis dahin heißt es, den Status quo so gut wie mâglich zu erhalten und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Wichtiger Hinweis: Die Informationen ersetzen auf keinen Fall eine professionelle Beratung oder Behandlung durch ausgebildete und anerkannte Γ„rzte. Die Inhalte von t-online kΓΆnnen und dΓΌrfen nicht verwendet werden, um eigenstΓ€ndig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen anzufangen.
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