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Corona-Lockdown: Dauerstress kann das Infektionsrisiko erhöhen


Experte warnt
Dauerstress im Corona-Lockdown kann das Infektionsrisiko erhöhen


Aktualisiert am 26.05.2021Lesedauer: 3 Min.
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In der Krise nehmen die psychischen Belastungen zu: Das kann sich auf die Infektanfälligkeit auswirken.Vergrößern des Bildes
In der Krise nehmen die psychischen Belastungen zu: Das kann sich auf die Infektanfälligkeit auswirken. (Quelle: izusek/ Getty Images)

Monatelanger Lockdown, Homeschooling, weit verbreitete Geld- und Zukunftssorgen – die Anti-Corona-Maßnahmen bedeuten für viele Menschen Dauerstress. Das schwächt das Immunsystem und steigert das Risiko einer Infektion mit dem Virus.

Die Corona-Krise verlangt zahlreichen Menschen viel ab. Das bestätigt auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov: Ende April 2021 fühlten sich in Deutschland deutlich mehr Menschen gestresst als im April 2020. Damals sagten 17 Prozent, sie empfänden mehr Druck als vorher. 2021 gaben 31 Prozent an, gestresster zu sein. Das sind 14 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr.

Doch psychischer Stress wirkt sich auch körperlich aus. t-online sprach darüber mit dem Essener Prof. Manfred Schedlowski. Er erforscht im Bereich der sogenannten Psychoneuroimmunologie die Zusammenhänge zwischen der Hirnaktivität und dem Immunsystem.

t-online: Herr Schedlowski, macht uns Stress anfälliger für Infektionen und Erkrankungen?

Manfred Schedlowski: Hier müssen wir zunächst zwei Arten von Stress unterscheiden. Bei akutem Stress – zum Beispiel in einer Prüfungssituation – schüttet der Körper vor allem zwei Hormone aus: Cortisol und Adrenalin. Insbesondere Adrenalin aktiviert bestimmte Abwehrzellen, zum Beispiel die Killerzellen. Das Immunsystem wird also angekurbelt. Das hat evolutionäre Ursachen. Unsere Vorfahren konnten diesen Mechanismus gut gebrauchen. Stellen Sie sich vor, die Steinzeitmenschen mussten vor einem Säbelzahntiger fliehen und verletzen sich dabei, dann steht ihnen gleich eine aktivierte Immunabwehr zur Verfügung.

Dieser Mechanismus wird auch als fight-or-flight oder Kampf-oder-Flucht-Reaktion bezeichnet. Sie bedeutete einen eindeutigen Überlebensvorteil für unsere Vorfahren. Und dieser hat sich bis heute erhalten. Diese Reaktion klingt einige Stunden nach dem Stressereignis ab.

Das wäre eine positive Folge von akutem Stress. Aber wie sieht es bei chronischem Stress aus?

Ganz anders. Leidet man über Wochen, Monate oder gar Jahre unter Stress, kann die Immunabwehr dekompensieren. Das heißt: Sie wird instabil. Stresshormone, die über längere Zeiträume vermehrt freigesetzt werden, schwächen die Immunzellen in ihrer Aktivität.

Für einen gesunden Menschen, der auch emotional stabil ist, sind solche Teilausfälle in der Regel gut zu kompensieren. Bei Menschen jedoch, die psychisch angegriffen sind – wie jetzt im Lockdown, in dem viele Leute zum Beispiel Geld- oder Zukunftssorgen haben – kann der Körper anfälliger für Infekte werden.

Das kennt jeder von uns: Hatte man vor dem Urlaub viel Stress, weil noch alles Mögliche für die eigene Abwesenheit geregelt werden musste, holt man sich in der ersten Urlaubswoche schnell eine Erkältung.

Prof. Manfred Schwedlowski
Prof. Manfred Schwedlowski (Quelle: Universitätsklinik Essen)

Manfred Schwedlowski ist Professor am Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie an der Universitätsklinik Essen. Er erforscht im Bereich der sogenannten Psychoneuroimmunologie die Zusammenhänge von Hirnaktivitäten und dem Immunsystem.

Könnte das auch für eine Corona-Infektion zutreffen?

Da es sich bei SARS-CoV-2 auch um ein Coronavirus handelt, welche in ihrer harmlosen Form zu Erkältungen führen, ist zu vermuten, dass dieser Mechanismus auch bei Corona abläuft. Studien gibt es darüber allerdings noch nicht, aber es liegt nahe.

Das heißt: Der Stress, dem viele Menschen im Lockdown momentan ausgesetzt sind, kann eine Corona-Infektion zumindest wahrscheinlicher machen?

Man kann davon ausgehen, dass die dauernden psychosozialen Belastungen die Immunabwehr schwächen und die Menschen anfälliger für Infektionen werden, anfälliger für das, wovor man sie schützen will. Damit ist es eben auch eine Abwägung der Politik, inwieweit man der Bevölkerung welchen Stressgrad zum Beispiel in einem Lockdown zumutet.

Was hilft gegen Dauerstress?

Man kann die sogenannte Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegen Stress trainieren. Die Grundlagen für diese Widerstandsfähigkeit werden in der Kindheit gelegt. Stabile Familienverhältnisse, in denen ein Kind genug Zuwendung und Unterstützung erhalten hat, sorgen für resiliente Erwachsene.

Aber man kann auch einiges dafür tun, um seine eigene Resilienz zu unterstützen: Sport und Bewegung als Ausgleich gehören dazu. Eine gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und eine gute soziale Einbindung in Familie- und Freundeskreis unterstützen diese Prozesse, die dann wiederum die Abwehr stärken.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schedlowski!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Manfred Schedlowski vom 19. Mai 2021
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