t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandGesellschaft

"Hart aber fair": Welche Rolle spielt die Landwirtschaft beim Bienensterben?


"Hart aber fair" zum Bienensterben
"Wir müssen handeln, und zwar jetzt!"

t-online, Nico Damm

Aktualisiert am 05.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Die Gäste bei "Hart aber fair" haben über das Bienensterben diskutiert.Vergrößern des BildesDie Gäste bei "Hart aber fair" haben über das Bienensterben diskutiert. (Quelle: WDR/Dirk Borm)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Gibt es das Bienensterben wirklich? Und falls ja, was tun? Ein erfrischend anderes Thema für die Gäste bei Frank Plasberg – bei dem auch Glyphosat eine Rolle spielte.

Gäste:

  • Christian Schmidt (CSU, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft)
  • Harald Ebner (B‘90/Grüne, Landschaftsökologe, Sprecher für Gentechnik-und Bioökonomiepolitik; Mitglied und Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft)
  • Ranga Yogeshwar (Wissenschaftsjournalist und Autor)
  • Bernhard Krüsken (Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV))
  • Agnes Flügel (Imkerin)

Das Thema:

Um die Bienen ist es bekanntlich ernst bestellt. „Das große Sterben“, habe begonnen, titelte unlängst die FAZ. Und da 80 Prozent der Pflanzen hierzulande bestäubt werden müssen: Wie ernst ist das für uns Verbraucher? Das wollte Frank Plasberg in einer hochaktuellen Zeit herausfinden. Denn auch das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat könnte eine Rolle spielen. Schließlich werden viele Chemikalien mit dem Bienensterben in Verbindung gebracht. Praktisch, dass mit Landwirtschaftsminister Schmidt direkt auch derjenige mit am Tisch saß, der jüngst in Brüssel dafür gesorgt hatte, dass das Mittel noch länger im Einsatz bleibt. Was es heißt, zu wenig Bienen zu haben, zeigte ein Einspieler aus China: Dort wird mitunter sogar von Hand bestäubt.

Der Frontverlauf:

Kurze Frage an die Imkerin: Sterben sie denn wirklich, die Bienen? Ja, zumindest werden sie weniger. „Im Juli blüht schon nichts mehr, und man hat Angst, dass die Bienen nicht stark genug sind für den Winter“, berichtete die Unternehmerin. Ihr Volk sei trotz Sprühverbots während der Flugzeit auch schon mit Pestiziden besprüht worden, woraufhin viele Tiere gestorben seien. „Und sie sind anfälliger für Krankheiten.“ Damit war das große Schwarze-Peter-Spiel eröffnet: Bauern-Lobbyist Krüsken zeigte sich besorgt, will aber auf eindeutigere Studien warten.

Landwirtschaftsminister Schmidt verwies auf das Verbot von drei für Bienen gefährlichen Stoffen und neue Vorgaben der EU zu „Blühflächen“.
Yogeshwar und vor allem Ebner waren anderer Meinung: Die Studienlage sei eindeutig, die Lage sehr ernst. Zwischen den Zankäpfeln sprang Moderator Plasberg sehr häufig hin und her – um das Durcheinanderplappern zu schlichten, aber auch, um die Fachdiskussion verständlich zu machen.

Zum Auftakt nahm Plasberg Krüsken ordentlich in die Mangel. Welche Rolle spielt die moderne Landwirtschaft beim Bienensterben? Diese Frage wiederholte der Moderator drei- oder vier Mal für einen sich windenden Bauern-Lobbyisten. „Sie haben normalerweise immer die böse Karte. Jetzt sind sie gerade dabei, sie sich zu erarbeiten“, mahnte Plasberg und erntete erheiterten Applaus. Viele Argumente bekam er trotzdem nicht zurück. Immerhin: Die Landwirtschaft habe „teilweise“ damit zu tun, sagte Krüsken. Sie bewirtschafte rund die Hälfte der Fläche Deutschlands. „Aber wir müssen auch über die anderen 48 Prozent der Fläche reden.“ Dieser Bitte kam die Runde allerdings nicht nach.

Vielmehr diskutierte sie ausgiebig für die größte Langzeit-Bienen-Studie in Deutschland. Die attestierte auch in Naturschutzgebieten über 27 Jahre hinweg einen Insekten-Rückgang um 75 Prozent. Genauer gesagt: 75 Prozent weniger Biomasse von Insekten. Während Krüsken die Methodik der Studie anzweifelte, schlug Yogeshwar Alarm: Untersuchungen in anderen Ländern deckten die Ergebnisse. Außerdem sei die deutsche Studie seriös, auch wenn die Erhebungen teils von Hobby-Forschern gemacht wurden. Bei der statistischen Auswertung seien Wissenschaftler beteiligt gewesen. Um das Thema Glyphosat ging es erstaunlicherweise fast nur am Rande.

Schmidt forderte eine Reduzierung des Einsatzes, freute sich aber auch schon um einen 30-prozentigen Rückgang des Einsatzes „in den letzten Jahren“.

Aufreger des Abends:

Das Thema Pestizide. Hier ging es vor allem um die sogenannten Neonicotinoide, ein Insektizid, das die EU eventuell generell verbieten will. Der Verdacht: Es tötet Bienen nicht, verwirrt oder schwächt sie aber, sodass sie zum Beispiel nicht mehr zum Stock zurückfinden. Schmidt betonte, er habe die „wichtigsten“ dieser Stoffe schon vor zwei Jahren verboten. „Wenn sich herausstellt, dass andere Neonicotinoide auch schädlich sind, müssen sie komplett verboten werden.“ Das führte zu einer fachlichen Diskussion mit Ebner, der angesichts einer anhängigen Hersteller-Klage der vom Teilverbot der EU betroffenen Unternehmen eine Haltung des Agrarministers erfahren wollte: Dafür oder dagegen? „Können Sie das jetzt den Menschen sagen?“ Konnte Schmidt nicht. Die Kommission, sagte er, wolle ohnehin noch eine Studie der EU-Behörde EFSA abwarten, bis sie eine Entscheidung treffe. Dann, so Yogeshwar, solle Schmidt nicht warten und die Stoffe schon jetzt verbieten, wie es die Franzosen gemacht hätten: „Wir müssen handeln, und zwar jetzt!“

Was übrig bleibt:

„Spritzen muss die Ultima Ratio sein“, forderte Ebner. Die Zahlen
zeigen: Das ist es nicht. 100.000 Tonnen Pestizide wurden im vergangenen Jahr in Deutschland gekauft, Äpfel bis zu 23 Mal gespritzt, bis sie auf dem Teller landen. Was also tun? Was sind die Alternativen? Alles mal schnell auf Bio-Landwirtschaft umzustellen, wird nicht gehen. Neben viel Ratlosigkeit blieb ein Eindruck: Die Landwirtschaft wird von sich aus nichts ändern. Die Politik auch nicht viel, solange ein Minister Schmidt das Sagen hat. Bleiben EU, eine neue Bundesregierung, Wissenschaft und die Verbraucher. Denen gab die Imkerin einen Rat mit auf den Weg: Wenn wir weniger Fleisch essen würden, bräuchten wir weniger Fläche für Futterpflanzen und könnten daraus Blumenwiesen für die Bienen machen.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website