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Gänsekot auf Liegewiesen – liegt die Lösung bei den Eiern?


Wildtiere in der Stadt
Gänsekot auf Liegewiesen – liegt die Lösung bei den Eiern?

Von dpa
13.05.2025 - 09:05 UhrLesedauer: 4 Min.
Gelegebehandlung bei Wildgänsen am Wöhrder SeeVergrößern des Bildes
Die Gänse brüten weiter auf den präparierten Eiern, aber es schlüpft nichts. (Quelle: Daniel Löb/dpa/dpa-bilder)
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Wildgänse und Menschen haben im Sommer dieselben Vorlieben - und das sorgt für Konflikte. Eine Art Geburtenkontrolle soll in manchen Orten die Gänseschar in Schach halten.

Laut schnatternd verlässt die Kanadagans ihr Nest und bringt sich auf dem See in Sicherheit. Mitarbeitende der Stadt Nürnberg haben den Wasservogel aufgescheucht. An diesem Tag kontrollieren sie die Gelege auf einer Insel im Wöhrder See östlich der Innenstadt. Manche davon sind mit einem Kreuz markiert. Andere haben ein kleines Einstichloch. Ein Gänseküken wird aus ihnen nicht mehr schlüpfen. Mit einer speziellen Methode haben die Fachleute das Ei unfruchtbar gemacht: eine Art Geburtenkontrolle, damit die Gänseschar nicht zur Plage wird.

Der Wöhrder See in Nürnberg ist beispielhaft für ein Problem, das viele Städte in Deutschland haben. In den warmen Monaten zieht es Sonnenbadende und Sportbegeisterte in Scharen an Gewässerufer. Doch auch Graugänse, Kanadagänse und Nilgänse fühlen sich dort sehr wohl - und hinterlassen ihren Kot am Strand, auf den Liegewiesen und Fußwegen. Mit speziellen Reinigungsmaschinen müssten die Flächen zum Teil täglich gereinigt werden, wie André Winkel vom städtischen Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR) erläutert.

Vor allem die invasive Nilgans sorgt regelmäßig bundesweit für Schlagzeilen, weil sie mitunter auch in Freibädern einfällt, wie es nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen in Frankfurt am Main oder im baden-württembergischen Fellbach schon der Fall war. Das Vorkommen der ursprünglich aus Afrika stammenden Nilgans sei seit 2017 stark gestiegen, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. "Sie ist sehr anpassungsfähig und konkurrenzstark."

Das sagen die Bestandszahlen

Die heimische Graugans ist nach Angaben des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) mit 42.000 bis 59.000 Brutpaaren die häufigste Wildgans in Europa. Die Nilgans kommt demnach auf 5.000 bis 7.500 Brutpaare, die ebenfalls eingewanderte Kanadagans auf 8.500 bis 14.500 Brutpaare. Bei allen drei Arten sei der Populationstrend steigend, sagt Nabu-Experte Martin Rümmler.

"Es ist eine subjektive Wahrnehmung, dass die Nilgans viel häufiger ist als heimische Arten, weil sie oft in Ballungsgebieten vorkommt und gerade dort für Probleme sorgt", betont er. Wie die Nilgans komme die Graugans auch bundesweit vor, vor allem in der norddeutschen Tiefebene und im Süden entlang der Flussniederungen von Rhein und Donau. Die Kanadagans sei wiederum entlang des Rheins, im Ruhrgebiet, in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, in Berlin und in Ballungsgebieten in Bayern anzutreffen.

Warum Städte für Wildgänse so attraktiv sind

Dass sich Wildgänse in Städten besonders gern niederlassen, liegt Rümmler zufolge an mehreren Faktoren: Dort werden sie in der Regel nicht gejagt. Es gibt weniger Beutegreifer wie Füchse, Marder oder Waschbären, die die Küken fressen. Und genügend Futter, weil in Parks und Freibädern den ganzen Sommer über saftig-grünes Gras wächst. "Dazu haben sie keine Scheu und werden, trotz Verbot, leider sehr viel gefüttert", erläutert eine Sprecherin der Stadt Köln, wo Gänsekot in den Grünanlagen ebenfalls für Konflikte sorgt.

