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AfD in der Krise: Gegen die Aluhüte hat die Partei keine Chance


Partei in der Krise
Gegen die Aluhüte hat die AfD keine Chance

MeinungVon Gerhard Spörl

Aktualisiert am 18.05.2020Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Björn Höcke bei einer Demonstration: Der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen gilt als Kopf der Ultrarechten in der Partei. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Björn Höcke bei einer Demonstration: Der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen gilt als Kopf der Ultrarechten in der Partei. (Archivbild) (Quelle: Karina Hessland/imago-images-bilder)

Die AfD hat sich entschlossen, dem Rechtsdraußen Andreas Kalbitz die Mitgliedschaft zu entziehen. Doch wer glaubt, die Partei sei nun befriedet, täuscht sich: Noch wärmen sich die Konkurrenten für den Machtkampf auf.

Die AfD hat es gewagt, Andreas Kalbitz die Mitgliedschaft zu entziehen. Er hatte der Partei verschwiegen, dass er bei seinem Rundgang durch neonazistische Kleingruppen auch der "Heimattreuen Deutschen Jugend" angehört hatte. Sie organisierte Zeltlager für Kinder und Jugendliche, die sie militärisch drillte und ideologisch schulte, womit sie nicht zufällig an die Hitler-Jugend erinnerte. Selbst der AfD war das zu anrüchig. Die Partei erließ einen Unvereinbarkeitsbeschluss.

Nun könnte man ja sagen: Jugendsünden, was soll’s, oder auch: Da war einer auf der Suche, hatte eine Vorliebe fürs Militärische, war dann ja auch in der Bundeswehr, und ist heute ein tragendes Mitglieder dieser aufstrebenden rechten Partei, wiederum mit einer Vorliebe für völkische Romantik, weshalb er zugleich ein prominentes Mitglied im "Flügel" ist. Interessanterweise aber gibt es genügend einflussreiche Leute in der AfD, die Kalbitz loshaben möchten.

Leider fehlt ein entscheidendes Detail

Klare Kante, oder? Na ja, es begibt sich aber, dass der Antrag nicht aufzufinden ist, mit dem Kalbitz im Jahr 2013 seinem Wunsch nach Aufnahme Ausdruck verlieh. Und was verloren gegangen ist, kann auch kein Beweis sein, ist einfach so. Außerdem müsste die brandenburgische AfD-Fraktion ihren Vorsitzenden abwählen, der nicht mehr der AfD angehören darf. Müsste.

Denn natürlich ist Kalbitz keineswegs isoliert. Er ist einer aus der Mitte seiner Partei, beliebt und erfolgreich. Er steckt tief in der ostdeutschen Ackerfurche, in der die AfD die zweitstärkste Partei ist. Sie könnte den Erfolg genießen, sich stabilisieren und sich im Parlament hervortun. Stattdessen ist sie ruhelos und unbefriedet. Warum?

Das Virus löst Angst aus in der AfD

Corona ist der Grund. Corona drängt die AfD ins Abseits. Die Stunde der Exekutive verursacht die Wiederauferstehung der CDU und die Wiederbelebung der Kanzlerin. Der Staat ist so stark, wie ihn die AfD haben möchte. Von der Einschränkung der liberalen Demokratie träumt sie sonst ausgiebig, kann jedoch heute schlecht sagen: gut so, wollen wir ohnehin. Deshalb verliert sie an Boden, an Opferstatus, den sie braucht wie der Fisch das Wasser, an der Feindseligkeit der politischen Konkurrenz.

Ich dachte eigentlich, dass die Aufmärsche der Verschwörungsliebhaber in vielen Städten die AfD beleben würde. Die Corona-Demonstranten bejubeln aber nicht Höcke oder Gauland oder Weidel, sondern Figuren wie Ken Jebsen oder Attila Hildmann oder Michael Ballweg oder Bodo Schiffmann.

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Das sind Einzelgänger, um es freundlich zu sagen, die auf ihren Ruhm bedacht sind. Sie phantasieren sich Verschwörungen zurecht, in denen es um die Weltherrschaft geht, um Impfintrigen, um Handy-Strahlungen, um die Vorbereitung einer Diktatur in Deutschland.

