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TÀter zog noch andere Ziele in ErwÀgung
Der Rechtsterrorist von Halle ist Antisemit und Rassist. Er hasst Juden, Muslime und Andersdenkende. Seine Verbrechen plante er offenbar Monate im Voraus â und bediente mit der Inszenierung Gleichgesinnte.
Es sind wenige SĂ€tze am Anfang eines verstörenden Videos, in denen der Terrorist von Halle seine rechtsextremistische Gesinnung knapp aber prĂ€zise darlegt. Stephan B. hasst Migration, Muslime und Feministen â und Schuld an allem sind fĂŒr ihn die Juden. Die Stellungnahme des 27-JĂ€hrigen ist das Intro zur Selbstinszenierung des Terrors. AnschlieĂend ĂŒbertrĂ€gt er die MordanschlĂ€ge auf Synagoge und Döner-Imbiss mit einer Helmkamera live ins Internet.
Terrorpropaganda im Netz
Die Aufzeichnung des Live-Streams, die t-online.de vorliegt, ist zu grausam, um sie weiter zu verbreiten. Es Ă€hnelt dem Videomaterial des rechtsextremen Terroranschlags im neuseelĂ€ndischen Christchurch. Laut Video-Plattform Twitch verfolgten fĂŒnf Menschen die Tat in Echtzeit mit â weitere 2.200 Nutzer sahen die Aufzeichnung, bevor sie gesperrt wurde. Nun arbeiten Internetdienste weltweit daran, dass die Terrorpropaganda gelöscht und nicht weiter verbreitet wird.
Denn offenbar hat es B., wie bereits der AttentĂ€ter von Christchurch, auf NachahmungstĂ€ter angelegt. DafĂŒr spricht neben dem Video auch ein SchriftstĂŒck, das bereits vor dem Anschlag im Internet verbreitet wurde, und das augenscheinlich vom Terroristen selbst stammt. Es liegt t-online.de vor und deckt sich in Ton und Darstellung mit den von B. verbreiteten Videoaufnahmen. Es schildert minutiös den Bau und die Zusammenstellung seiner Waffen und AusrĂŒstung. Ziel des Anschlags sei neben einer möglichst hohen Opferzahl, andere WeiĂe zu Ă€hnlichen Taten zu animieren.
B. zog noch andere Ziele in ErwÀgung
Aus dem Dokument geht ebenfalls hervor, dass Jom Kippur bewusst gewĂ€hlt wurde, da B. offenbar annahm, am höchsten jĂŒdischen Feiertag besonders viele GlĂ€ubige in der Synagoge töten zu können. DafĂŒr zog er das Anschlagsziel anderen möglichen vor, die er in ErwĂ€gung zog: beispielsweise linke Kulturzentren oder Moscheen. Sowohl Video als auch das mutmaĂliche Bekennerschreiben sind in Englisch verfasst, wahrscheinlich um ein internationales rechtsextremes Szenepublikum zu bedienen. DafĂŒr sprechen auch die zahlreichen Verweise auf Internet-Foren.
Ob sich B. tatsĂ€chlich in diesen Foren radikalisierte, dort nur eine Plattform fand, seine ohnehin gefestigte Einstellung zu pflegen, oder auch in lokale Netzwerke von Rechtsextremisten in Sachsen-Anhalt eingebunden war, ist noch nicht klar. ZunĂ€chst ging die Polizei am Tag der Tat trotz der Festnahme am Nachmittag von mehreren möglichen TĂ€tern aus. Erst am Abend hieĂ es aus Sicherheitskreisen, man vermute nun einen EinzeltĂ€ter. Trotzdem wird weiter geprĂŒft, ob er Komplizen hatte.
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Polizeibekannt sei B. bislang nicht gewesen, hieà es. B. habe offenbar zuletzt bei seiner Mutter in Benndorf in Sachsen-Anhalt gelebt. Die Wohnung wurde auf Anordnung der Bundesanwaltschaft durchsucht, Beweismittel seien sichergestellt worden, sagte ein Sprecher. Die Behörde hatte die Ermittlungen wegen zweifachen Mordes und neunfachen Mordversuchs bereits am Mittwoch an sich gezogen. Grund sei der "spezifische staatsgefÀhrdende Charakter der Tat und die besondere Bedeutung des Falles".