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Samenleiterventil Bimek: Das Geld fehlt für die Revolution in der Verhütung


Spermien-Schalter bereit für Tests
Für die Revolution bei der Verhütung fehlt das Geld

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 07.05.2018Lesedauer: 4 Min.
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Gummibärchengroß: Dirk Baranek mit dem Samenleiterventil, das Investoren bisher wenig stimuliert hat.Vergrößern des Bildes
Gummibärchengroß: Dirk Baranek mit dem Samenleiterventil, das Investoren bisher wenig stimuliert hat. (Quelle: Lars Wienand/Bimek, Montage: t-online.de)

Es ist nicht leicht, die Verhütung zu revolutionieren. Wenn sich nicht bald Geldgeber finden, platzt der Lebenstraum eines gelernten Tischlers aus Brandenburg: Er will mit dem Spermien-Schalter Männern ein Anti-Baby-Mittel an die Hand geben.

Etwa 100 Gesichter mit mal skeptischem, dann staunendem, oft aber amüsiertem Ausdruck lauschen dem Vortrag zum Bimek Samenleiterventil (SLV). Es sind die Zuhörer in einem übervollen Raum bei der Internetkonferenz re:publica, vor den offenen Fenstern stehen noch Menschen und versuchen, die Worte des Referenten aufzuschnappen. Vor zwei Jahren hatte weltweit Begeisterung ausgelöst, wovon hier erzählt wird. Aber das Geld ist nicht gekommen. Keine Investoren für die Revolution der Verhütung. "Wir brauchen 200 Leute, die 5.000 Euro geben", so Dirk Baranek. Sein Vortrag sei ein neuer Versuch gewesen, einen Impuls zu setzen, sagt er später zu t-online.de.

Baranek würde das Konsortium führen, das eine Million Euro aufbringen soll für 20 Prozent Anteile am Unternehmen. So soll das Geld für die Produktion von 200 Ventilen zusammenkommen, die für den klinischen Versuch benötigt werden. Es sei ein mögliches Millionengeschäft. Und Frauen könnten schließlich die Pille absetzen, weil den Spermien ihrer Männer per implantiertem Samenleiterventil der Weg versperrt bliebe.

Erfinder trägt Ventile seit 2009

Doch diese große Vision von Clemens Bimek ist in Gefahr, einem Mittvierziger aus der Nähe von Berlin. Seit einer TV-Doku über Verhütung 1998 ist der gelernte Tischler mit dem Gedanken schwanger gegangen, seit 2000 hält er das Patent für die "Vorrichtung zur Kontrazeption zur Anwendung beim Mann" und seit 2009 ist er erster und bis heute einziger Träger zweier Samenleiterventile. "So klein wie ein Gummibärchen", sagt Dirk Baranek auf der re:publica und lässt einen Prototypen rundgehen.

Die Session ist selbst für die re:publica ungewöhnlich. Um auf der Internetkonferenz noch einmal das Projekt anpreisen zu dürfen, hat Baranek den Vortrag als Lektion über einen viralen Erfolg deklariert: Es gäbe mehr als 500 Medienberichte, ein Video hatte alleine 53 Millionen Abrufe.

"Herr Bimek war stolz, dass seine Idee in aller Welt Thema war, auch wenn er nicht mit allen Formen der Auseinandersetzung glücklich war", berichtet Baranek t-online.de. Dass die englischen Medien seine Erfindung "Sperm Switch" oder "Dick Switch" getauft haben, "Spermienschalter" oder gar "Penisschalter", muss Bimek fast körperliche Schmerzen bereitet haben. Das Gerät wird in die Samenleiter im Hodensack implantiert, nicht in den Penis.

