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Was das Besondere am deutschen Whisky ist


Whisky-Brennerin
"Wir brennen noch ein bisschen sauberer als die Schotten"

InterviewVon Henning Seelmeyer

29.06.2019Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Michaela Habbel steht vor Whiskyfässern ihrer Brennerei: "Uralter Whisky" der Habbel'schen Destille wurde auf internationalen Messen ausgezeichnet.Vergrößern des Bildes
Michaela Habbel steht vor Whiskyfässern ihrer Brennerei: "Uralter Whisky" der Habbel'schen Destille wurde auf internationalen Messen ausgezeichnet. (Quelle: Habbel's Destillerie & Brennerei)

Deutschland hat anderen Whiskynationen einiges voraus, meint Destillateurin Michaela Habbel. Im Interview verrät sie, was deutsche Ingenieurskunst mit Whisky zu tun hat und gibt Profi-Tipps für Whisky-Tastings.

Wer Whisky hört, hat sofort die schottischen Highlands vor Augen oder denkt an Tennessee in den USA. Wer verbindet den Schnaps schon mit Weizenfeldern in Nordrhein-Westfalen oder Sherryfässern in Mecklenburg-Vorpommern?

Dabei gibt es auch deutschen Whisky, der internationale Konkurrenz nicht scheuen muss, sagt Michaela Habbel. Sie sollte es wissen, schließlich kommt aus ihrer Brennerei in Sprockhövel der älteste Whisky Deutschlands. Außerdem ist sie die Präsidentin des Verbands Deutscher Whiskybrenner. Im Interview verrät sie, warum sie sogar von einer deutschen Whiskyromantik sprechen würde.

t-online: Sie Sind die Geschäftsführerin der Brennerei, in der der erste deutsche Whisky destilliert wurde und kennen sich mit deutschem Whisky bestens aus. Was würden Sie sagen, ist das Charakteristische an Whisky aus Deutschland?

Die schottische Schreibweise der Spirituose ist "Whisky". Kommt sie aus Irland oder den USA, dann schreibt sie sich "Whiskey" mit "e".

Michaela Habbel: Die meisten verbinden Whisky mit Schottland und einem Alt-Herren-Image mit Single Malt und Zigarre. Das ist so gar nicht deutscher Whisky. Das Besondere am deutschen Whisky sind die verschiedenen Rohstoffe, die bei der Herstellung verwendet werden: Das sind Weizen, Roggen, Dinkel oder Hafermalz. Wirklich jedes Getreide, das in Deutschland vorkommt, wird hier auch gebrannt. Das ist der hauptsächliche Unterschied zu anderen Whiskynationen. Dazu kommt der regionale Bezug. In Schottland werden die Fässer zum Lagern einfach in eine Halle gerollt. Bei uns ist die Arbeit in den Manufakturbetrieben noch händischer. Die Betriebe haben hier nicht drei oder vier Masterblender, sondern oft nur einen Destillateur oder einen Betreiber. Dadurch ist das Verhältnis zum Produkt viel inniger. Man könnte von einer Deutschen Whiskyromantik sprechen, weil es in Deutschland sehr kleine und nahbare Betriebe gibt.

Die deutsche Whiskytradition ist ja noch recht jung. Wirkt sich das auch auf den Produktionsprozess aus?

Laut EU-Spirituosenverordnung darf die Bezeichnung "Whisky" erst nach einer Lagerzeit von drei Jahren verwendet werden. Vorher ist es einfach Korn.

Ja, da muss ich immer schmunzeln. Was nämlich auch typisch deutsch ist: Wir stehen auf Technik. Unsere Destillierblasen sind nicht wie in Schottland mit Wash Still und Pot Still und damit fertig – sondern es sind meistens eigens angefertigte Pot-Still-Anlagen oft mit angeschlossener Kolonne. Damit können die Brenner wesentlich besser auf das Destillat eingehen und vorausschauend destillieren und brennen. Wenn wir das Destillat nicht so lange liegen lassen wollen, dann brennen wir einfach noch mal ein bisschen sauberer als die Schotten und verkürzen so die Lagerzeit. Dadurch gibt es in Deutschland auch junge Whiskyabfüllungen, die wirklich schon eine Topqualität haben. Das heißt, dass manche jungen deutschen Whiskys, nach drei Jahren schon mit schottischen Whiskys vergleichbar sind, die acht oder neun Jahre gereift sind.

Maische wird in der Kochkammer erhitzt. Der Alkoholdampf steigt nach oben und gelangt durch die Kolonnen über die Destillierbrücke in den Kondensator. Dort wird er heruntergekühlt und so wieder verflüssigt.

In Wohnzimmern sieht man immer häufiger ganze Whiskeysammlungen ihrer stolzen Besitzer. Auf Partys wird häufig Whisky getrunken. Auch Sie sagen, deutscher Whisky erfährt gerade einen Boom. Warum ist das so?

Ich denke, das liegt am regionalen Gedanken. Das hat mit dem Essen angefangen: Man möchte sein Essen regionaler beziehen. Der Trend ist mittlerweile auch in der Spirituosenbranche angekommen. Man möchte ein Produkt "Made in Germany" und am besten noch aus der Region haben – von der Brennerei nebenan, von der ich den Destillateur kenne, wo ich mich beraten lassen kann. Das ist ein Trend, der sich bei uns Craft-Destillern – und das sind alle deutschen Whisky-Brenner – super etabliert.

