OB von Hochwasserort "Die Lage hat sich schnell massiv verschlechtert"
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Noch immer sind zahlreiche Städte in Süddeutschland überschwemmt. Eine von ihnen ist Günzburg.
Als erster Landkreis hat Günzburg (Bayern) am Freitagabend den Katastrophenfall ausgerufen. Überschwemmt ist weiterhin die größte Stadt des Landkreises. Sowohl die Günz als auch die Donau bedrohen den Ort.
Im Gespräch mit t-online erklärt Günzburgs Oberbürgermeister Gerhard Jauernig (SPD), wie die aktuelle Lage vor Ort ist, was gut funktioniere und wie die Anwohner reagieren.
t-online: Herr Jauernig, wie ist die Lage in Günzburg?
Gerhard Jauernig: Der Sonntag war ein Tag voller Dynamik und Dramatik. Die Lage hat sich schnell massiv verschlechtert. Es ging nur noch darum, Menschenleben zu retten. Glücklicherweise gab es im Stadtgebiet keine Toten und Verletzten. Das ist dem unglaublichen Einsatz der Rettungskräfte zu verdanken, aber auch den Hunderten spontanen Helfern. Sie haben etwa geholfen, Sandsäcke zu füllen.
Wie ist die Stimmung in Günzburg?
Ich war am Sonntag und Montag mit Feuerwehr und Ordnungsamt unterwegs. Die Menschen zeigen sich betroffen, sind fassungslos und traurig. Trotzdem engagiert sich eine große Anzahl an Menschen. Die kommende Zeit wird sicherlich eine emotionale Herausforderung. Aber gerade in solchen Zeiten zeigt sich, wie gut das Klima einer Stadt ist.
Zur Person
Gerhard Jauernig (55, SPD) ist seit 2002 Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Günzburg in Bayern. Er ist Kreisrat. Der Politiker ist verheiratet, hat eine Tochter und einen Sohn.
Wie ist die Unterstützung von Menschen außerhalb von Günzburg?
Wir bekommen minütlich Anfragen von Bürgern. Darüber sind wir dankbar. Wir bitten aber, von Sachspenden abzusehen. Derzeit sind wir dabei, Versorgungsnetze aufzubauen. Wichtig ist, dass die Trinkwasserversorgung abgesichert ist. Die Menschen können bedenkenlos Trinkwasser konsumieren. Leider gibt es Falschmeldungen im Netz, dass das Wasser abgekocht werden muss. Das ist aber falsch.
Ist die Gefahr nun also gebannt?
Nein, leider nicht. Die Evakuierung im Stadtgebiet wurde am Dienstagmorgen aufgehoben. Bewohner sollten bei ihrer Rückkehr aber äußerst vorsichtig vorgehen. Wir haben zum Beispiel Heizöl im Wasser. Außerdem gibt es die Gefahr von Stromschlägen. Wir schauen uns weiterhin ganz genau die Pegelstände an, bei der Günz sind diese zuletzt schneller als erwartet gesunken. Auch bei der Donau ist der Pegelstand rückläufig.
Wie haben Sie sich auf die Fluten vorbereitet?
Wir waren schon sehr frühzeitig vorbereitet. Wir haben die Feuerwehrleute in Alarmbereitschaft versetzt und haben sofort einen Krisenstab gegründet. Die frühe Kommunikation hat sich bewährt, wir hatten dadurch einen Vorsprung. Wir waren organisatorisch bestens aufgestellt, haben uns Material und Sandsäcke beschafft. Freitagabend hatten wir bereits über 1.000 Sandsäcke. Ämter und Einsatzkräfte übergreifend hat alles gut funktioniert.
Nun wurde bereits Kritik an Sparmaßnahmen der Landesregierung im Hochwasserschutz laut. Wie bewerten sie diese?
Zuerst möchte ich betonen, dass die Zusammenarbeit in dieser Krisensituation gut funktioniert hat. In einigen Wochen oder Monaten müssen wir dennoch die Situation evaluieren. Wir müssen uns technisch darauf einstellen, dass solche extremen Unwetterereignisse in kürzeren Abständen vorkommen. Wir müssen den Hochwasserschutz und die Stadtplanung neu aufstellen. Bei Starkregen braucht es etwa Regenrückhaltebecken. Bei Jahrhunderthochwassern wird das aber nicht ausreichen. Wir als Verantwortliche müssen uns fragen, wie wir helfen können. Es kann sich momentan nicht jeder gegen die Fluten versichern. Das darf nicht sein. Da muss sich die Abstimmung zwischen den Ländern und auch dem Bund deutlich verbessern.
- Telefonat mit Gerhard Jauernig