Richter verschiebt Trump-Entscheidung "Dieser Fall hat einen einzigartigen Platz in der Geschichte"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Donald Trump hat erreicht, was er wollte. Dank der von ihm ernannten Richter am Supreme Court entgeht er im New Yorker Schweigegeldprozess einer Strafmaßverkündung vor den Präsidentschaftswahlen.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Die Worte des Richters am New Yorker Strafgericht klingen bedeutungsvoll. Juan Merchan hat am Freitag schriftlich dargelegt, warum der in dem als "Schweigegeldprozess" bezeichneten Strafverfahren 34-fach schuldig gesprochene Donald Trump seiner Strafe vorerst weiter entgehen wird.
"Dieser Fall steht für sich allein und nimmt einen einzigartigen Platz in der Geschichte dieser Nation ein", schrieb Juan Merchan in seiner Begründung, warum er das Strafmaß gegen Trump nicht, wie zuerst geplant, im Juli und nun auch nicht mehr im September verkünden wird. Erst am 23. November, also nach der US-Präsidentschaftswahl am 5. November, soll die Entscheidung in New York verkündet werden.
Donald Trump und die Republikaner haben damit erreicht, was ihnen ein großes Anliegen war. Ihr Kandidat, der zwar bereits schuldig gesprochen wurde, sollte vor der Präsidentschaftswahl nicht mit einer konkreten Verurteilung, die sogar Gefängnis bedeuten könnte, belastet werden.
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Wie das dem ehemaligen Präsidenten und seinen Mitstreitern gelungen ist, darüber gibt die vierseitige Begründung von Juan Merchan eindeutig Auskunft. Vier Gründe nennt er im Wesentlichen für seine folgenreiche, erneute Vertagung:
Ausreichend Zeit für Berufung: Trumps Verteidiger haben argumentiert, dass mehr Zeit benötigt würde, um Berufungsoptionen zu prüfen und zu verfolgen, falls das Gericht seinen aktuellen Antrag auf Aufhebung des Urteils ablehnt. Diese Zeit will Merchan einräumen.
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs: Ein kürzliches Urteil des Obersten Gerichtshofs (Trump v. United States) hatte nach dem Schuldspruch von Donald Trump nämlich schwerwiegende neue rechtliche Grundlagen für den Fall geschaffen. Die teils von Trump während seiner vergangenen Amtszeit ernannten Richter am Supreme Court hatten in einer historischen Entscheidung geurteilt, dass einem US-Präsidenten weitreichende Immunität, also Freiheit von Strafverfolgung, zugestanden werden muss.
Trumps begangene Straftaten lagen zwar vor seiner Präsidentschaft – im Verfahren wurden allerdings Beweismittel verwendet, die aus seiner Zeit als amtierender Präsident stammten. Das Gericht, so Juan Merchan, benötigt darum viel Zeit, um zu prüfen, wie diese Supreme-Court-Entscheidung auf Trumps Fall anzuwenden ist.
Vermeidung politischer Vorurteile: Trumps Verteidiger behaupten, dass eine Strafmaßverkündung kurz vor der Präsidentschaftswahl 2024 Trumps Wahlkampf ungerecht beeinflussen und den Anschein politischer Voreingenommenheit erwecken könnte. Auch diesen Anschein will der Richter offenkundig vermeiden. Merchan schreibt: "Dieses Gericht ist eine faire, unparteiische und apolitische Institution."
Die Vertagung der Entscheidung über den Antrag und eine mögliche Strafmaßverkündung sollte nun einen ganz bestimmten Eindruck zerstreuen, so Merchan. Das Gericht würde explizit kein Strafmaß verhängen, um einer politischen Partei oder einem Kandidaten für ein Amt einen Vorteil zu verschaffen oder einen Nachteil zu bereiten. "Angesichts der einzigartigen Fakten und Umstände dieses Falls gibt es keinen Grund, warum dieser Angeklagte anders behandelt werden sollte als jeder andere", schrieb Merchan.
Komplizierte zeitliche Umstände: Die Nähe der Präsidentschaftswahl würde tatsächlich einzigartige Herausforderungen mit sich bringen, schreibt Merchan weiter. Das Gericht habe die Urteilsverkündung letztlich deswegen verschoben, um jeglichen Anschein von politischer Einmischung oder Voreingenommenheit zu vermeiden.
Ein Nachteil für die Demokraten
Die Verzögerung des Urteils von New York ist für Donald Trump und die Republikaner ein juristischer, aber vor allem ein politischer Erfolg. Obwohl sie seit Monaten versuchen, den Prozess als rein politisch motiviert zu zeichnen, trug der Vorsitzende Richter ihrem politischen Anliegen nun Rechnung. Für Trump zahlt sich einmal mehr aus, dass in Amerikas Oberstem Gericht eine Mehrheit von Richtern sitzt, die im Zweifel vermehrt in seinem Sinne entscheiden. Es war ein Schachzug, der ihn am Ende trotz juristischem Fehlverhalten wieder ins Weiße Haus tragen könnte.
Damit fehlt den Demokraten kurz vor der ersten Fernsehdebatte gegen Donald Trump ein wichtiger Baustein im Wahlkampf. Die eigene Kandidatin Kamala Harris sollte als ehemalige Staatsanwältin ganz besonders gegenüber dem verurteilten Straftäter Trump in Szene gesetzt werden. Zwar gilt dieser nach wie vor als verurteilt – ohne Strafmaß aber dürfte das Urteil nur halb so schwerwiegend wirken.
- Eigene Recherchen
- Begründung des Vorsitzenden Richters Juan Merchan (Englisch)