Statt Tierversuchen: "Männer mit Eiern" gesucht

Man muss sich Clemens Bimek als einen sehr willensstarken Mann vorstellen, erklärt Baranek. Asketisch, öffentlichkeitsscheu und prinzipientreu. Eine Präsentation in der Investorenshow "Die Höhle der Löwen" wäre für ihn unvorstellbar. Bei Angeboten von Pharmakonzernen sei der Erfinder sehr skeptisch: "Er will, dass seine Erfindung umgesetzt wird. Und nicht, dass das Patent dann in der Schublade verschwindet, weil Konzerne unverändert die Pille verkaufen wollen."

Tierversuche bei der Erprobung seien für Tüftler Bimek ausgeschieden, "vegan" nennt sich das SLV. "Wir haben gesagt, es muss doch Männer geben, die genug Eier dafür haben", sagt Baranek. Eine vierstellige Zahl meldete sich als Kandidaten. Und wartet.

Erfinder meldete sich zuletzt im Oktober 2016

Seit 2017 ist es sehr still geworden. Erfinder Bimek selbst hat sich im Unternehmensblog im Oktober 2016 zum bisher letzten Mal gemeldet. Die Öffentlichkeitsarbeit hat er ohnehin Baranek überlassen. Baranek war für Bimek aus vielfältigen Gründen eine gute Adresse gewesen. Er hat auch eine Vasektomie machen lassen, sich die Samenleiter durchtrennen und verschließen lassen. Das ist mit einem erhöhten Risiko verbunden, dass sich der Eingriff nicht erfolgreich rückgängig machen lässt – und das, wofür Bimek die softe Alternative anbieten will.*

Drei Monate nach dem Einschalten der Sperre soll Ejakulat zwar strömen wie eh und je. Darin sollen sich dann aber keine Spermien mehr finden. Wird der Schalter erneut umgelegt, sind die Samen 24 Stunden später wieder da. Das geschieht durch das Tasten mit beiden Händen, ein Sicherheitsstift muss gedrückt werden, um den Schalter zu betätigen. Und der soll mit körperverträglichen Materialien zeitlebens im Körper bleiben.

Ab Studienbeginn noch mindestens drei Jahre

Ob das alles reibungslos funktioniert und keine Nebenwirkungen oder Risiken hat, soll im klinischen Versuch getestet werden. Es ist nicht mehr die Rede von 25 Probanden, sondern erst einmal von fünf. Juristisch und medizinisch sei alles vorbereitet, eine Klinik gefunden. Zwei Jahre nach erfolgreichen Operationen könne ein zweiter Schritt der klinischen Studie mit weiteren Männern erfolgen, nach frühestens drei Jahren gehe es um die europaweite Zulassung.

So hieß es schon 2015. Aber ohne die Finanzierung wird das nichts. Große Investoren, außer einem weiteren Deutschen, der am Anfang dabei war, haben sich nicht gefunden. "Die wollen ihre Person nicht mit einem solchen Thema in Verbindung gebracht sehen, das noch tabuisiert wird", sucht Baranek nach Erklärungen. Doch da fänden sich diskrete Lösungen. Vielleicht ist es auch die Skepsis in Teilen der Medizinwelt,oder aber auch die Aussicht, dass die Forschung an Tabletten für den Mann voranschreitet.

Baranek überlegt mit viel Fantasie, wie der Schalter für das Projekt noch umgelegt werden könnte. Er denkt an die feministische Zeitschrift "Emma": "Da gibts bestimmt einige Leserinnen, die 5.000 Euro übrig haben, um den Frauen diese Entlastung bei der Verhütung zu ermöglichen", so der Marketingexperte zu t-online.de. Frauen, so hat Baranek aus einer Analyse von Facebook-Kommentaren gelernt, sind deutlich aufgeschlossener fürs Thema Samenleiterventil als Männer.

*Der Text wurde an dieser Stelle korrigiert. Wir hatten geschrieben, eine Vasektomie sei "in der Regel irreversibel". Das ist nicht richtig. In der weit überwiegenden Mehrheit sind Rückoperationen erfolgreich. Mit länger zurückliegender Vasektomie sinkt die Erfolgsrate zwar, liegt aber einer Studie zufolge immer noch bei über 80 Prozent.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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