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"Armutszeugnis": Die CDU-Vorsitzkandidaten und die Klimakrise


"Armutszeugnis"
Keiner der CDU-Kandidaten hat einen Plan für die Klimakrise

MeinungEin Gastbeitrag von Nick Heubeck

08.01.2021Lesedauer: 4 Min.
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Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet: Einer von ihnen wird der neue Vorsitzende der CDU.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet: Einer von ihnen wird der neue Vorsitzende der CDU. (Quelle: Bernd von Jutrczenka - Pool/Getty Images)

Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen stellen sich im Rennen um den CDU-Parteivorsitz online den Fragen der Parteimitglieder. Ob da auch die Klimakrise zur Sprache kommt? Bislang blieben sie bei dem Thema herzlich unkonkret, kommentiert Nick Heubeck im Gastbeitrag für t-online.

Nach fast einem Jahr als Kandidaten wird beim digitalen Parteitag der CDU am dritten Januarwochenende einer der drei Politiker zum neuen Vorsitzenden der parlamentarisch größten Partei Deutschlands gewählt. Friedrich Merz, Armin Laschet oder Norbert Röttgen – ambitionierte Vorstellungen zur Bekämpfung der Klimakrise hat bisher keiner angeführt. Ein großes Problem, meint Nick Heubeck von Fridays for Future im Gastbeitrag.

Seit elf Monaten stehen die drei Kandidaten Norbert Röttgen, Armin Laschet und Friedrich Merz für die Wahl zum CDU-Vorsitz fest. Ein knappes Jahr, in dem sie ausreichend Gelegenheit hatten, sich zu den wichtigsten Themen des Wahlkampfs zu äußern. Merken werden wir uns davon vor allem die rhetorischen Totalausfälle. Da war der Merz'sche Vorwurf, die Parteispitze plane einen Komplott gegen ihn, weil sie den Parteitag wegen der Gesundheitsvorkehrungen nach hinten schob. Im Sommer davor gab Laschet die Verantwortung für die steigende Zahl der Corona-Fälle "Rumänen und Bulgaren", die nach einigen Wochen bei ihren Familien unter katastrophalen Bedingungen als Billiglohnarbeiter unsere Ernte einholten. Zumindest Letzterer ruderte anschließend halbwegs glaubhaft zurück.

Kein Kandidat hat einen Plan

Bei so gut wie allen wichtigen inhaltlichen Fragen schlug allerdings keiner der drei Kandidaten ausreichende Maßnahmen vor. Nirgendwo wurde das so deutlich wie bei der Klimakrise, die trotz der Pandemie auch im vergangenen Jahr bei Wahlen das wichtigste Thema für die Deutschen war. Die Katastrophen, die die Klimakrise weltweit mit sich bringt, sind inzwischen fest in jedem Jahresrückblick verankert. Inmitten dieser Situation sucht die parlamentarisch größte Partei Deutschlands einen neuen Vorsitzenden. Doch eine Woche vor der Wahl hat kein Kandidat einen Plan, wie wir die größten wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche seit Jahrzehnten, die die Abkehr unserer fossilen Lebensweise mitbringt, angehen sollen. Sollten Sie mal jemandem das Wort "Armutszeugnis" umschreiben müssen, hier ist Ihr Erklärbeispiel.

Die gestiegene Aufmerksamkeit für das Thema sorgte dafür, dass keiner der Kandidaten im vergangenen Jahr ganz drumherum kam, die Herausforderungen der Klimakrise wenigstens anzusprechen. Am medienwirksamsten tat das Friedrich Merz: Dessen Äußerungen rangierten von peinlichem Greta-Bashing ("Auf der einen Seite ist das Mädchen bewundernswert, aber auf der anderen Seite ist sie krank") bis hin zu Warnungen über angebliche Umsturzphantasien derer, die von der Regierung die Erfüllung internationaler Verpflichtungen einfordern. Dass der ehemalige BlackRock-Aufsichtsrat den Unterschied zwischen "Umwelt" und "Klima" bis heute nicht kennt, bringt seine klimapolitische Kompetenz sicher auf den Punkt.

Nick Heubeck ist 22 Jahre alt und studiert Kommunikation und Politik in Bamberg. Er ist seit Anfang 2019 bei Fridays for Future aktiv und dort für Strategie und digitale Kommunikation verantwortlich.

Doch auch Armin Laschet und Norbert Röttgen wollten bisher keinen Plan vorlegen, wie die Emissionen in den kommenden Jahren gesenkt werden sollen, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch zu verhindern. Zur Erinnerung: Dafür müssten diese jährlich in etwa so stark fallen, wie in Folge der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr. Stattdessen droht der deutsche CO2-Ausstoß allerdings gerade sogar wieder zu steigen, weil ein Großteil der Gelder im Rahmen der Konjunkturpakete in Kohle, Öl und Gas fließt und die Regierungsparteien nachhaltige Investitionen damit weiter blockieren.

Es gibt noch eine Menge Nachholbedarf

Dass bisher keiner der drei Kandidaten im Klimaschutz konkret werden musste, ist ohne das Versagen deutscher Medien nicht zu erklären. Im vergangenen Jahr verkündeten einige Redaktionen, die Klimakrise zur Priorität zu machen und versprachen, wissenschaftsferne Berichterstattung zu beenden. Die lasche Begleitung des CDU-Vorsitzes zeigt aber, wie viel Nachholbedarf es hier noch gibt. Zu keinem Zeitpunkt setzten sich große Medienhäuser kritisch genug mit den Vorhaben der Kandidaten auseinander, durchleuchteten ihre bisherige klimapolitische Bilanz ausreichend oder drängten sie dazu, ihre Phrasen zu konkretisieren. Bis heute wissen wir nicht, wie Norbert Röttgens Vorstellungen einer "transatlantischen Klimaaußenpolitik" die deutschen Emissionen kurzfristig senken sollen oder welche marktwirtschaftlichen Instrumente Friedrich Merz unterstützt. Und wie die CDU die Klimaziele einhalten möchte, wenn sie mit Armin Laschet einen der Hauptarchitekten des Kohlegesetzes zum Chef wählt, dessen Folgen eben das unmöglich machen, bleibt auch offen.

Stattdessen gab sich der Großteil der Redakteurinnen und Redakteure mit Absichtsbekundungen zufrieden und stürzte sich in ihrer Berichterstattung auf rhetorische Attacken gegen konstruktive Vorschläge. Nun zeigt uns die Erfahrung aber, dass Emissionen nicht nur dadurch sinken, weil ein Kandidat im Gastbeitrag dreimal das Wort "Klima" (oder im Falle von Merz dann eben "Umwelt") in die Tastatur tippt und anmahnt, das Ganze europäisch lösen zu wollen. Inhaltlich ist die Debatte im Vorfeld der aktuellen Wahl beim Thema Klimaschutz nicht weiter als zu dem Zeitpunkt, als die meisten der heutigen Klimaaktivistinnen gerade im Kindergarten waren. Was fehlt, ist eine breite kritische Medienlandschaft, die diese Versäumnisse schonungslos aufdeckt.

So liegt es heute Abend an der CDU-eigenen Vorsitzendendebatte, die Klima-Pläne der Kandidaten herauszufinden. Sollten die Antworten auch diesmal ausbleiben, haben die Journalistinnen noch eine Woche Zeit, um kritische Fragen nachzuholen. Nicht nur im Interesse der CDU-Wählerinnen ist es unerlässlich, dass sie diese Zeit auch nutzen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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