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Sahra Wagenknecht: "In der Demokratie darf man täuschen und manipulieren"


Methode der Linken-Politikerin
"Darin ist Wagenknecht besser als fast alle anderen Politiker"

  • Lars Wienand
InterviewVon Lars Wienand

Aktualisiert am 05.03.2023Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Sahra Wagenknecht: Begnadete Rethorikerin und erprobte Populistin.Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht: Begnadete Rhetorikerin und erprobte Populistin. (Quelle: Michael Korte/imago images)

Fast jeder Auftritt sorgt für eine Schlagzeile: Kaum ein Politiker provoziert so sehr wie Sahra Wagenknecht. Warum, erklärt ein Kommunikationsberater.

Mit jedem Auftritt löst Sahra Wagenknecht Diskussionen aus: Die einen empören sich, die anderen pflichten ihr bei und regen sich über die Empörung auf. Wieso polarisiert die Linken-Politikerin so stark? Der Kommunikationsberater und Journalist Hendrik Wieduwilt, der Führungskräfte bei Medienauftritten berät, entschlüsselt die Stärken und Tricks von Wagenknecht – und hat einen Rat zum Umgang mit ihr.

t-online: Über Sahra Wagenknecht ist in den meisten deutschen Medien im Moment wenig Gutes zu lesen – was kann man denn positiv über sie sagen?

Hendrik Wieduwilt: Sie ist rhetorisch sehr gut. Sie nutzt kurze Sätze, sie kommt immer wieder auf ihre Punkte und ihre eigentlich gewünschte Botschaft zurück. Darin ist sie besser als fast alle anderen deutschen Politiker. Sie ist sehr geschickt und dringt damit bei vielen Menschen durch.

Wie macht sie das?

Sie inszeniert sich als gemäßigte Stimme der stillen Vernunft in einem vermeintlichen irren Kriegsgeschrei und suggeriert, dass sie sich dabei in ihrer hehren Absicht nicht beirren lässt. Ähnlich war das beim Thema Corona, wo sie sich als Mahnerin gegen einen vermeintlich drohenden Impfzwang präsentiert hat. Sie appelliert an Gefühle, die sehr verbreitet sind. Dass Verhandeln besser ist als Krieg, sieht schließlich fast jeder so. Ein Teil der Bevölkerung hat die verständliche Angst, dass Putin doch auf den Knopf drückt. Aber ein großer Anteil will sich auch einfach nicht positionieren.

Und denen bietet Wagenknecht eine Lösung?

Denen macht sie das süße Versprechen von Neutralität. Dazu verschleiert sie geschickt Ursachen und Verantwortlichkeit, wenn sie Sätze sagt wie: "Das Schießen muss aufhören". Sie ist so gut wie kaum jemand sonst darin, den Diskurs zu verschieben und wieder auf ihre Botschaft zu kommen.

Hendrik Wieduwilt.
(Quelle: Daniel Hofer)

Hendrik Wieduwilt ist Kommunikationsberater, Autor und Moderator in Berlin und schreibt bei n-tv die Kolumne "Wieduwilts Woche". Er war rechtspolitischer Korrespondent bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und Pressesprecher im Bundesjustizministerium. Wieduwilt hat Jura studiert und über Internetrecht promoviert.

Das war bei "Hart aber fair" zu sehen, wo sie Vergewaltigungen durch russische Soldaten damit relativieren wollte, indem sie sagte, dass beide Seiten Kriegsverbrechen begehen würden.

Es war verdienstvoll, dass der Moderator Louis Klamroth da eingeschritten ist und keine falschen Fakten durchgehen ließ. Sonst hat man diese falsche Ausgewogenheit. Das ist auch der richtige Weg: Journalisten müssen sehr gut vorbereitet in solche Gespräche gehen.

Aber danach trendete auf Twitter "#Klamrothlügt".

Ein Narrativ, das natürlich von Wagenknecht befeuert wird mit einer Methode, die man auch von der AfD kennt: Sie hat eine Einzelheit herausgelöst und den zweiten Teil weggelassen. Der WDR hat an der Grundaussage nichts "korrigiert", wie sie das darstellt. Der WDR hat umfangreich die Informationen mit einem Faktencheck und der Information ergänzt, dass in zwei Berichten den ukrainischen Streitkräften zwei Fälle sexualisierter Gewalt vorgeworfen werden und den russischen Streitkräften 116. Das untermauert die Aussage noch, dass Vergewaltigungen von russischer Seite ein Teil der Kriegsstrategie sind.

Also #Wagenknechtlügt?

Wagenknecht pickt sich etwas heraus und betreibt damit unterkomplexe Kommunikation in komplexen Fragen. Sie weiß, dass das bei ihren Anhängern hängen bleibt. Kommunikation läuft sehr oft sehr oberflächlich, Leute schauen nicht mehr genauer hin, und sie kann wie keine Zweite mit der ersten Zeile argumentieren. Wie Populisten das tun.

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Aber sie wird dennoch ständig in Talkshows und zu Interviews eingeladen.

Sie nicht einzuladen, würde ich für einen ganz falschen Weg halten. Das würde auf das Narrativ einzahlen, eine Stimmung in der Bevölkerung werde nicht wahrgenommen, und sie würde trotzdem Öffentlichkeit finden. In der Demokratie darf man täuschen, tricksen und manipulieren. Es ist dann Aufgabe von Journalisten, darauf gut vorbereitet zu reagieren.

Da ist nur der Journalismus in der Pflicht?

Nein, auch die Zivilgesellschaft ist gefordert, falschen, vereinfachenden Aussagen zu widersprechen. Wagenknechts Anhänger verbreiten ihre Erzählungen ja auch, ich bekomme sie ständig unter meine Tweets gepostet. Es ist ein Wettbewerb, dem müssen wir uns stellen und hoffen, dass sich Redlichkeit durchsetzt.

Wagenknecht-Gegner posten jetzt ein Video von 1994, in dem sie sagt, dass sie tausendmal lieber in der DDR leben würde als in dem Deutschland, in dem sie nun leben müsse. Ist das redlich?

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Das zu verbreiten als Beleg, wie blöd die Wagenknecht doch sei, ist mir zu billig. Man sollte niemanden an etwas messen, was die Person vor 30 Jahren gesagt hat. Spannend wäre, wie sie heute dazu steht, man sollte sie fragen. Ich glaube, sie würde sich davon nicht wirklich distanzieren, weil das viele ihrer ostalgischen Anhänger irritieren würde. Selbst wenn sie das heute noch so sieht, würde sie das so ganz sicher nicht mehr sagen, weil sie eben ein wirklicher Politprofi ist. Sie würde wieder eine Lösung finden.

Danke für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Hendrik Wieduwilt
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