TV-Duell in Großbritannien Dann macht der Herausforderer einen Fehler
Im ersten Fernsehduell vor der Parlamentswahl liefern sich Premier Sunak und Konkurrent Starmer eine hitzige Debatte. Doch der knappe Sieg dürfte dem Amtsinhaber kaum helfen.
Teilweise war kein Wort mehr zu verstehen. In ihrem ersten TV-Duell vor der britischen Parlamentswahl am 4. Juli haben sich Premierminister Rishi Sunak und sein Herausforderer Keir Starmer eine lautstarke Debatte geliefert.
Vor allem der konservative Regierungschef, der in Umfragen rund 20 Punkte zurückliegt, fiel seinem sozialdemokratischen Konkurrenten mehrfach ins Wort. ITV-Moderatorin Julie Etchingham hatte es schwer mit den beiden Kampfhähnen.
Tatsächlich gelangen Sunak mehrere Attacken gegen den Chef der Labour-Partei. In einer Blitz-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "YouGov" landete er einen hauchdünnen Punktsieg: 51 sahen den Premier als Gewinner, 49 Prozent den Oppositionsführer. Das dürfte zumindest ein wenig Balsam auf die konservative Seele sein, nachdem zuletzt alles eher auf eine historische Niederlage der Tory-Partei hingedeutet hatte.
Der Amtsinhaber steht enorm unter Druck
Die Stimmung im ITV-Studio in Salford bei Manchester wirkte angespannt. Immer wieder redete vor allem Sunak über seinen Herausforderer hinweg, Starmer rollte wiederholt mit den Augen und hob irritiert die Arme. Der Eindruck: Der ehemalige Investmentbanker Sunak und der frühere Chef der Strafverfolgungsbehörde können sich auch persönlich nicht leiden.
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Zumal ihn von Rechtsaußen die populistische Partei Reform UK um Brexit-Vorantreiber Nigel Farage immer stärker unter Druck setzt. Entsprechend aggressiv legte der 44-Jährige los. Auf Fragen aus dem Publikum ging Sunak kaum ein. Vielmehr behauptete er ein Dutzend Mal, Starmers Labour-Partei wolle die Steuerlast jedes Arbeitnehmerhaushalts um 2.000 britische Pfund (das sind umgerechnet etwa 2.348 Euro) im Jahr erhöhen.
Den Faktenchecks von BBC und der britischen Nachrichtenagentur PA hielt dieser Vorwurf nicht stand. Tatsächlich beruht die Summe auf einer Reihe von unbewiesenen Annahmen. Doch der Labour-Chef ließ die Behauptung nach Ansicht von Kommentatoren zu lange unwidersprochen im Raum stehen, bevor er sie schließlich als "Müll" zurückwies. Ein Fehler, der beim Publikum jedoch kaum Auswirkungen zu haben schien. In den sozialen Netzwerken war die Stimmung vor allem gegenüber Sunak äußerst kritisch.
Umfragen bieten kein gutes Bild für Sunak
Letzte Umfragen vor dem TV-Duell sahen ein verheerendes Ergebnis für die regierenden Konservativen von Sunak. Demnach könnten die "Tories" am 4. Juli mehr als 300 Parlamentssitze verlieren, die Labour-Partei hingegen fast ebenso viele Sitze dazugewinnen. Es wäre ein Erdrutschsieg für den Herausforderer Keir Starmer.
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Auch im TV-Duell wirkte es fast, als seien die Rollen bereits vertauscht. Der Amtsinhaber ging den Oppositionsführer an, als sei er der Premier. "Außer Steuern zu erhöhen und Ihre Renten zu rauben, weiß niemand, was Labour tatsächlich tun würde", sagte Sunak. Starmer verlange einen Blankoscheck und verschweige die wahren Kosten für seine Politik. "Ich habe einen klaren Plan für eine sicherere Zukunft für Sie und Ihre Familie."
Ein Pyrrhussieg für Sunak?
Mehrmals fragte Sunak Starmer nach konkreten Vorhaben, doch der Labour-Chef blieb vage. Dafür zeigte sich der 61-Jährige emphatischer und erhielt mehr Applaus. Er wisse aus seiner eigenen Jugend, wie es sei, wenn Rechnungen nicht bezahlt werden können und das Telefon abgeschaltet wird, berichtete Starmer.
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An einer Stelle ließ Starmer den Premierminister schlecht aussehen, als dieser eine etwas eigenwillige Rechnung bezüglich der Wartelisten des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) aufstellte. Diese seien deutlich reduziert worden, so Sunak. Starmer widersprach vehement. "Wie können sie reduziert worden sein, wenn sie vorher bei 7,2 Millionen [Menschen auf der Warteliste] lagen und jetzt bei 7,5 Millionen stehen?" Sunak setzte zu einer Verteidigung an, doch aus dem Publikum kam schallendes Gelächter. "Dieser Kerl beherrscht wohl keine Mathematik", ätzte Starmer.
Die Faktenchecker der BBC stützten Starmers Argumentation übrigens. Demnach sind die Wartelisten für die Gesundheitsversorgung in Großbritannien tatsächlich länger geworden, nicht kürzer, wie der Premier behauptete.
Sunak hätte einen krachenden Sieg benötigt
Die Labour-Strategie scheint simpel: Keine unhaltbaren Versprechen, keine Fehler und vor allem auf die Regierungszeit der Konservativen mit wechselnden Premierministern und zahlreichen Skandalen verweisen. "Entweder weiter mit dem Chaos und der Spaltung, die wir in den vergangenen 14 Jahren erlebt haben, oder wir schlagen eine neue Seite auf und starten einen Neuanfang mit Labour", sagte Starmer. Die Konservativen wiederzuwählen, bedeute, den Brandstiftern die Streichhölzer zurückzugeben.
Eine "heftige Debatte mit mehr Hitze als Licht" analysierte Sky-News-Korrespondentin Beth Rigby bei X. Letztlich habe der Ausgang des Duells ziemlich unentschieden gewirkt. Das wären dann eher schlechte Nachrichten für Sunak. Angesichts des gewaltigen Labour-Vorsprungs hätte der Premier einen krachenden Sieg gebraucht, schrieb Rigby.
- bbc.com: Taxes, NHS waiting lists and small boats - BBC Verify tests key claims (englisch)
- independent.com: Rishi Sunak booed as he blames NHS waiting lists on doctors strikes (englisch)
- guardian.com: NHS waiting lists falling but will stay above pre-Covid levels until 2030, IFS says (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa