Wie kam es zu dem Impfstopp von Johnson & Johnson?
In Deutschland und anderen EU-LΓ€ndern wurden im MΓ€rz die Impfungen mit Astrazeneca vorerst ausgesetzt. Nun verzΓΆgert Johnson & Johnson den Start seines Mittels. Ist das Problem das gleiche?
Der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson verzΓΆgert den Marktstart seines Impfstoffs in Europa. Das teilte der Konzern am Dienstag mit β nur einen Tag nachdem mit der Auslieferung begonnen worden war. Man habe Berichte ΓΌber Sinusvenenthrombosen erhalten und sich fΓΌr die VerzΓΆgerung entschieden, hieΓ es. Der Konzern arbeite nun mit Experten und den GesundheitsbehΓΆrden an der Untersuchung der FΓ€lle.
Die EuropΓ€ische ArzneimittelbehΓΆrde (EMA) hatte bereits eine Untersuchung einiger FΓ€lle von Thrombosen nach einer Impfung mit dem Wirkstoff von Johnson & Johnson eingeleitet. Ein Zusammenhang zwischen den sehr seltenen FΓ€llen und der Impfung konnte noch nicht festgestellt werden, teilte die EMA am Dienstag in Amsterdam auf dpa-Anfrage mit. Die Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen.
Vier FΓ€lle in Europa, mehr in den USA
Bisher waren der BehΓΆrde vier FΓ€lle mitgeteilt worden. Drei davon waren in den USA aufgetreten, einer davon verlief tΓΆdlich. Der vierte Fall betraf eine Person bei einem klinischen Test. Vom fΓΌr Deutschland zustΓ€ndigen Paul-Ehrlich-Institut gab es zunΓ€chst keine EinschΓ€tzung der neuen Situation. Informationen wΓΌrden so bald wie mΓΆglich zur VerfΓΌgung gestellt, hieΓ es am Dienstag.
Zuvor hatten die BehΓΆrden in den USA eine vorΓΌbergehende Aussetzung der Impfungen mit dem Wirkstoff von Johnson & Johnson empfohlen, nachdem bei sechs Menschen im Land nach der Impfung Sinusvenenthrombosen diagnostiziert worden waren. Die vorΓΌbergehende Aussetzung sei aus einem "ΓbermaΓ an Vorsicht" empfohlen worden und werde voraussichtlich nur einige Tage aufrechterhalten, teilten die GesundheitsbehΓΆrde CDC und die ArzneimittelbehΓΆrde FDA am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit.
Auslieferung hat bereits begonnen
In der EU war der Impfstoff von Johnson & Johnson am 11. MΓ€rz zugelassen worden. Am Montag hatte Johnson & Johnson mit der Lieferung in die EU-Staaten begonnen. Die BrΓΌsseler BehΓΆrde erwartet bis Ende Juni 55 Millionen Dosen des Impfstoffs. Gut 10 Millionen Dosen sollen nach Deutschland gehen.
Erst im MΓ€rz hatte Deutschland Impfungen mit dem Produkt des Herstellers Astrazeneca vorΓΌbergehend ausgesetzt, nachdem das Paul-Ehrlich-Institut ein entsprechendes Vorgehen empfohlen hatte. Auch andere europΓ€ische LΓ€nder stoppten die Impfungen zeitweise. Hintergrund war ebenfalls eine auffΓ€llige HΓ€ufung von Sinusvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an BlutplΓ€ttchen (Thrombozytopenie) nach Impfungen mit dem PrΓ€parat. Inzwischen wird der Einsatz von Astrazeneca hierzulande nur bei Menschen ab 60 Jahren empfohlen.
Γhnlichkeiten mit Astrazeneca-Mittel?
Wieso es bei einigen Geimpften zu der schweren Nebenwirkung kommt, ist bislang unklar. Der Greifswalder Forscher Andreas Greinacher macht das Auftreten bestimmter AntikΓΆrper fΓΌr die Thrombosen verantwortlich. Es sei denkbar, dass die Betroffenen etwas in ihrem KΓΆrper hΓ€tten, was sie dafΓΌr anfΓ€llig mache, diese speziellen AntikΓΆrper zu produzieren. Was das sei, sei noch unklar, erklΓ€rte er kΓΌrzlich.
Die Impfstoffe von Johnson & Johnson und von Astrazeneca sind sogenannte vektorbasierte Impfstoffe. Sie nutzen ein harmloses Virus, um Erbinformationen des Coronavirus in den KΓΆrper zu schleusen. Mit Hilfe dieser Informationen wird im KΓΆrper des Geimpften ein ViruseiweiΓ gebildet, genauer gesagt das Spike-Protein auf der OberflΓ€che des Coronavirus.
Carsten Watzl, GeneralsekretΓ€r der Deutschen Gesellschaft fΓΌr Immunologie, hatte kΓΌrzlich auf Twitter die Vermutung geΓ€uΓert, dass die Adenoviren, die in beiden Impfstoffen eingesetzt werden, die Nebenwirkungen verursachen.
In den USA sagte die amtierende FDA-Chefin Janet Woodcock am Dienstag, die FΓ€lle mΓΌssten nun erst einmal "komplett verstanden" und die Mitarbeiter des Gesundheitssystems entsprechend informiert werden. "Wir erwarten, dass diese Pause einige Tage dauern wird." Man sei dabei auch in "stΓ€ndigem Austausch" mit den zustΓ€ndigen BehΓΆrden in Europa und weltweit. FΓΌr Mittwoch wurde eine Notfallsitzung eines Beratergremiums der CDC angesetzt.
Zahlreiche Bundesstaaten sowie unter anderem Apotheken-Ketten kΓΌndigten an, der Empfehlung von CDC und FDA folgen zu wollen. Bereits ausgemachte Impftermine sollen verschoben oder wenn mΓΆglich mit den beiden anderen derzeit im Einsatz befindlichen Impfstoffen in den USA β dem des US-Unternehmens Moderna und dem des US-Konzerns Pfizer und seines deutschen Partners Biontech β durchgefΓΌhrt werden. Bei diesen beiden Impfstoffen seien bislang keine vergleichbaren VorfΓ€lle gemeldet worden, hieΓ es von FDA und CDC.
Die Aussetzung werde "keine bedeutenden Auswirkungen" auf die US-Impfkampagne haben, teilte das WeiΓe Haus mit. Die USA hΓ€tten allein durch die vereinbarten Lieferungen mit den Herstellern Moderna und Biontech/Pfizer genΓΌgend Impfstoff fΓΌr 300 Millionen Menschen, erklΓ€rte US-PrΓ€sident Joe Bidens Corona-Koordinator Jeff Zients. Die USA kΓΆnnten daher weiter pro Tag rund drei Millionen Menschen impfen.
Von dem Ende Februar von der FDA zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson, von dem es nur eine Dosis braucht, wurden bislang mehr als 6,8 Millionen Dosen gespritzt. Bei sechs Frauen zwischen 18 und 48 Jahren war es den BehΓΆrden zufolge zwischen 6 und 13 Tagen nach dieser Impfung zu Sinusvenenthrombosen gekommen. In drei FΓ€llen sei zusΓ€tzlich eine Thrombozytopenie, also ein Mangel an BlutplΓ€ttchen, gemeldet worden. Eine Frau sei gestorben, eine befinde sich in kritischem Zustand, teilten FDA und CDC mit. Insgesamt scheine es aber so, als ob diese FΓ€lle "sehr selten" seien.
- Nachrichtenagentur dpa