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Jesper Juuls fünf Grundsteine für die Familie


Guru für verunsicherte Eltern
Jesper Juuls fünf Grundsteine für die Familie

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

19.10.2015Lesedauer: 4 Min.
Jesper Juul kennt die Sorgen von Eltern.Vergrößern des BildesJesper Juul kennt die Sorgen von Eltern. (Quelle: Rainer Unkel/imago-images-bilder)
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Für den renommierten dänischen Familientherapeuten Jesper Juul bedeutet Erziehung vor allem Beziehung. In seinem aktuellen Buch fasst er zusammen, auf welche fünf Grundsteine sich dieses pädagogische Schlüsselwort stützt und wie Familienleben funktionieren kann.

Erziehung, so scheint es, ist heute ein gefährliches und hindernisreiches Terrain, auf dem Mütter und Väter nur Fehler machen können. Wo früher Einigkeit darüber herrschte, was richtig und was falsch ist, dominieren heute Orientierungslosigkeit und Unsicherheit in einer Vielzahl unterschiedlicher Erziehungsmethoden.

Pädagogischer Guru für verunsicherte Eltern

Einer, der Eltern seit Jahrzehnten wegweisende Hilfen gibt, ist der dänische Familientherapeut Jesper Juul, der auch Gründer des Netzwerkes Familylab International ist. Seine Ansichten sind äußerst populär, sie kommen bei Eltern an, weil sie Halt geben. Deshalb sind die Vorträge des 64-Jährigen stets ausgebucht und seine Ratgeber Bestseller.

Das Juulsche Credo lässt sich nun in seinem neuesten Werk "5 Grundsteine für die Familie - Wie Erziehung funktioniert", auf 150 Seiten in kompakter Form studieren. Hier schildert der Erziehungsexperte ohne dogmatischen Anspruch seine wichtigsten Thesen, die die Basis für ein gelungenes Familienleben ausmachen und aufzeigen, wie Erziehung funktionieren kann - angereichert mit vielen Beispielen aus dem Therapeutenalltag und Gesprächen zwischen Eltern und Kindern.

Die Grundsteine der gleichwürdigen Erziehung

Unterteilt sind die pädagogischen Erkenntnisse, die Juul bereits in früheren Publikationen und Vorträgen thematisierte, in fünf Schwerpunkte. Dabei erklärt der Autor in einzelnen Kapiteln, was es etwa mit Kooperation und Integrität auf sich hat, was Selbstgefühl und Selbstvertrauen ausmacht, welche Rolle persönliche Verantwortung im Familienleben spielt und wie Väter und Mütter lernen können, Nein zu sagen.

Zu guter Letzt veranschaulicht Juul, wie Eltern Leuchttürme für ihre Kinder sein können. All diese Aspekte ergeben die Säulen für ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander in der Familie.

Bei der Philosophie des Therapeuten schwingt auch immer der zentrale Begriff der Gleichwürdigkeit mit. Damit ist gemeint, dass Kinder genauso wie Erwachsene ernst genommen und ihre Grenzen und Integrität respektiert werden müssen. Mit diesem Gefühl, eine Persönlichkeit zu sein, kooperierten Kinder viel lieber, so Juul, weil sie um alles in der Welt ihre Eltern glücklich machen wollten.

Konflikte kommunikativ und konstruktiv lösen

Seinem Nachwuchs auf Augenhöhe zu begegnen, das betont Juul immer wieder, bedeute aber nicht, dass Mütter und Väter kein Einfluss mehr hätten, keine Entscheidungen mehr treffen dürften und alles machen müssten, was das Kind will. Es bedeutet vielmehr, Dinge innerhalb der Familie möglichst kommunikativ zu lösen. Dabei setzt der Experte bei Konflikten auf das Prinzip: "Mehr Entspannung, mehr Dialog, weniger Machtkampf".

