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HomePolitikGerhard Spörl: Der Welterklärer

Jens Spahn: Weshalb ihm der Maskenbericht nichts anhaben wird


Bericht zur Maskenbeschaffung
Daran besteht kein Zweifel

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

30.06.2025 - 14:57 UhrLesedauer: 4 Min.
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Jens Spahn: Der CDU-Politiker war zu Beginn der Corona-Pandemie Gesundheitsminister. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Ein Sonderbericht über Spahns Entscheidungen als Gesundheitsminister macht ihm schwere Vorwürfe. Doch der CDU-Mann weiß, wie er sich aus kritischen Situationen rettet.

Jens Spahn gehört zu den interessantesten Politikern seiner Generation. Regelmäßig sorgt er mit überraschenden Einfällen dafür, dass wir dieses vorteilhafte Urteil über ihn nicht aus den Augen verlieren.

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Spahn verfügt über die notwendige Härte, die Leiter hochzuklettern und auch Krisen durchzustehen. Diese Widerstandskraft braucht er jetzt, weil ihm schwere Vorwürfe aus der Zeit der Pandemie gemacht werden. Sie stehen in einem Bericht, den Margaretha Sudhof (SPD) über die Art der Maskenbeschaffung verfasste, die auf Jens Spahn zurückgeht.

Eine gewaltige Zäsur wie die Pandemie kann nicht einfach abgehakt werden. Sie gehört zu den fundamentalen Ereignissen, die in der Gegenwart bedacht und bewertet werden wollen. Das Problem besteht nur darin, dass wir heute zwangsläufig viel klüger sind, als wir es im März 2020 waren, als die Regierung Merkel auf eine unbekannte Epidemie reagieren musste, die aus China herüberkam. Die Neigung im politischen Raum besteht unübersehbar darin, das Wissen von heute gegen das Handeln von gestern auszuspielen.

Ein Übermaß an politischem Ehrgeiz

Der Gesundheitsminister Jens Spahn beschloss am 7. März 2020 – noch vor Ausbruch der Pandemie in Deutschland –, dass für elf Millionen Euro Schutzmasken anzuschaffen seien. Er setzte sich über den Rat der Fachabteilungen seines Hauses hinweg, das ist unumstritten. Das muss aber kein Fehler gewesen sein, denn das Land sollte vorbereitet sein, auf das, was auf uns zukam. Der Bericht wirft Spahn einen Mangel an ökonomischem Verständnis und ein Übermaß an politischem Ehrgeiz vor.

Kann man, muss man aber nicht. Man kann auch einen anderen Zusammenhang herstellen, der wichtig ist. Der Regierung lag damals eine Risikoeinschätzung aus dem Jahr 2013 vor, wonach ein Impfstoff erst drei Jahre nach Ausbruch einer solchen Epidemie vorliegen werde und mindestens 1,5 Millionen Menschen sterben würden. Zum Glück ist es anders gekommen. Viel schneller als gedacht entwickelten BioNTech einen Impfstoff gegen Covid. Mehr als 180.000 Deutsche starben an Covid. Die Bundesregierung hat, sollte man angesichts dieser Zahlen meinen, nicht alles falsch gemacht.

Spahn soll zweierlei falsch gehandhabt haben: Das Logistikunternehmen, das die Masken entgegennehmen, lagern und verteilen sollte, war ihm persönlich bekannt. Und da damals zu viele Coronaschutzmasken bestellt worden waren, musste mehr als die Hälfte verbrannt werden. Kostenpunkt: 2,3 Milliarden Euro.

Kein Zweifel, dass die Wahrheitsfindung in diesem Bericht auf Jens Spahn politisch zielt. So ist das Geschäft; so durchsichtig wie üblich. Kein Zweifel aber auch, dass es jemanden trifft, der sich in den Niederungen der Politik virtuos bewegt.

