Brics-Treffen in Brasilien Darum fehlen Xi und Putin beim Gipfel der Schwellenländer in Rio

Sonntag startet der Gipfel der Brics-Staaten. Es geht um Klima und Gesundheit. Mehr aber noch um eine Strategie gegen Chinas Ziel, die Allianz allein gegen den Westen zu positionieren.
Zwei Absagen kamen schon vor dem Auftakt des BRICS-Gipfel am Sonntag. Chinas Staatschef Xi Jinping teilte per Tweet mit, nicht zum Treffen der Schwellenländer nach Brasilien zu reisen. Russlands Staatschef Wladimir Putin kann aufgrund eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auch nicht persönlich beim Gipfel sein.
Zwei zentrale Akteure fehlen, wenn am Sonntag das Treffen der wichtigsten Schwellenländer in Brasilien beginnt und mit ihnen eine chinesisch-russische Agenda: Brics ist die Abkürzung für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – gegründet 2006 als Vereinigung der aufstrebenden Wirtschaftsmächte umfasst, das Bündnis inzwischen elf Staaten und wird auch Brics+ genannt. Die Agenda aber blieb: ein Gegengewicht zu schaffen zur Gruppe der führenden Wirtschaftsnationen G7 - USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan.
Die Themen des Treffens in Rio und die inneren Spannungen der Allianz.
Die Agenda des Gipfels von Rio
Brasiliens linksgerichteter Präsident und Gastgeber des Gipfels, Luiz Inácio Lula da Silva, ist Gastgeber des Gipfels in Rio. Bei dem Treffen wollen die Brics-Staaten eine gemeinsame Position zu globalen Krisen finden. Die Staats- und Regierungschef von elf führenden Schwellenländern repräsentieren dabei fast die Hälfte der Weltbevölkerung sowie 40 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts. Es geht um konkrete Fragen wie Klimaschutz und Impfstoffversorgung. Aber auch um geopolitische Themen: Die Spannungen im Nahen Osten werden beim Gipfel voraussichtlich ebenso Thema sein wie die von US-Präsident Donald Trump für kommende Woche angekündigten Zoll-Entscheidungen.
Doch die Erwartungen sind gering. "Wir rechnen mit einem Gipfel mit einem vorsichtigen Ton", sagte die Expertin Marta Fernández von der Päpstlichen Katholischen Universität von Rio de Janeiro. China beispielsweise versuche "eine zurückhaltende Position in Bezug auf den Nahen Osten" einzunehmen. Wegen der Zollverhandlungen mit den USA sei China derzeit auch nicht an einer verschärften Konfrontation mit Washington interessiert, betonte Fernández.

Von Bric über Brics zu Brics+
2006 gründeten Brasilien, Russland, Indien und China den Verbund Bric. 2010 stieß Südafrika dazu. Ziel war eine bessere Koordinierung gegen die von den westlichen Industriestaaten dominierten internationalen Institutionen. Nach und nach weitete sich das Bündnis aus, zuletzt 2023 beim Gipfel in Südafrika wurden weitere Staaten aufgenommen, so wird die Gruppe auch als Brics+ bezeichnet. Zur Gruppe der Brics+ gehören neben Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika seit 2023 auch Ägypten, Äthiopien, Indonesien, der Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Die Brics-Staaten traten zuletzt ohnehin wenig geschlossen auf. Oliver Stuenkel, Professor für Internationale Beziehungen, glaubt, dass die Brics-Staaten keine gemeinsame Erklärung zum Krieg zwischen dem Iran und Israel sowie dem Einschreiten der USA herausgegeben haben, weil sie "auseinanderstrebende" Interessen hätten.
Die Interessenkonflikte
Die Gruppe der Brics-Staaten quält ein Interessenkonflikt. China und Russland geht es um mehr als um ein Bündnis des Globalen Südens. Sie zielen auf einen eigenen Machtblock gegen die US-Dominanz in der internationalen Politik.
Zuletzt spaltete vor zwei Jahren die Erweiterungsrunde das Bündnis. Demokratische Staaten wie Brasilien und Indien sahen die von Chinas Staatschef Xi Jinping forcierte Erweiterung eher skeptisch. Sie fürchteten um die Beschlussfähigkeit, mehr aber noch, dass China das Bündnis der Brics+ auf eine Ausrichtung gegen die USA fokussiert.
Die Berliner Stiftung "Wissenschaft und Politik" analysierte: "An der Erweiterungsfrage zeigt sich erneut die unterschiedliche Interessenlage der Brics-Mitglieder: China betrachtet eine Erweiterung zu Brics+ als Teil seiner Strategie zur Neugestaltung der internationalen Ordnung und wird dabei von Russland unterstützt."
Deshalb ist Xis Absage auch ein Signal gegen den Kurs von Brasiliens Präsident Lula, sich im Bündnis auf pragmatische Schritte, etwa zur Armutsbekämpfung, zu konzentrieren.
Brasiliens Machtanspruch
Brasilien nutzte den Doppelpack von Fußball-WM 2014 und Olympischen Spielen 2016 als "Coming Out Party" für seinen globalen Anspruch, wie Christopher Sabatini vom britischen Thinktank Chatham House festhielt. Von "Soft Power" und "Nation Branding" sprechen Fachleute wie Sabatini: Es geht um das Image einer Nation – auch um politische Ziele umzusetzen.
Insofern ist der Brics-Gipfel für Lula und Brasilien nur ein Zwischenschritt zwischen dem G20-Gipfel im Vorjahr und der UN-Klimakonferenz COP30 im November im Land.
Insofern ist der Gipfel von Rio ein Test für Lula und die brasilianische Diplomatie. "Kann die heterogene Brics+-Gruppe gemeinsam und konstruktiv Brasiliens demokratischen Multilateralismus, die Achtung des Völkerrechts und eine maßvolle Reform des internationalen Systems fördern?", umschreibt Sabatini die Herausforderung.
Es geht um die Stärke des Rechts oder das Recht des Stärken – sonst droht die neue Weltunordnung auch die Gruppe der Brics+-Staaten zu erfassen.
- Nachrichtenagentur AFP
- www.swp-berlin.org: Eine neue Entwicklungsphase der Brics
- www.chathamhouse.org: Brazil’s BRICS agenda may be hard to accomplish after the Iran–Israel war