Insgesamt stagniert der Alkoholkonsum der Deutschen, doch Whisky liegt im Trend. Woran liegt das?

Stimmt, der Alkoholkonsum der Deutschen geht runter, aber der Umsatz der Spirituosenbranche steigt trotzdem. Die Leute trinken weniger, dafür aber bewusster und qualitativ hochwertiger und sind bereit, mehr Geld für gute Produkte auszugeben. Whisky ist etwas Wertiges und damit keine günstige Angelegenheit wie beispielsweise ein ganz preiswerter Obstler. Deutscher Whisky wird als Genussmittel gesehen und nicht auf Flatrate-Partys getrunken.

Sie sagen, dass die Deutschen gerne mehr Geld für Whisky ausgeben. Wie viel muss denn ein wirklich guter Whisky überhaupt kosten?

Man muss nicht immer seinen Bausparvertrag auflösen, um einen guten Whisky zu kaufen. Deutscher Whisky fängt bei 30 Euro die Flasche an. Für 50 Euro bekommt man schon einen gut gelagerten, tollen deutschen Whisky. Bei meinen Kollegen kann eine Abfüllung von einem 18 Jahre alten Whisky auch schon mal für 300 Euro weggehen.

Jetzt habe ich mir also einen guten Whisky für etwa 50 Euro gekauft – wie trinke ich den denn dann am besten? Pur oder mit Eis?

Eis schmilzt und verwässert das ganze Produkt. Das würde ich auf gar keinen Fall empfehlen. Wenn Sie einen klassischen Whisky genießen möchten, dann trinken Sie ihn am besten pur, im Idealfall bei Zimmertemperatur. Dann können sich die Aromen am schönsten entfalten. Nutzen Sie dafür ein Nosing-Glas, das unten bauchig ist und oben etwas schmal zuläuft. Schwenken Sie den Whisky einmal und führen Sie ihn vom linken zum rechten Nasenloch. Bei Tastings ist dieser Moment gerade für Einsteiger oft ein Aha-Erlebnis. Damit kann man auch seine Sensorik schulen, die Nase wird so sensibler für gewisse Aromen.

Welche Sorten nehme ich denn am besten, um mich Whisky bei einem privaten Tasting zu nähern?

Wenn ich im Whiskybereich einsteigen will, dann würde ich Whisky aus einem Ex-Bourbonfass nehmen. Der hat eine schöne weiche Vanillenote. Auf der Flasche steht dann Ex-Bourbonfass-Abfüllung. Das ist wichtig, denn das Fass macht etwa zwei Drittel vom Geschmack aus. Auch Whiskys aus einem Sherryfass sind zu empfehlen. Die haben eine schöne Süße im Abgang. Generell würde ich sachte mit klassischen Sachen anfangen. Torfige Whiskys, für die das Malz über einem Torffeuer bearbeitet wird, sind eher rauchig und für Einsteiger nicht so geeignet.

Sollte man bei einem solchen Tasting seinen Whisky mit Wasser verdünnen? Immer wieder hört man ja von diesem Tipp.

Das ist eine super Idee. Bei einem Whiskytasing steht meistens auch ein Wasserkännchen mit einer kleinen Pipette bereit. Bei allen Whiskys mit mehr als 50 Prozent Alkohol kann man einfach mal einen Spritzer Wasser reingeben. Das Produkt öffnet sich und es entfaltet sich das Aroma. Es gibt mehr Geschmacksnuancen, die man mit der Nase wahrnehmen kann. Wasser ist ganz wichtig, wenn man das Produkt bis ins kleinste Detail kennenlernen möchte. Einsteigern würde ich raten: Lassen Sie im Whiskyglas noch einen Schluck drin, geben ein oder zwei Tröpfchen Wasser hinzu und schauen Sie, wie sich das Produkt verändert. Wenn Whiskys in Schottland geblendet werden, dann werden sie teilweise bis auf unter 40 Prozentvolumen runterverdünnt. Manche mögen es aber auch alkoholischer, denn Alkohol ist ein Geschmacksträger. Was für den Koch das Salz in der Suppe ist, ist für uns Schnapsbrenner der Alkohol.

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Sie haben bei den Tastings, die Sie in Ihrer Brennerei anbieten, wahrscheinlich schon unzählige Sorten verkostet. Haben Sie einen Favoriten? Gibt es einen Whisky, den Sie besonders gerne trinken?

Im Sommer bevorzuge ich Weizenwhiskys – die Temperaturen sind etwas höher, das Produkt etwas leichter. Im Winter, wenn es regnet oder draußen Schnee liegt, darf es für mich auch gerne ein getorfter Whisky sein – ganz nach dem Klischee mit dem Kamin und dem Whisky davor. Sehr gut schmeckt mir der Whisky, den mein Vater gemacht hat, das war 1977. Damals fing die Geschichte des deutschen Whiskys so richtig an. Mein Vater wollte einen klassischen Single Malt brennen, durfte in Deutschland aber aus monopolrechtlichen Gründen nur aus Roggen und Weizen brennen und nur 15 Prozent Malz für die Verzuckerung einsetzen. Vielleicht mag ich den Whisky auch so gern, weil er zu meiner Familiengeschichte gehört.

Frau Habbel, vielen Dank für das Gespräch.

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