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So schön radelt es sich in der Schweiz des Nordens


Radtour wie im Märchen
So schön radelt es sich in der Schweiz des Nordens

dpa-tmn, Dörte Nohrden

16.08.2021Lesedauer: 5 Min.
Blick vom Schlossberg in Plön: Die Bezeichnung "Holsteinische Schweiz" geht auf einen findigen Geschäftsmann im 19. Jahrhundert zurück.Vergrößern des BildesBlick vom Schlossberg in Plön: Die Bezeichnung "Holsteinische Schweiz" geht auf einen findigen Geschäftsmann im 19. Jahrhundert zurück. (Quelle: Dörte Nohrden/dpa-tmn-bilder)
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Mit tiefblauen Seen und duftenden Wäldern lockt die Natur in der Holsteinischen Schweiz. Auf der Radstrecke liegen nicht nur herrliche Aussichten und ein strahlendes Schloss, sondern auch eine echte Berühmtheit.

Erste Gipfelgefühle locken schon zwei Kilometer nach dem Startpunkt. Unweit des Luftkurortes Bad Malente-Gremsmühlen geht es 147 Stufen hinauf. Der kleine Abstecher zur Aussichtsplattform des 30 Meter hohen Holzbergturms lohnt: Der Rundumblick schweift über tiefblaue Gewässer, gerahmt von hügeligen Äckern, Wiesen und Wäldern. Die Ostsee schimmert am Horizont.

Der Holzbergturm thront auf einem Hügel inmitten der Holsteinischen Schweiz, einer eiszeitlich geschaffenen Moränenlandschaft, durchzogen von Auen und gespickt mit mehr als 150 Seen. So bietet dieser Ausguck eine perfekte Vorschau auf die Strecke, die es heute zu radeln gilt: die Fünf-Seen-Rundtour von Malente nach Plön und zurück.

Findiger Geschäftsmann erfand die "Schweiz" des Nordens

Dass der vermeintlich platte Norden den Beinamen Schweiz trägt, ist einem umtriebigen Geschäftsmann zu verdanken: Johannes Janus. Der erkannte das Potenzial der lieblichen Plöner Seenlandschaft bereits am Ende des 19. Jahrhunderts. Janus war es auch, der die ersten Landungsstege, Aussichtspunkte und Ausflugsdampfer am Kellersee realisierte. Schließlich verpasste er nicht nur seinem Hotel den Namen Holsteinische Schweiz, sondern auch einer Bahnstation.

Vor allem unter wohlhabenden Gästen aus Hamburg sprach sich die grün-blaue Oase schnell herum. Auch wenn das historische Hotel nicht mehr existiert: Die Holsteinische Schweiz ist geblieben. Ein Versprechen, das die Sehnsucht nach Seen und Wäldern nährt. Und Radlern wie Wanderern mehr als ein plattes, nordisches Einerlei beschert.

Höchster Berg so hoch wie ein Wolkenkratzer

Immerhin: Der Bungsberg in Ostholstein, gewissermaßen Schleswig-Holsteins "Zugspitze", ragt zumindest genauso hoch empor wie das höchste Bürogebäude der Schweiz: 168 Meter. Damit ist er ein beliebter Rodelberg. Doch daran ist heute nicht zu denken. Schon am Vormittag klettert das Thermometer auf 30 Grad. Es wäre geradewegs verlockend, gleich hier, unter dem schattigen Dach des Holzbergturms, die Picknickdecke auszubreiten. Doch zu groß ist die Radellust.

Die Route führt auf herrliche Wald- und Wiesenwege. Und die Neugier führt zum historischen Plöner Schloss, zur Prinzeninsel und zur romantischen Krönung der Tour im Dodauer Forst: die Bräutigamseiche.

Also zurück in den Sattel geschwungen. Auf hügeligen Sandwegen geht es nördlich des Dieksees geschmeidig auf und ab. Wie sanfte Wellen heben und senken sich goldgelbe Getreideäcker und abgemähte Stoppelfelder, getrennt durch Knicks und Baumreihen. Bisweilen kommen fast toskanische Eindrücke auf.

Bald säumt mannshoher Raps die Feldwege. Immer wieder glitzert das nahe Blau der Seen, bis ein Pfad kurz vor der Kreisstadt Plön direkt am Ufer des Schöhsees unter einem kühlenden Blätterdach entlangführt. Eine Wohltat an diesem heißen Sommertag. Und der perfekte Zwischenstopp für ein erfrischendes Fußbad im glasklaren Gewässer. So viel Zeit muss sein.

Prunkstück der Region: das Plöner Schloss

Anmutig auf einem Hügel gelegen, glänzt das Prunkstück der Region schon bald in der Ferne: das strahlend weiße Plöner Schloss.

"Dieses Haus verströmt 400 Jahre Geschichte und hat ganz unterschiedliche Epochen miterlebt", erklärt Lars Hellberg auf einer Führung durch das Gebäude. Vom Gartensaal geht es in den Rittersaal, von prunkvollen Gemächern mit kunstvollen Stuckdecken und Fayenceöfen bis hinunter in die historische Kapelle.

Einst war das Schloss die Sommerresidenz des dänischen Königs Christian VIII., später in preußischen Zeiten wurde es zur Kadettenanstalt. Nach dem Zweiten Weltkrieg büffelten hier Schülerinnen und Schüler. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang diente das Schloss als staatliches Internat.

