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Russland: Geheimdienst FSB soll Gefängnisse kontrollieren – neue Gulags?


"Der Weg dorthin ist klar vorgezeichnet"
Russischer Geheimdienst soll erhebliche Macht bekommen


Aktualisiert am 17.07.2025 - 10:58 UhrLesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin: Nur die Unterschrift des Präsidenten fehlt noch, um die Befugnisse des FSB auszuweiten.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Nur die Unterschrift des Präsidenten fehlt noch, um die Befugnisse des FSB auszuweiten. (Quelle: Mikhail Sinitsyn/imago-images-bilder)
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Ab 2026 soll der russische Inlandsgeheimdienst die Kontrolle über verschiedene Haftanstalten erhalten. Beobachter befürchten die Einrichtung neuer "Gulags".

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB erhält aller Voraussicht nach die Kontrolle über sieben Untersuchungshaftanstalten zurück. Die russische Staatsduma beschloss am 8. Juli 2025 einen entsprechenden Gesetzentwurf. Die noch ausstehende Bestätigung des Gesetzes durch den Föderationsrat und die anschließende Unterschrift von Kremlchef Wladimir Putin gelten als Formalie.

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Die betreffenden Untersuchungshaftanstalten kommen demnach zum Jahreswechsel in den Geltungsbereich der Geheimpolizei, die aus dem früheren sowjetischen Geheimdienst KGB hervorgegangen ist. Russland dreht damit eine Reform zurück, die nach dem Zerfall der Sowjetunion zwar nur zögerlich umgesetzt worden, in den 1990er-Jahren jedoch eine zentrale Voraussetzung für die Aufnahme des Landes in den Europarat war.

Beobachter bezeichnen die künftigen FSB-Anstalten in Anlehnung an Arbeitslager in der Sowjetunion als "Gulag". Russische Abgeordnete hingegen begründen die Maßnahme mit dem Krieg in der Ukraine. Was also hat es mit den Gefängnissen der Geheimpolizei auf sich? Und warum beschließt das russische Parlament dieses Gesetz ausgerechnet jetzt?

Russland entzog dem FSB ab 1996 nur zögerlich die Kontrolle

Als Russland 1996 dem Europarat beitrat, schwor die Regierung unter Präsident Boris Jelzin, "das Gesetz über die föderalen Sicherheitsdienste zu überarbeiten, um es innerhalb eines Jahres nach dem Beitritt mit den Grundsätzen und Standards des Europarates in Einklang zu bringen". Ein zentraler Punkt dessen war, dem FSB das Recht zu entziehen, eigene Untersuchungshaftanstalten zu unterhalten.

Bis es tatsächlich zur Umsetzung der Forderung kam, dauerte es jedoch neun Jahre. Putin unterzeichnete 2005 ein entsprechendes Dekret, das die Kontrolle über die Gefängnisse offiziell dem Justizministerium überstellte. Der Kremlchef war selbst zwischen 1998 und 1999 Direktor des FSB. Der Geheimdienst gilt deshalb als Liebling des russischen Präsidenten unter den vielen Diensten des Landes.

Schon kurz nach Putins Dekret fanden jedoch die russischen Investigativjournalisten Andrei Soldatow und Irina Borogan heraus, dass die Maßnahme mehr Schein als Sein war. FSB-Agenten wurden ihren Recherchen zufolge anschließend lediglich "vorübergehend" in den Strafvollzug versetzt, blieben tatsächlich aber dem FSB unterstellt. Der Geheimdienst dementierte den Bericht nie, bestätigte ihn jedoch auch nicht. Soldatow und Borogan bezeichneten diesen Schachzug des Kreml als "klassische Desinformationsoperation".

Berüchtigtes Foltergefängnis Lefortowo mitten in Moskau

Insbesondere die Haftanstalt Lefortowo im Zentrum Moskaus stand weiterhin unter der verdeckten Kontrolle des FSB. So behielt etwa die Ermittlungsabteilung des FSB trotz des Dekrets von Putin dort ihren Sitz. Die Zentrale des Geheimdiensts liegt lediglich 15 Autominuten von der Anstalt entfernt. Lefortowo war schon zu Sowjetzeiten als Foltergefängnis bekannt und gefürchtet. Einer der bekanntesten Insassen der vergangenen Jahre war der US-Journalist Evan Gershkovich, der im August 2024 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freikam.

Nun soll der FSB mit der Anstalt Matrosskaja Tischina (zu Deutsch "Matrosenruhe", Anm. d. Redaktion) die Kontrolle über ein weiteres Gefängnis in Moskau erhalten. Hinzu kommen weitere Einrichtungen in Sankt Petersburg, Rostow am Don, Krasnodar, Tscheljabinsk und Wladikawkas. Jedes der sieben Gefängnisse stand schon zu Sowjetzeiten unter der Kontrolle des KGB.