Lafontaine als abschreckendes Beispiel

Als Spahn 37 Jahre alt und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium war, fiel er auf, weil er an der Kanzlerin herumnörgelte: an ihrer Wir-schaffen-das-Haltung, am Ausbau des Sozialstaates, am Umgang mit dem Islam. Mich erinnerte Spahn an einen anderen Jungspund, der Aufmerksamkeit durch Kritik am Kanzler auf sich gezogen hatte: Das war Oskar Lafontaine, als er noch im Saarland herumtobte.

Aus dem Halbschatten ins Rampenlicht: Spahn ist, wie Lafontaine vor ihm, ein Talent auf dem ständigen Sprung nach oben, nach mehr, voran. Die Medien, analog wie digital, stürzen sich mit Wollust auf solche Politiker, bei denen Schein und Sein notwendigerweise in einem gewissen Missverhältnis stehen. Dass ihr Aufschwung ihnen stets erheblich wichtiger erscheint als die Sache, die sie zu ihrer eigenen machen, wird ihnen großzügig nachgesehen.

Lafontaine sollte Spahn allerdings ein abschreckendes Beispiel sein. Sein Ehrgeiz und sein Können trugen ihn hoch und das ist vieler Ehren wert. Aber die Ausdauer, die Geduld und der Sinn für das Timing gingen ihm ab, sodass er am Ende doch krachend scheiterte.

Spahn hat es verpasst, als Gesundheitsminister zum Star der Pandemie zu werden. Dafür hätte er sich mehr in die Materie stürzen müssen, als es ihm offenbar nötig erschien. In der Öffentlichkeit wurde Karl Lauterbach zum geschätzten Wissenserklärer über die Pandemie. Dieser hatte schon immer die neueste Studie gelesen und machte sich mit seinem Fachwissen erstaunlich beliebt. Auf dieser Welle der öffentlichen Wertschätzung wurde er schließlich ins Amt getragen und Spahns Nachfolger.

Spahn, der Gesundheitsminister, blieb hinter den Erwartungen zurück. Ihn interessierte offenbar die Sache nicht genug, um sich darin gehörig einzuarbeiten. Sein Fluidum ist das Politische – das, was sich aus einer Sache für das eigene Fortkommen herausholen lässt.

Der Kanzler baut auf ihn

Jetzt ist er Fraktionschef der CDU/CSU. Von ihm wird erwartet, die Fraktion auf Trab und unter Kontrolle zu halten. Der Kanzler baut auf ihn. Eine gewisse Entsagung, eine gewisse Demut gehört zu diesem Job dazu. Eigentlich.

Die Methode Spahn war vor Kurzem wieder zu beobachten. Da empfahl er via "Bild" – was natürlich kein Zufall ist –, mit der AfD "wie mit jeder anderen Partei auch" umzugehen. Als Vorstoß durchaus verständlich. Darüber müssen die CDU und auch die CSU dringend reden und sich klar werden, wie sie es mit der AfD halten wollen. Muss man sie wegen erwiesenem Rechtsextremismus ausgrenzen? Oder wurde der Kanzler von seinem Einspannen der AfD zur Verschärfung der Immigration so beschädigt, dass die "Brandmauer" wieder steht?

Spahn war etwas Typisches passiert. Er, der überehrgeizige Einzelgänger, kam dem Fraktionschef Merz in die Quere. Danach redete er sich darauf hinaus, dass er alles ganz harmlos und anders gemeint habe, als es verstanden worden war. Aber er war genau richtig verstanden worden.

Spahn hat damit eine Duftmarke gesetzt. Sie bleibt mit seinem Namen verbunden. Und die AfD hofft darauf, dass der Merz-Nachfolger in Partei und Amt, der ja durchaus Jens Spahn heißen könnte, auf seine Idee von der AfD als normaler Partei zurückkommen wird.

Bis dahin sind es noch einige Jahre – schon wahr. Der flotte Bericht aus der Feder Sudhofs ist zwar eine Delle, aber kein Beinbruch. Daraus wird nach Lage der Dinge kein Untersuchungsausschuss hervorgehen, der peinlich werden könnte. Vielleicht ist Spahn fortan vorsichtiger. Vielleicht bestärkt ihn aber auch seine Widerstandskraft darin, dass er nicht aufzuhalten ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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