Stausee hinter dem Schuttkegel Lage in Blatten spitzt sich zu – Wasser steigt
Nach einem Gletscherabbruch droht in einem Schweizer Tal eine weitere Katastrophe. Ein künstlich entstandener See könnte zu schnell abfließen.
Nach einer nervenaufreibenden Nacht richten sich im Katastrophengebiet des Gletscherabbruchs in der Schweiz alle Augen auf den entstandenen Stausee hinter dem Schuttkegel. Dass sich die Wassermassen einen Weg ins Lötschental bahnen müssen, steht fest – aber ob das geordnet oder chaotisch abläuft, ist ungewiss.
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Gigantische Fels-, Eis- und Geröllmengen haben seit dem Jahrhundertereignis am Mittwoch das Bett des Flüsschens Lonza blockiert. Das Wasser hat sich zu einem See gestaut. Der Wasserstand stieg zeitweise stündlich um drei Meter. Talbewohner, Katastrophenhelfer und die herbeigerufenen Armeeangehörigen mussten allerdings tatenlos zusehen, wie sich die Lage zuspitzt. Mit schwerem Gerät Furchen für einen geordneten Ablauf des Wassers in den Schuttpegel zu fräsen, ist keine Option.
Am Mittwochnachmittag waren nach Schätzungen rund drei Millionen Kubikmeter Schutt, Geröll und Eis den Hang hinunter gedonnert und hatten das Dorf Blatten unter sich begraben.
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Kein Eingreifen möglich
"Unternehmen können wir leider wenig, weil die Sicherheitslage vor Ort es nicht zulässt, dass wir mit schweren Maschinen eingreifen können", sagte Christian Studer von der Dienststelle Naturgefahren des Kantons Wallis im Schweizer Fernsehen. Es gebe mehrere Gefahrenquellen: Der Schuttberg ist instabil, weil er aus Felsbrocken, losem Schutt und Gletschereis besteht, das schon teils geschmolzen sein dürfte. Weder Menschen noch Maschinen wären darauf sicher.
Die Lage am Berg ist nach wie vor gefährlich. Zum einen drohen am Berg Kleines Nesthorn weitere Hunderttausende Kubikmeter Fels abzustürzen. Von dort waren Felsbrocken auf den Birschgletscher gestürzt, der unter der Last am Mittwochnachmittag abbrach und ins Tal donnerte. Von den gigantischen Mengen Geröll wurde ein Teil auf der gegenüberliegenden Talseite hochgeschoben. Dort drohen nun Gerölllawinen. Wie stabil der eigentliche Schuttpegel ist, weiß niemand. Weil sich darin Eis befindet, könnten sich Wassertaschen bilden. Räumtrupps der Armee stehen zwar bereit, aber das Gebiet zu betreten sei noch zu gefährlich, so die Behörden.
Die Behörden haben weitere Häuser im schweizerischen Lötschental geräumt, weil sie die Sicherheit der Einwohner nicht garantieren können. 16 Menschen wurden in den Ortschaften Kippel und Wilder sowie von der Fafleralp in Sicherheit gebracht, wie der regionale Führungsstab Lötschental mitteilte. Es bestehe aktuell keine Notwendigkeit zur Evakuierung der Dörfer Gampel und Steg, doch die Bevölkerung der beiden Gemeinden wurde am späten Donnerstag aufgefordert, sich vorsorglich auf eine mögliche Evakuation einzustellen. Dies berichtet das Onlineportal des "Walliser Boten".
Staubecken vorsichtshalber geleert
Die Behörden können sich zurzeit nur mit der Gefahrenbeurteilung und organisatorischen Maßnahmen befassen, sagte Studer. "Wir können sicherstellen, dass sich möglichst keine Personen in einem gefährdeten Gebiet aufhalten." Zudem wurde ein weiter unten bei Ferden an der Lonza gelegener Stausee vorsichtshalber geleert, um als Auffangbecken zu dienen.
Studer spricht aber auch das Schreckensszenario an, das zwar unwahrscheinlich, aber möglich ist: "Das Worst-Case-Szenario ist, dass plötzlich entgegen den aktuell als eher realistisch eingeschätzten Szenarien viel mehr Wasser und Geschiebe kommt, das das Staubecken Ferden nicht mehr zu schlucken vermag", sagte er. Einzelne Häuser entlang des Flussbettes wurden geräumt.
- Nachrichtenagentur dpa
- walliser-zeitung.ch: "Gletscherabbruch bei Blatten: See der Lonza-Staustufe füllt sich rasch"
- blick.ch: "Bergsturz in Blatten VS im Lötschental – Tausende Kubikmeter in der Nacht gelöst"