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Die Abgeordneten, die den Gesetzesentwurf bereits seit Februar vorangetrieben hatten, begründeten den Vorstoß nun mit angeblich "gesteigerten Aktivitäten ausländischer Geheimdienste" sowie vermehrter "terroristischer Bedrohungen" infolge des Krieges in der Ukraine. Russland hatte das Nachbarland am 24. Februar 2022 überfallen.

FSB soll weitere Befugnisse erhalten

"Das Gesetz zielt darauf ab, zu verhindern, dass Verdächtige in Fällen der nationalen Sicherheit unerlaubte Kommunikation mit anderen Häftlingen aufnehmen", zitiert die "Moscow Times" Wassili Piskarew, den Vorsitzenden des Sicherheits- und Antikorruptionsausschusses der Duma. Piskarew, ein Mitverfasser des Gesetzentwurfs, sagte weiter: "Durch die Isolierung solcher Personen können die Behörden Versuche ausländischer Geheimdienste und terroristischer Gruppen unterbinden, Kontakt zu ihren Agenten aufzunehmen und sie in weitere destabilisierende Aktivitäten zu verwickeln."

Mit dem ersten Gesetzentwurf soll die Erneuerung der Hoheit des FSB über Haftanstalten jedoch noch nicht abgeschlossen sein. Zwei weitere Vorschläge sollen noch verabschiedet werden. Einer der Texte sieht ein eigenes Transportsystem vor, mit dem der FSB Gefangene zwischen den einzelnen Anstalten verlegen kann – auf der Straße, per Sonderzug, Schiff oder Flugzeug. Ein weiterer Gesetzentwurf gibt dem FSB die Befugnis, Personen, die innerhalb von Haftanstalten Unruhe stiften, zu untersuchen und zu bestrafen.

Beobachter erinnern an Gulags unter Stalin

Laut den Investigativjournalisten Soldatow und Borogan deutet dies "eindeutig auf Vorbereitungen für Repressionen in einem Ausmaß hin, das alles bisher Dagewesene übertrifft". In einem Bericht für die Denkfabrik Center for European Policy Analysis (CEPA) ziehen sie Vergleiche zum Stalinismus. Schon damals habe das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD), aus dem später der KGB hervorging, neben Haftanlagen auch Verkehrswege kontrolliert. Dies galt damals als zentrales Mittel, um staatliche Unterdrückung aufrechtzuerhalten. Der FSB zeige nun "keinerlei Zögern", zu großangelegten Repressionen zurückzukehren, konstatieren die Journalisten.

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Quelle: t-online

Auch der russische Menschenrechtsaktivist Aleksandr Podrabinek erinnert in einem Beitrag für die Nichtregierungsorganisation Rights in Russia an die dunklen Jahre unter Stalin. Noch sei dieses Niveau nicht erreicht, "aber der Weg dorthin ist klar vorgezeichnet". Der "nächste logische Schritt" werde die Wiedereinführung politischer Lager und möglicherweise ein spezielles Verfahren für die Behandlung politischer Fälle vor Gericht sein, erwartet Podrabinek.

"Vielleicht wird es nicht so weit gehen wie die Sonderkommissionen des NKWD und Urteile auf der Grundlage von Listen, aber für die Öffentlichkeit geschlossene Gerichte und Prozesse per Videokonferenz sind heute Realität", so der Aktivist. "Ebenso wie Untersuchungshaft und Gefängnisstrafen für Anwälte, die politische Gefangene verteidigen."

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Podrabinek weist darauf hin, dass die Zahl politischer Gefangener in Russland in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Daher müssten "logistische Fragen" für diejenigen, "die für die politische Unterdrückung verantwortlich sind", von Bedeutung sein. Seit jeher hätten sich die Regeln in Untersuchungshaftanstalten unter Kontrolle staatlicher Sicherheitsbehörden von normalen Gefängnissen unterschieden, so Podrabinek.

"Während es in einem normalen Strafverfahren notwendig war, minimale Beweise für das Gericht zu sammeln, hatten die Staatssicherheitsdienste die zusätzliche Aufgabe, den Willen der politischen Gefangenen zu brechen, sie zu demoralisieren und sie im Idealfall dazu zu bringen, falsche Aussagen zu machen und 'Reue' zu zeigen", erklärt der Menschenrechtsaktivist. Die aus der Perspektive des Regimes "richtige" Organisation des Gefängnisalltags könne in dieser Hinsicht von großer Bedeutung sein. "Das neue Gesetz wird dem FSB neue Möglichkeiten eröffnen."

Verwendete Quellen

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