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Totgeburt: Kampf für Umgang mit Sternenkindern gewonnen


Neues Gesetz
Kampf für würdigen Umgang mit "Sternenkindern" gewonnen

dpa, Sandra Trauner und Ira Schaible

Aktualisiert am 01.02.2013Lesedauer: 4 Min.
Mario und Barbara Martin kämpften mit Erfolg für eine Gesetzesänderung.Vergrößern des BildesMario und Barbara Martin kämpften mit Erfolg für eine Gesetzesänderung. (Quelle: dpa-bilder)
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Wiegt ein tot geborenes Baby unter 500 Gramm, galt es bislang nicht als Mensch, sondern als Abfall. Es wurde dem Standesamt nicht angezeigt, musste nicht einmal bestattet werden. Das Ehepaar Martin aus Hessen konnte das nicht ertragen und kämpfte für eine Gesetzesänderung - mit Erfolg. Am 31. Januar hat der Bundestag eine Änderung des Personenstandsrechts beschlossen. Nun dürfen Eltern die so genannten Sternenkinder beim Standesamt eintragen und auch richtig bestatten lassen.

Das Paar hat drei Kinder verloren

Wäre das Schicksal nicht so grausam zu Barbara und Mario Martin gewesen, wäre das Ehepaar jetzt eine fünfköpfige Familie. Drei Kinder hat das Paar verloren - während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder wenige Stunden danach. Zwei Jungen und ein Mädchen, von denen es - juristisch gesehen - zwei nie gab. Denn sie wogen bei ihrem Tod weniger als 500 Gramm und waren: Nichts? Ein Ding? Klinikmüll?

"Ein Menschenleben darf doch nicht nach Gramm definiert werden"

Barbara Martin weiß bis heute nicht, was ihre drei Kinder eigentlich waren für die Mühlen der deutschen Bürokratie. "Ein Menschenleben darf doch nicht nach Gramm definiert werden", sagt die 36-Jährige, die zusammen mit ihrem zwei Jahre älteren Mann einen Friseursalon im hessischen Kreis Limburg betreibt. Seit Jahren kämpfen sie für einen würdigen Umgang mit diesen "Sternenkindern".

Auf der Gedenkseite, die die Martins im Internet für ihre toten Kinder eingerichtet haben, schildern sie schmerzhaft offen ihr dreifaches Leid. "Es ist grausam. Warum trifft es uns, so oft, so spät und so grausam?", notieren Sie über den Tag, als sie zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein totes Kind im Arm hielten.

Joseph-Lennard lebte nur drei Stunden

Joseph-Lennard kam im November 2007 in Wiesbaden zur Welt, im siebten Schwangerschaftsmonat. Er wog weniger als 500 Gramm und lebte nur drei Stunden. Im folgenden Jahr erwarteten die Martins Zwillinge. Im September 2008 starb zuerst Tamino-Federico in der 21. Schwangerschaftswoche im Bauch seiner Mutter, er wog 290 Gramm. Seine Schwester Penelope-Wolke hielt drei Wochen länger durch. Sie wurde im Oktober 2008 geboren, 500 Gramm schwer. Sie lebte nur wenige Minuten.

Bislang existierten solche Kinder offiziell nicht

Offiziell wurden die Martins aber nicht dreimal, sondern nur einmal Eltern. Schuld ist Paragraph 31 des Personenstandsgesetzes. Darin war bislang festgelegt, dass Fehlgeburten ohne Lebenszeichen oder mit einem Gewicht unter 500 Gramm nicht beurkundet werden.

"Für uns waren diese Kinder real. Sie haben verdient, als wirkliche Kinder anerkannt zu werden und einen Platz nicht nur in unserem Herzen, sondern auch in unserem Stammbuch einzunehmen", begründen die Martins ihr Anliegen. "Unsere Kinder sind geboren - aber offiziell nicht existent. Das macht uns und auch andere 'Sterneneltern' unendlich traurig."

"Jetzt hat der Tod unserer Kinder doch einen Sinn"

Das Paar sammelte Unterschriften für eine Petition; 40.000 Menschen haben sie unterschrieben. Bei Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) stießen sie auf offene Ohren. Schon im Mai 2012 hatte die Bundesregierung die entsprechende Änderung der Personenstandsverordnung beschlossen. Nun hat der Bundestag zugestimmt.

Barbara und Mario Martin haben ihr Ziel erreicht. Bei der entscheidenden Abstimmung am 31. Januar wollten sie unbedingt dabei sein. "Jetzt hat der Tod unserer Kinder doch einen Sinn", sagte Barbara Martin, nachdem ihr die Bundesfamilienministerin die erste Blanko-Urkunde für "Sternenkinder" überreicht hatte. "Sternenkinder-Eltern werden es in Zukunft nicht mehr so schwer mit der Bürokratie haben", freute sich Martin.

Diese Gesetzesänderung sei "vor allem eine Frage der Menschlichkeit", betonte Ministerin Schröder. "Ich bin sehr froh, dass wir jetzt eine Regelung finden konnten, die endlich einen würdigen Umgang mit diesen 'Sternenkindern' ermöglicht."

Nicht mehr Fehlgeburt, sondern Person

Ab jetzt haben Eltern das Recht, ihr tot geborenes Kind beim Standesamt mit Namen, Geschlecht und Geburtstag anzumelden, auch wenn es weniger als 500 Gramm gewogen hat. Sie können ihm damit offiziell eine Existenz geben und erhalten einen Raum, um Abschied zu nehmen und als Familien wahrgenommen zu werden. Es gibt keine Beschränkung hinsichtlich Gewicht oder Anzahl der Schwangerschaftswochen. "Jetzt sind sie keine Sache mehr und keine Fehlgeburt, sondern eine Person mit allen Rechten", sagte Martin.

Neues Gesetz für "Sternenkinder" gilt auch rückwirkend

Bemerkenswert ist zudem, dass die neue Regelung es ermöglicht, Totgeborene auch rückwirkend beim Standesamt eintragen zu lassen. "Damit haben wir nicht gerechnet", freute sich Martin. So gilt die Regelung auch für ihre eigenen Kinder Joseph-Lennard, Tamino-Federico und Penelope-Wolke.

Totgeburt oder Fehlgeburt - das bedeuten die Begriffe

Stirbt ein Kind vor oder während der Geburt, wird rechtlich unterschieden zwischen Totgeburt und Fehlgeburt. Um eine Lebendgeburt handelt es sich laut Personenstandsgesetz, wenn eines von drei Kriterien erfüllt ist: Wenn das Herz des Kindes schlägt, wenn die Nabelschnur pulsiert oder wenn die Eigenatmung des Kindes einsetzt.

Trifft keines dieser drei Merkmale zu, handelt es sich um eine Totgeburt oder eine Fehlgeburt. Die Unterscheidung zwischen beidem trifft der Gesetzgeber nach Gewicht: Wiegt das Kind mehr als 500 Gramm, gilt es im Sinne des Gesetzes als "tot geborenes" oder "bei der Geburt verstorbenes" Kind, also als Totgeburt. Wiegt es weniger als 500 Gramm galt es bisher als Fehlgeburten und wurde beim Standesamt nicht erfasst. Schätzungen zufolge gibt es pro Jahr rund 1500 solcher Babys. Sie alle haben jetzt das Recht auf einen Namen und ein Grab.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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