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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Chodorkowski im Porträt Vom reichsten Russen zum prominentesten Gefangenen

Zehn Jahre lang saß der einst reichste Mann Russlands im Gefängnis. Am 25. Oktober 2003 stürmten vermummte Einsatzkräfte auf einem sibirischen Flughafen den Privatjet des Ölmagnaten Michail Chodorkowski. Der offizielle Vorwurf: Steuerhinterziehung. Nun ordnete Präsident Wladimir Putin überraschend die Freilassung des berühmten Häftlings an.
Beobachter waren schon bei der Festnahme vor zehn Jahren überzeugt, dass tatsächlich andere Beweggründe hinter der Inhaftierung des Kreml-Kritikers standen. Mit Chodorkowskis Verurteilung und der Zerschlagung seines Ölkonzerns Jukos ließ Putin ein Exempel statuieren. Zugleich festigte er seine Macht und verstärkte die Kontrolle des Staates über den Energiesektor. Die lukrativsten Yukos-Vermögenswerte fielen an den staatlichen russischen Ölkonzern Rosneft.
Yukos-Chef besaß elf Milliarden Euro
Chodorkowski wurde im Jahr 2005 wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt. In einem zweiten Verfahren sprach ein Gericht den ehemaligen Jukos-Chef sowie seinen Geschäftspartner Platon Lebedew 2010 wegen Unterschlagung schuldig. Viele sahen in dem Urteil ein Instrument des Kremls, Chodorkowski so lange außer Gefecht zu setzen, bis Putin ein drittes Mal zum Präsidenten gewählt sein würde.
Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung belief sich das Vermögen des damals 40-jährigen Chodorkowski auf umgerechnet etwa elf Milliarden Euro, was ihn zum reichsten Mann Russlands machte. Das wäre er vielleicht heute noch, hätte er Putin nicht offen herausgefordert: Während dessen erster Amtszeit als Präsident finanzierte Chodorkowski nicht nur Oppositionsparteien, ihm wurde auch nachgesagt, selbst politische Ambitionen zu hegen.
"Ich fürchte, ich hätte mich erschossen"
Damit brach Chodorkowski eine Art stillschweigende Übereinkunft zwischen Kreml und Oligarchen: Die Regierung kümmert sich nicht um die teils fragwürdigen Umstände der Privatisierungen, die die Wirtschaftsmagnaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unglaublich reich gemacht hatten. Im Gegenzug halten sich diese aus der Politik heraus.
Obwohl in den Monaten vor Chodorkowskis Verhaftung der Druck auf den Jukos-Chef zunahm, waren die Ereignisse des 25. Oktober 2003 doch ein Schock für ihn und viele andere. Auf die Frage, was er getan hätte, wenn er schon damals gewusst hätte, dass er die nächsten zehn Jahre im Gefängnis sitzt, antwortete Chodorkowski in diesem Jahr in einem Interview: "Ich fürchte, ich hätte mich erschossen."