Kinder bräuchten keine bestimmende Erziehung, sondern eher Erklärung - also eine verantwortungsvolle Begleitung durch die Eltern, die Auseinandersetzungen nicht vermeiden, sondern sie konstruktiv lösen. "Beim Suchen von Lösungen können die Kinder einbezogen werden, indem man ihnen die verschiedenen Bedürfnisse aufzeigt und sie fragt, ob sie einen Lösungsvorschlag hätten." Mit dieser Methode lerne der Nachwuchs nicht nur das Grundprinzip der Demokratie, sondern könne auch eigne Erfahrungen machen. Das fördere das Selbstgefühl beziehungsweise das Selbstwertgefühl.

Eltern müssen wie Leuchttürme sein

Am plakativsten zeigt sich Juuls Sicht der elterlichen Führungsrolle an seinem Bild des Leuchtturms. Im Gegensatz zu Helikopter-Eltern schweben Leuchtturm-Eltern nicht kontrollierend über ihren Sprösslingen. Vielmehr geben sie Sicherheit, trauen ihren Kindern aber auch Verantwortung zu, indem sie von einem festen Standpunkt aus ihren herumschwirrenden Sprösslingen regelmäßig Signale und Botschaften senden.

Zu dieser Leuchtturmperspektive gehört auch, dass Kinder, die langsam ins Leben hineinwachsen, innerhalb einer Familiengemeinschaft nicht immer uneingeschränkt im Mittelpunkt stehen sollten, betont Juul in seiner Analyse. Innerhalb einer gleichwürdigen Familie müssten stets die Interessen und Wünsche aller berücksichtigt werden. Eltern bräuchten deshalb nicht permanent als Spielpartner oder Animateur zur Verfügung zu stehen.

Keine Angst vor ungeschminkter Ehrlichkeit

Voraussetzung für eine funktionierende Erziehung sei, eine Kultur der Offenheit zu pflegen, in der Authentizität und Ehrlichkeit zählten. "Eltern sollten ihre eigenen Grenzen äußern, statt Grenzen für ihre Kinder zu finden. Und sie müssen aufhören eine Rolle zu spielen. Häufig lösen sich Problem zwischen Kindern und Eltern dann auf." Mit dieser Rolle meint Juul die gesellschaftliche Erwartungshaltung, dass Mütter und Väter immer freundlich, verständnisvoll und perfekt sein müssen.

Nein sagen will gelernt sein

Kein Wunder also, dass es verunsicherten Eltern heute schwer fällt, ihren Kindern gegenüber ein deutliches Nein auszusprechen. Doch auch in diesem Punkt bietet Jesper Juul Hilfe. In seinem auf Toleranz und Verständnis basierenden pädagogischen Gefüge schließt er ein Nein, das ja auch immer Ausdruck eines gesunden Konflikts sei, ausdrücklich nicht aus.

Eltern dürften Nein nur nicht als entwürdigendes, bestrafendes Machtwort einsetzen - etwa um Diskussion zu stoppen und ihre Ruhe zu haben, sondern als Teil einer elterlichen Erklärung. "Ich sage nicht Nein zum Kind, weil es eine Frage stellt oder die Frage mir nicht passt. Manchmal muss ich zu Menschen, die ich liebe, Nein sagen, weil ich zu mir selbst Ja sagen muss."

Kinder einbeziehen, statt Macht auszuüben

Die Essenz von Juuls pädagogischen Erkenntnissen ist, dass Erziehung keine einseitige Angelegenheit von Eltern ist. Damit Familienleben besser funktionieren kann, rät der Däne zu Dialog statt Strafe, zu Einbeziehung statt Machtausübung sowie zu Interesse statt Kontrolle.

Und er gibt orientierungssuchenden Eltern mit auf den Weg, keine Scheu zu haben, Schwächen und Unsicherheiten offen zu zeigen. So könne es Eltern gelingen, ihren Nachwuchs für das Leben zu trainieren und sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren.

Literaturtipp: Jesper Juul, "5 Grundsteine für die Familie - wie Erziehung funktioniert", Kösel Verlag, 2015

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