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Bürgergeld finanziell unattraktiv? "Leute wollen nicht mehr arbeiten"


Unternehmerin klagt über Bürgergeld
"Die Leute wollen nicht mehr arbeiten"

MeinungEin Gastbeitrag von t-online-Leserin Elvira Richter

Aktualisiert am 21.01.2024Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Ein Arbeitgeber sucht Mitarbeiter: Personalmangel ist allgegenwärtig.Vergrößern des Bildes
Ein Arbeitgeber sucht Mitarbeiter: Personalmangel ist allgegenwärtig. (Quelle: Michael Gstettenbauer/imago-images-bilder)

Bürgergeld ist finanziell unattraktiver als Arbeit, sagt eine Studie. In der Praxis macht eine Unternehmerin gegenteilige Erfahrungen, sie sagt: Die Arbeitnehmer haben sie in der Hand.

Die Studie vom Münchner Ifo-Institut mag ja zum Ergebnis kommen, dass sich das Arbeiten gegenüber dem Empfang des Bürgergelds lohnt – doch die Realität sieht leider deutlich anders aus. Ich betreue in meinem Unternehmen im Schnitt 80 Mitarbeiter, die meisten auf Mindestlohnniveau. Wir suchen immer Personal, und meine persönlichen Erfahrungen zeigen: Es ist sehr schwierig, Menschen davon zu überzeugen zu arbeiten, statt Bürgergeld zu beziehen.

Von zehn Bewerbungen, die ich erhalte, sind im Schnitt acht Bewerber nicht erreichbar. Es wird weder telefonisch noch auf Mails reagiert. Die Aussage "Ich bewerbe mich nur, damit ich dem Arbeitsamt oder Jobcenter meine Bewerbungen vorlegen kann" habe ich schon hundertmal gehört. Wenn dann zwei Personen erreichbar sind, kommt ein einziger, um sich persönlich vorzustellen.

Im vergangenen Jahr hatte ich mehrere Leute, die ein bis drei Monate gearbeitet und dann gesagt haben: "Das lohnt sich für mich nicht, da bleibe ich lieber zu Hause. Wenn ich daheim bleibe, kann ich den ganzen Tag machen, was ich möchte. Das Amt bezahlt meine Wohnung und ich verbrauche keinen Sprit, um zur Arbeit zu kommen."

Über die Gastautorin

Elvira Richter ist Mitglied des t-online-Leserbeirats und Familienunternehmerin in Bayern und Hessen. Zusammen mit ihrem Vater und Bruder betreibt sie Spielotheken und stellt in gastronomischen Betrieben Spielautomaten oder Billardtische auf. Die 32-Jährige ist hauptsächlich für Personal verantwortlich. Weil sie anonym bleiben möchte, haben wir ihren Namen geändert. Ihr richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

Das Thema betrifft nicht nur meine Firma, sondern auch viele Unternehmen, mit deren Chefs ich mich austausche. Unser Bäcker hat wegen Personalmangels nur noch den halben Tag geöffnet. Die Gastronomie unter meinem Büro hat schon seit drei Wochen aus demselben Grund geschlossen und hatte letztes Jahr nur noch donnerstags bis sonntags ab 17 Uhr geöffnet. Diese Aufzählung könnte ich ewig fortführen.

Schlechtes Personal muss ich behalten

Wir bekommen alle kein Personal. Vor allem seit Corona wollen die Leute nicht mehr arbeiten. Wir müssen dankbar sein, wenn überhaupt jemand kommt. Schlechtes Personal muss ich behalten, sonst kann ich direkt zu machen. Ich habe nie die Wahl, mich für jemand besseres zu entscheiden. Und das geht vielen so.

Und man wird beleidigt. Viele Arbeitnehmer halten sich grundsätzlich nicht an Regeln, Vorgaben oder Arbeitsanweisungen, weil sie genau wissen, dass wir sie brauchen. Massive – teilweise auch gesetzliche – Verstöße werden damit kommentiert, dass die Chefs sich mal zum Teufel scheren können. Die Einstellung zum ordentlichen Arbeiten ist komplett flöten gegangen. Die wissen genau: Wenn sie bei uns nicht mehr arbeiten, sitzen sie eben daheim und ihnen geht’s trotzdem nicht schlecht.

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Wir versuchen alles

Das zieht sich auch durch alle Altersstufen: Ob jung oder alt, es macht keinen Unterschied. Es gibt natürlich immer Ausnahmen, aber der größte Teil geht mit dieser Einstellung auf die Arbeit, und da hilft uns die Studie leider gar nicht.

  • Wie Millennials und Gen Z die Arbeitswelt verändern, lesen Sie hier.

Wir versuchen alles, um unsere Arbeitnehmer zu halten. Sie bekommen kostenlose Getränke nach freier Auswahl, wir vergeben oft Lohnvorschüsse und helfen finanziell, wenn zum Beispiel mal das Auto kaputtgeht. Wir zahlen Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge. Wir schenken jedem Einzelnen was zum Geburtstag und ich schreibe für jeden persönlich eine Karte. Wir zahlen, wenn möglich, ein 13. und 14. Gehalt. Wir machen eine Weihnachtsfeier und jeder bekommt noch ein Weihnachtsgeschenk.

Wenn manche einfach nicht mehr zur Arbeit kommen oder Mist bauen, geht das zulasten der Arbeitnehmer, die ordentlich arbeiten und immer da sind. Die guten Leute springen ein und arbeiten massive Überstunden.

Klar, wenn ich könnte, würde ich allen 20 Euro die Stunde bezahlen. Das ist leider aber nicht drin – und ein anderes Thema. Zusammengefasst: Die Realität ist eine völlig andere. Das beschäftigt und belastet die meisten Arbeitgeber.

Verwendete Quellen
  • Zuschrift der t-online-Leserin Elvira Richter
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