Augenoptiker und Hochzeitspaare unter einem Dach

Über Mathehausaufgaben wird im Schloss nicht mehr gebrütet, eine Lehranstalt ist es dennoch geblieben. "Hier ist heute die Fielmann-Akademie untergebracht, wir bilden hier unsere Augenoptiker weiter", erzählt Geschäftsführer Hellberg. Vier Jahre sei das Gebäude umgebaut und aufwendig restauriert worden. "So konnten wir dem Schloss seinen alten Glanz und der Kapelle ihre historischen Wandmalereien zurückgeben. Heute dürfen sich Paare darin sogar das Jawort geben."

Wer hinaus auf den Schlosshof tritt, darf eine wundervolle Aussicht genießen: Von der baumumsäumten Balustrade wandert der Blick über die Dächer der Plöner Altstadt, den Turm der St. Nikolaikirche und weit hinaus über den Großen Plöner See, gerahmt von Wald und Grün.

Holsteinische Schweiz
Reiseziel: Die Holsteinische Schweiz liegt im östlichen Schleswig-Holstein unweit der Ostsee zwischen Lübeck und Kiel.
Anreise: Malente-Gremsmühlen und Plön als Startpunkte der Fünf-Seen-Radtour sind mit der Bahn über Lübeck oder Kiel einfach erreichbar. Die Fahrradmitnahme ist möglich.
Leihfahrräder: Gegenüber des Bahnhofs Malente-Gremsmühlen können bei der Tourist Information Fahrräder reserviert werden, auch E-Bikes. Wahlweise geht das auch direkt beim fußläufigen Fachgeschäft Wöllert.
Liebespost: Wer statt digitaler Post lieber Briefe verfasst, richtet seine Kontaktanzeige an: Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin.
Besichtigungen Schloss Plön: Mittwochs, donnerstags, samstags und sonntags bietet die Fielmann-Akademie kostenlose Führungen durch das Schloss an. Unbedingt vorher anmelden.

Wald und Wasser auf der Prinzeninsel

Wo das Schloss steht, ist auch die Prinzeninsel nicht weit. Ihren Namen erhielt sie durch die sechs Söhne Kaiser Wilhelms II. Über den Schlossgarten führt ein Sandweg hinab auf die rund anderthalb Kilometer in den See hineinragende Halbinsel.

Uralte Hainbuchen und Stieleichen streben ins nordische Himmelblau. Eine Wonne ist es, durch den würzig duftenden, Schatten spendenden Wald zu radeln, während links und rechts das Wasser funkelt. In der Ferne schiebt eine Brise weiße Segel über den Plöner See.

Vorbei am Badestrand geht es entlang der Seeufer wieder zurück in Richtung Malente, zum wohl geschichtsträchtigsten Baum weit und breit, der 500-jährigen Bräutigamseiche. Seit fast 100 Jahren trägt sie eine eigene Postanschrift. Noch länger ist es her, dass ein junges Paar unter ihrem Blätterdach Hochzeit feierte.

Romantik pur: Liebesbriefe im Baum

Die Geschichte geht so: Weil der Eutiner Oberforstmeister seiner Tochter den Umgang mit einem Leipziger Schokoladenfabrikanten verbot, tauschte das Pärchen seine Liebesbotschaften heimlich über ein Astloch dieses Eichbaums aus. So lange, bis schließlich auch der strenge Vater einer Vermählung zustimmte. Das war im Jahr 1891. Über Kurgäste verbreitete sich das Happy End im ganzen Land, was dem knorrigen Baumriesen den Spitznamen Bräutigamseiche einbrachte.

"Die Eiche ist Romantik pur", sagt Karl Heinz Martens, der 20 Jahre lang der zuständige Postbote für die Eiche war. Menschen aus aller Welt schicken bis heute Kontaktgesuche an diesen Baum. "Hier gilt das Briefgeheimnis nicht", sagt der 77-Jährige. "Jeder Besucher darf die Leiter hinauf klettern, die Briefe aus dem Astloch nehmen, sie lesen oder mitnehmen und beantworten."

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Er selbst habe die Post nur gelesen, wenn sie direkt an ihn gerichtet war, sagt Martens. Aber so fand auch er über den Baum seine große Liebe. "Sie sah mich im Fernsehen in einem Bericht über die Eiche und schrieb mir dann direkt", erinnert sich Martens. Kurze Zeit später waren die Beiden verheiratet. Und damit ist Martens nicht allein: Mehr als 100 Ehen seien über diese Eiche bereits vermittelt worden.

Grüne Weltberühmtheit

Auch am heutigen Tag ist das Astloch gut gefüllt. Partnergesuche, selbst gemalte Bilder und freundliche Botschaften aus Deutschland, Großbritannien und den USA füllen die kleine Baumhöhle.

"Es ist einfach toll, die Leute setzen sich mit einer Thermoskanne Tee auf die Bank, lesen die Briefe und Eichhörnchen flitzen an ihnen vorbei", erzählt Martens. Mittlerweile ist die Eiche weltbekannt. Japanische und italienische Foto- und Fernsehteams seien schon da gewesen. Auch amerikanische Zeitungen berichteten über den Ort.

Nur eines mag Martens nach Jahrzehnten als schwer beladener Postbote nicht mehr: Radfahren. "Sie können mir das schönste Rad vor die Nase stellen, meinetwegen auch ein E-Bike, aber ich kann kein Rad mehr sehen", sagt der Eutiner und lacht. Schade, denn die letzten Kilometer durch den Dodauer Forst zurück auf Start sind purer Genuss.

In Malente wartet eine letzte Belohnung dieser Tour: ein Sprung in den erfrischenden Dieksee. Das ist besser als jede Dusche.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa-tmn
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