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Corona-Krise und Ramadan: "Lassen Sie das Fasten in diesem Jahr aus"


Corona und Ramadan
"Lassen Sie das Fasten in diesem Jahr aus"

  • David Ruch
InterviewEin Interview von David Ruch

Aktualisiert am 23.04.2020Lesedauer: 3 Min.
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Junge Frauen bei einem Volksfest in Berlin: Der Ramadan steht in diesem Jahr unter dem Einfluss der Corona-Pandemie.Vergrößern des Bildes
Junge Frauen bei einem Volksfest in Berlin: Der Ramadan steht in diesem Jahr unter dem Einfluss der Corona-Pandemie. (Quelle: Müller-Stauffenberg/imago-images-bilder)

Wie Christen Ostern und Juden das Pessach-Fest können Muslime den Fastenmonat Ramadan nur unter Einschränkungen zelebrieren. Was bringt das für Probleme mit sich? t-online.de sprach darüber mit Moschee-Mitgründerin Seyran Ates.

Die Corona-Pandemie stellt viele Muslime nun vor eine besondere Herausforderung. Der Fastenmonat Ramadan hat begonnen. Das ist die Zeit, in der Gläubige aufgerufen sind, unter anderem weniger zu essen und zu trinken, um dann am Abend gemeinsam das Fasten zu brechen. Doch wie verträgt sich letzteres mit den geltenden Kontaktbeschränkungen? Fragen dazu hat die Rechtsanwältin, Mitgründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin und früheres Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, Seyran Ates, t-online.de beantwortet.

t-online.de: Der anstehende Fastenmonat steht 2020 unter ganz besonderen Vorzeichen. Wie blicken Sie diesmal auf den Ramadan?

Seyran Ates: Es gibt da zwei Ebenen: Die gesundheitliche und die spirituelle. Wenn man fastet, ist man zunächst einmal geschwächt, da man weniger Wasser und weniger Essen zu sich nimmt. Bei gesunden Menschen, die ein starkes Immunsystem haben, sehe ich kein Problem, wenn sie das zuhause machen und wenn sie gemeinsam in der Familie das Fasten brechen.

Bei anderen Gruppen aber schon?

Wir sprechen hier von einer Krankheit, die besonders Menschen mit schwachem Immunsystem angreift. Deshalb sollten Kinder, Alte und Schwangere auf keinen Fall Fasten. Sie sind aber ohnehin von der Pflicht ausgenommen. Allerdings will ich auch an die Erwachsenen appellieren, das Fasten in diesem Jahr auszulassen.

Glauben Sie, dass dieser Appell erhört wird?

Ja, ich bin mir sogar sicher, dass viele Muslime das genau so tun werden. Die Mehrzahl von ihnen hierzulande fastet auch gar nicht. Aus ganz unterschiedlichen Gründen, etwa weil es für sie mit der Arbeit oder der Schule nicht zusammenpasst. In der Öffentlichkeit entstand nur in den vergangenen Jahren der Eindruck, sehr viel mehr Muslime würden Fasten, was nicht der Realität entspricht.

Noch einmal zurück zum Anfang: Sie sprachen die spirituelle Ebene an. Was bedeutet es emotional, wenn ein solch wichtiges religiöses Fest unter solchen Einschränkungen steht?

Wer nicht fasten kann, sollte andere Dinge für seine Religiosität und Spiritualität tun. Denn Fasten bedeutet nicht nur, auf Essen und Trinken zu verzichten. Der Ramadan bedeutet vor allem, dass man entschleunigt und dass man insgesamt weniger Dinge macht. Dass man in sich horcht, sensibler wird für andere Menschen und für die Natur. Der Monat dient den Muslimen auch dazu, Streit niederzulegen, sich wieder die Hand zu reichen.

Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi hat vorgeschlagen, den Ramadan zu verschieben. Ein guter Ansatz?

Ich denke schon. Es gibt die Regel, dass jeder Moslem entscheiden kann, das Fasten zu verschieben, wenn er das aus bestimmten Gründen nicht tun kann. Ich finde, wenn Menschen es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, auf das Fasten zu verzichten, können sie es später nachholen, wenn es die Situation weltweit wieder erlaubt.

Wie kann denn das allabendliche Fastenbrechen unter den geltenden Abstandsregeln stattfinden?

Es sollte auf keinen Fall zu großen Ansammlungen mit der Verwandtschaft kommen. In der Familie allerdings, die sich eine Wohnung teilt, ist das natürlich kein Problem. Die Realität in Deutschland ist doch ohnehin so, dass die allermeisten Muslime das Fastenbrechen im Kreis der eigenen Familie gemacht haben. Für die wird sich also gar nichts ändern.

Es gab Befürchtungen, dass es zu größeren Menschenansammlungen kommen könnte. Können Sie die Sorge nachvollziehen?

Ja, das ist verständlich. Denn es gab in den vergangenen Jahren um den Ramadan einen unverhältnismäßigen Hype. Organisationen zelebrierten ihn als Großereignis. Auch deutsche Politiker griffen das auf. So etwas kann man natürlich derzeit nicht zulassen.

Ich glaube aber auch nicht, dass jemand so etwas durchziehen wird. Keine Gemeinde wird sich der Gefahr aussetzen, damit in die Zeitung zu kommen. Deshalb ist an dieser Stelle auch keine Hysterie angebracht. Ich sehe die Situation vielmehr auch als Chance für die Muslime: Dass man als Familie zusammen kommt und als Familie das Fasten bricht.

Dieser Artikel erschien zuerst am 17. April 2020.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Seyran Ates
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