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Ditib unter Druck: Frust an der Basis und Krisentreffen in Ankara


Ditib unter Druck
Frust an der Basis und Krisentreffen in Ankara

dpa, Von Yuriko Wahlon

08.02.2017Lesedauer: 3 Min.
Neubau der Moschee in Köln.Vergrößern des BildesNeubau der Moschee in Köln. (Quelle: dpa-bilder)
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Die türkisch-islamische Union Ditib ist unter Zugzwang. Nach Spitzelvorwürfen gegen Imame könnte die NRW-Regierung ihr die Zusammenarbeit aufkündigen. Der Ditib-Vorstand berät sich jetzt mit Ankara. In vielen Moscheegemeinden brodelt es.

Druck und Gegenwind von allen Seiten - noch nie war die türkisch-islamische Union Ditib so in Bedrängnis. Die Politik in Bund und Ländern fordert nach Spitzelvorwürfen gegen einige Ditib-Imame schnelle Aufklärung.

NRW stellt die Zusammenarbeit mit dem größten Islam-Dachverband deutlich auf den Prüfstand. Auch aus den Kirchen kommt Kritik. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt nach den Vorwürfen gegen einzelne Ditib-Prediger. Am Mittwoch ist nun die Ditib-Spitze zu einem Krisentreffen nach Ankara gereist.

An der Basis brodelt es

Derweil brodelt es an der Basis. In manchen Moscheegemeinden wächst die Unzufriedenheit, Reformen werden verlangt. Einige vom türkischen Staat entlassene Imame klagen auf Wiedereinstellung.

Vor allem in Nordrhein-Westfalen ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) unter Zugzwang. Die Landesregierung verlangt eine strukturelle und finanzielle Lösung von Ankara und der Religionsbehörde Diyanet, die alle 900 in Deutschland tätigen Ditib-Imame entsendet und bezahlt.

Ditib an vielen Stellen im Boot

Auf Druck von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) lässt die Ditib jetzt ihren Sitz im wichtigen Beirat für den islamischen Religionsunterricht ruhen. Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte bei einem Salafismus-Präventionsprojekt in Köln bereits die Kooperation mit dem Verband gestoppt.

Die Ditib ist in NRW auch an anderen Stellen im Boot: In einem Dialog-Forum des Integrationsministeriums, bei islamischer Seelsorge für Gefangene oder auch als Ansprechpartner der Staatskanzlei. Das alles steht auf dem Spiel. Das Land werde "in allen Bereichen klare Konsequenzen" ziehen, wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, betont Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD). Die Ditib müsse sich schnell von der staatlichen Diyanet abkoppeln, sonst sei Schluss mit der Zusammenarbeit, legt er am Mittwoch unmissverständlich nach. Den Verband nennt er "stur". Innertürkische Konflikte hierzulande auszutragen, sei ebenso tabu wie "türkische politische Propaganda". Ein deutlicher Warnschuss.

Unzufriedenheit mit Krisenmanagement

Es gibt weitere Probleme für den Verband. "Auch innerhalb der Ditib gibt es Spannungen. Die jüngere Generation, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und gern mehr Verantwortung übernehmen würde, wird von vielen Altvorderen in den Gemeinden kleingehalten", schildert die Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes (LIB), Lamya Kaddor. Aus engen Kontakten zu Ditib-Moscheegemeinden weiß sie: "Ganze Vorstände sind ausgewechselt worden, weil sie offenbar gegenüber der deutschen Mehrheitsbevölkerung zu offen und zu dialogbereit waren."

Ein Ditib-Verbandsmitglied in Köln spricht von Unzufriedenheit mit der Führung und dem bisherigen Krisenmanagement. Die Ditib meldete in einer vage gehaltenen Erklärung vor einigen Tagen, Diyanet habe den Fall untersucht - Ergebnis: "Das Präsidium hat festgestellt, dass einige Religionsbeauftragte in Bezug auf ein eigentlich die europäischen Länder nicht betreffendes Schreiben ihre Verantwortungen überschritten haben." Also: Imame bespitzelten, obwohl eine solche Diyanet-Aufforderung gar nicht an sie ging. Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga äußerte sich auf dpa-Anfragen in den vergangenen Tagen nicht.

Warnungen für Ausgespähte

An diesem Donnerstag informiert NRW-Verfassungsschutzpräsident Burkhard Freier den Innenausschuss. Dem Verfassungsschutz liegen Berichte der Religionsattachés der türkischen Generalkonsulate in Köln, Düsseldorf und München an die Diyanet vor, in denen Namen von angeblichen Gülen-Anhängern aufgelistet werden. Die drei Listen umfassen 28 Personennamen und elf Institutionen, die Ditib-Imame geliefert haben sollen. Alle Ausgespähten haben von der Polizei "Gefährdeten-Ansprachen" erhalten. Sie sind damit gewarnt, falls sie in die Türkei reisen wollen.

Der Prediger Fethullah Gülen wird in Ankara als Staatsfeind eingestuft, seine Anhänger werden verfolgt. Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Gülen für den versuchten Militärputsch im Juli 2016 verantwortlich.

Laut Ditib ist die Amtsdauer einiger Imame in Deutschland vorzeitig beendet worden. Um einer "negativen Wahrnehmung" vorzubeugen und die Beziehungen nicht zu schädigen. Verdacht von Volker Beck, Religionsexperte der Bundestags-Grünen: "Das heißt, die Diyanet hat Verantwortliche für die Spionage zurückbeordert, um Strafverfolgung zu verhindern und die Spionage zu vertuschen."

Sollte NRW der Ditib den Stuhl vor die Tür setzen, könnten Forderungen nach mehr Einfluss für liberal orientierte Muslime Gehör finden. Kaddor betont: Der LIB steht als Ansprechpartner für die Politik bereit.

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