"Tierschutzgerechtes Verfahren"

Vor einigen Jahren eskalierte es wegen der Verschmutzungen in Nürnberg: "Die Bürger gingen auf die Barrikaden", erzählt Winkel. Die Stadt gab die Gänse zum Abschuss frei, machte nach Protesten und einem Shitstorm aber einen Rückzieher und testete stattdessen in einem Forschungsprojekt der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Behandlung der Gelege. "Wir wollten ein tierschutzgerechtes Verfahren entwickeln, das sich gut in der Praxis umsetzen lässt und effektiv ist", sagt LfL-Gänsemanager Christian Wagner.

Mittlerweile sind auch in vielen anderen Orten in Bayern speziell geschulte Kräfte für die "Gelegebehandlung" im Einsatz. In Nürnberg ist an dem Tag ein Jäger aus dem nahe gelegenen Herzogenaurach dabei, der sich das Verfahren zeigen lassen will. In der Brutsaison von März bis Mai ist das SÖR-Team dafür ständig am und auf dem See unterwegs: Im vergangenen Jahr galt es, 78 Gelege zu kontrollieren. In diesem Jahr sind es nach einer vorläufigen Auswertung etwas mehr.

In jedem Gelege lassen die Fachleute jeweils zwei Eier unberührt, die sie mit einem Kreuz markieren. Die übrigen Eier werden in einem speziellen Kasten durchleuchtet, um das Entwicklungsstadium erkennen zu können. "Bis zum 14. Tag kann man diese behandeln", sagt eine Expertin, die nach dem vielen Ärger um die Gänse ihren Namen lieber nicht veröffentlicht sehen möchte. Die Eier werden angestochen und mit einer Kanüle verunreinigt, so dass sie sich nicht mehr entwickeln. Danach kommen alle Eier zurück in das Gelege.

Auch andere Regionen behandeln Gelege

Ähnlich wird es in Rheinland-Pfalz gehandhabt, wo entlang des Rheins Wildgänse nach Angaben der zuständigen Zentralstelle der Forstverwaltung Feldfrüchte abfressen, Anbauflächen beschädigen, Liegewiesen und Freibäder verschmutzen. In Ludwigshafen, im Rhein-Pfalz-Kreis und im Landkreis Germersheim hat die obere Jagdbehörde deshalb das Anstechen von Gänseeiern genehmigt.

"Mit dem Anstechen der Eier soll versucht werden, eine Langzeitwirkung zu erreichen, um den Brutplatz unattraktiver für eine erneute Ansiedlung zu machen", heißt es zur Begründung. Dazu werden die Gänse in der zugelassenen Zeit bejagt, vergrämt und mit Zäunen von bestimmten Flächen ferngehalten.

Auch Düsseldorf setzt seit Jahren auf das sogenannte Gelegemanagement, Köln seit 2023. Dort werden allerdings alle Eier bis auf ein oder zwei aus den Nestern genommen. In Köln hat sich die Zahl der Gänse der Stadt zufolge seither an den Weihern mit "Gelegemanagement" nicht erhöht. In Düsseldorf blieb die Zahl der Gänse laut der Bilanz in den Parkanlagen 2024 auf dem Niveau des Vorjahres, insgesamt ist ihre Zahl in der Stadt aber gestiegen. Der Anteil der Jungvögel habe bei nur acht Prozent gelegen, hieß es. Der Zuwachs ist demnach darauf zurückzuführen, dass Gänse aus dem Umland zugewandert sein müssen.

Reguliert sich die Natur selbst?

Nabu-Experte Rümmler sieht die Behandlung von Gelegen dennoch kritisch. "Das ist im Vergleich zur Jagd natürlich eine tierschonendere Art, um die Bestände zu regulieren." Die Ausbreitung der Nilgans werde man dadurch aber nicht verhindern können. "Damit kann man nur regional den Bestand stabil halten. Doch das ist aus Sicht des Nabu eigentlich unnötig, denn die Bestände regulieren sich von selbst." Wenn an einer Stelle zu viele Wildgänse seien, wanderten diese in andere Gebiete ab und suchten dort nach Nahrung, sagt er.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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