Schon nach 9/11 sprossen die Verschwörungsmythen

Für solche Hirngespinste gibt es nahe liegende Erklärungen. Historisch außergewöhnliche Ereignisse sind Erweckungserlebnisse für die Bänkelsänger der Apokalypse. Nach 9/11 machten sie wahlweise die amerikanische Regierung, die CIA oder die Juden für die Anschläge auf Amerika verantwortlich. An der Weltfinanzkrise im Jahr 2007 waren sowohl ein Marderbiss als auch das Finanzjudentum schuld.

Eine Pandemie als Auslöser einer weltweiten Großkrise kannten wir noch nicht. Kein Wunder, dass sie Angst auslöst, dass Unsicherheit grassiert, weil niemand weiß, wie lange der Impfstoff auf sich warten lässt und welche Folgen das lange Warten auslöst, gesellschaftlich wie privat. Das Bedürfnis nach ureinfachen Erklärungen und identifizierbaren Schuldigen tobt sich aus und nimmt für eine Zeit lang eher zu als ab. So lange haben die Wanderprediger ihren Auftritt.

Gegen die Aluhüte hat die Partei keine Chance

Verglichen mit dem Irrsinn, der sich an den Wochenenden in die Städte ergießt, ist die AfD eine phantasiearme Partei. Selbstverständlich versucht sie sich an den Protest anzuhängen, was ihr jedoch nicht gelingt.

Die AfD steht am Rande. Nichts Schlimmeres gibt es für sie als Nichtbeachtung. Sie steht unter Quarantäne und wie bei einer unfriedlichen Familie in einer kleinen Wohnung brechen lange schwelende Konflikte auf.

Meuthen oder Höcke, das ist hier die Frage

Die AfD ist noch immer ein gäriger Haufen, in dem es keine sicheren Mehrheiten gibt und die Matadore wechseln. Am ehesten lassen sich zwei Grundtendenzen unterscheiden: Die einen wollen die AfD in eine rechte CDU verwandeln, die auf mittlere Sicht regierungsfähig wird. Die anderen streben eine Art Antiparteienpartei an, die zwar in Parlamenten sitzt, aber auf die Herrschaft der Straße zielt – mehr Pegida und weniger AfD. Wenn schon Machtergreifung, dann wie 1933.

Der Matador der einen ist Jörg Meuthen, der Matador der anderen Björn Höcke.

Meuthen, der Professor für Volkswirtschaftslehre, überhob sich damit, den halbfaschistischen "Flügel" auszuschließen und begnügte sich jetzt mit Andreas Kalbitz. Kalbitz bot sich mit seiner Heimlichtuerei über seine Vergangenheit geradezu als Ersatzhandlung an. Zugleich ist er ein Gefolgsmann Höckes und somit ein Symbol dafür, dass der Kampf um die Seele der Partei erst begonnen hat.

Möglicherweise bleibt Kalbitz einfach Fraktionsvorsitzender

Nun dürfen wir gespannt sein, was folgt. Kalbitz könnte einfach bleiben, was er ist, Fraktionsvorsitzender und Flügelfreund. Beschlüssen des Bundesvorstandes muss Brandenburg nicht unbedingt nachkommen. Die AfD ist vor allem in Ostdeutschland immer für Überraschungen gut. Gut möglich, dass seine Fraktion ihren Kalbitz als Vorsitzenden behalten will, selbst wenn er parteilos ist. Dann aber wäre Meuthen nur eine Pappfigur, das bürgerliche Aushängeschild einer antibürgerlichen Partei.

Die Suche nach dem Mitgliedsantrag geht weiter, keine Frage, genau so wie der Machtkampf. Björn Höcke spricht von "Verrat" und will die "Zerstörung unserer Partei" verhindern.

Am Ende dürfte ein Rücktritt fällig sein. Kalbitz oder Meuthen, das ist die Frage. Ich tippe auf: Meuthen.

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