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Schnee in Süddeutschland: Warum es trotz Klimawandel so viel schneit


Schneechaos in Deutschland
"Das ist schlichtweg falsch"

InterviewVon Liesa Wölm

Aktualisiert am 06.12.2023Lesedauer: 4 Min.
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Winter in München: Eine Expertin klärt, was die Schneemassen mit dem Klimawandel zu tun haben.Vergrößern des Bildes
Winter in München: Eine Expertin klärt, was die Schneemassen mit dem Klimawandel zu tun haben. (Quelle: Sven Hoppe/dpa)

Süddeutschland versinkt derzeit im Schnee. Macht der Klimawandel Pause? Mitnichten, wie eine Expertin erklärt.

Meterhohe Schneeberge türmen sich derzeit in manchen Regionen Deutschlands, die Thermometer zeigen teilweise Minusgrade. Vor allem im Süden herrscht ein Winterchaos. Ein gefundenes Fressen für Menschen, die die Erderwärmung relativieren: Wenn es so viel schneit und so bitterkalt ist, könne doch niemand von Klimawandel reden, heißt es in Beiträgen auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter).

Von wegen: Die derzeitigen Wetterbedingungen lassen nicht darauf schließen, dass die lebensbedrohliche Klimakrise pausiert – oder gar ein Hirngespinst ist. Warum, das erklärt DWD-Klimatologin Gudrun Mühlbacher im Gespräch mit t-online.

t-online: Frau Mühlbacher, Teile Deutschlands sind in den vergangenen Tagen im Schneechaos versunken. Ist das für diese Zeit im Jahr so ungewöhnlich?

Gudrun Mühlbacher: Es hat ohne Frage sehr viel geschneit. München hat knapp seinen Schneerekord geknackt: Dieser liegt im Dezember bei 44 Zentimetern am Tag, wir hatten nun 42. Das ist schon außergewöhnlich. Aber es ist nicht so, als wäre es noch nie dagewesen. Ende November, Anfang Dezember haben wir oft Schnee. Um die 35, 40 Zentimeter haben wir zu diesem Zeitpunkt alle 20, 30 Jahre. Das ist für Klimatologen ein normaler Abstand. Nun war es eben etwas mehr, aber das war ja auch nicht überall in Deutschland der Fall.

Und die Temperaturen?

In der Nacht zum Montag war es mit minus 10 und stellenweise minus 14 Grad sehr kalt, aber tagsüber sind wir heute bei 1 bis 5 Grad. Auch das ist für Anfang Dezember völlig normal. Und wenn es am Tag mal minus 5 Grad hat, ist das zu dieser Jahreszeit ebenfalls nichts Besonderes. Wir haben einen richtig guten Winteranfang.

Warum gibt es denn vergleichsweise so viel Schnee?

Die Luftmassen, die vorherrschten, haben die Schneemassen begünstigt. Es gab erst relativ warme, feuchte Luft. Die wurde dann durch den entsprechenden Kälteeinbruch heruntergekühlt. Dadurch konnte viel Schnee am Alpenrand und in Südostbayern abschneien.

Gudrun Mühlbacher

ist Diplom-Meteorologin und leitet das für Bayern zuständige Regionale Klimabüro des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in München.

Manche Menschen sehen in dem aktuellen Wetter einen Beleg dafür, dass es keine Klimakrise gibt, nach dem Motto: "Wenn es so viel schneit und so kalt ist, kann das doch keine Erderwärmung sein." Was kann man dem entgegensetzen?

Diese Menschen vermischen Wetter und Klima miteinander, das ist die Taktik von Klimawandel-Skeptikern. Aber das ist schlichtweg falsch. Was wir gerade im Süden Deutschlands sehen, ist eine Wetterlage. Der Klimawandel ist ein langfristiger Prozess, der zu der drastischen Erderwärmung führt. Er findet statt, er ist nicht gebremst. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch mal richtig kalt sein oder schneien kann. Wir haben schließlich Winter.

Inwiefern hat sich der Winter in Deutschland in den vergangenen Jahren wegen des Klimawandels verändert?

Es ist deutlich sichtbar, dass das allgemeine Temperaturniveau steigt, auch im Winter. Aber dass es trotzdem Schnee gibt, ist nicht verwunderlich. Es schneit sowohl bei minus 2 Grad als auch bei minus 5 Grad – Minusgrade sind Minusgrade. Dann wird der Niederschlag zum Schnee. Aber dadurch, dass es wärmer wird, herrschen seltener Temperaturen unter 0 Grad, und deshalb schneit es seltener.

Dafür aber heftiger?

Das ist möglich. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie speichern. Es gibt die Tendenz, dass die Niederschläge im Winter leicht zunehmen. Deshalb kann bei Minusgraden auch mehr Schnee fallen. Das kann zum Problem werden.

Warum?

Anfang Januar 2019 etwa hat es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt heftig geschneit. Zudem war die Wetterlage blockiert. Das heißt, sie hat sich nicht weiterbewegt. Es ist sehr viel, sehr feuchter Schnee gefallen. Bei minus 5, minus 10 oder minus 20 Grad ist der Schnee viel leichter, dann gibt es Pulverschnee.

Aber je wärmer der Schnee ist, desto matschiger und schwerer ist er auch. Wenn Schnee also künftig bei höheren Temperaturen fällt, enthält er mehr Wasser – und wenn er etwa auf Häuserdächern liegt, ist die Last höher. Das kann kritisch werden. Schon damals wurden bestimmte Grenzwerte hinsichtlich der Schneelast erreicht.

Gilt das für alle Regionen?

Na ja, im Flachland ist deutlich zu sehen, dass weniger Schnee fällt. Dort herrschen seltener Minustemperaturen. Deshalb gibt es dort öfter Regen als Schnee. In manchen Regionen haben wir teilweise bis zu 65 Prozent weniger Schneedeckentage. Das sind Tage, an denen eine Schneedecke zu einem festgesetzten Termin vorhanden ist. Aber je höher es geht, desto öfter schneit es noch. Auch wenn die Minusgrade in 20 oder 30 Jahren nicht mehr so tief sind, wird es immer noch ausreichen, damit Schnee fällt.

Video | Diese Regionen erwartet heftiger Schneefall an Weihnachten
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Quelle: t-online

Und was erwartet uns in den kommenden Tagen?

Es wird relativ kühl bleiben, aber immer häufiger zeigt das Thermometer auch wieder Plusgrade, vor allem Richtung kommendes Wochenende. Kommende Woche könnte es zu mehr Niederschlägen kommen. Dann wird es wieder spannend, ob es kalt genug ist für weiteren Schnee – oder ob es doch nur für Regen reicht. In dem Fall wird es wohl ungemütlich und matschig.

Zum Schluss eine Frage, die sich wohl viele Menschen stellen: Wie sieht es mit einer Weißen Weihnacht aus?

Das lässt sich noch nicht genau vorhersagen. Aber oft schmilzt die weiße Pracht vor Weihnachten, weil noch einmal eine wärmere Witterungsperiode kommt. Das nennt man Weihnachtstauwetter. Dann sind auf einmal alle Wiesen wieder grün.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit DWD-Klimatologin Gudrun Mühlbacher am 5. Dezember 2023
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