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Mückeninvasion in Deutschland: Warum sie tödlich enden kann


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Tagesanbruch
Die Invasion hat begonnen

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 09.06.2023Lesedauer: 5 Min.
Stechmücken breiten sich rapide aus.Vergrößern des Bildes
Stechmücken breiten sich rapide aus. (Quelle: Patrick Pleul/dpa)
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Die Invasion hat begonnen. Kleine schwarze Geschosse surren durch die Luft und stürzen sich auf ihre Opfer. Schwärme fallen in Gärten, Parks und Wälder ein und vermehren sich in Windeseile. Selbst in Innenstädten sind Menschen nicht mehr sicher: Man schlägt sich auf die plötzlich juckende Haut, reibt sich kleine Leichen aus den Augenwinkeln, ist nach Fahrradfahrten übersät mit schwarzen Treffern.

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Nein, ich spreche nicht von einer neuen Geheimwaffe des Kremldespoten und auch nicht von einer Künstlichen Intelligenz oder gar einer außerirdischen Macht, die uns heimsucht. Ich spreche von Mücken. Und Schnaken. Und Gnitzen. Und all dem anderen Viehzeug, das mit dem anbrechenden Sommer plötzlich unseren Luftraum bevölkert. Ist es nur mein subjektives Empfinden, dass die Plage in diesem Jahr besonders groß ist? Offenbar nicht, zumindest im Bekannten- und Kollegenkreis ist die Mückeninvasion ein großes Thema. Bei einem Festival in Nürnberg kämpften Besucher wegen zahlreicher Mückenstiche mit Atemproblemen. Gestern berichtete mir ein durchaus ernst zu nehmender Zeitgenosse, dass Autan schon lange nicht mehr ausreiche, um die abendlichen Attacken abzuwehren. Er schwöre auf verdünntes Benzin.

So weit bin ich noch nicht. Aber ich gestehe, dass ich seit einigen Tagen mit Interesse die Berichte aus NRW und Hessen, Bayern und Baden-Württemberg verfolge, wo Stadtverwaltungen die Bürger um Unterstützung im Kampf gegen die Invasoren bitten.

Spätestens an diesem Punkt, nach 200 Wörtern zu einem Thema, das für den Tagesanbruch eher ungewöhnlich erscheint, ist es an der Zeit für eine kurze Reflexion. Viehzeug, Invasion, Attacken: Ist das eigentlich das angemessene Vokabular für das gehäufte Auftreten von Fliegetierchen, die die unangenehme Eigenschaft haben, größere Wesen zu piken, um ihnen ein bisschen Blut zu entlocken? Mücken sind Mist: Diese Meinung dürfte bei den 83 Millionen zweibeinigen Bewohnern unseres Landes auf eine Zustimmungsquote von annähernd hundert Prozent kommen. Sie nerven, sie tun uns weh, sie sind einfach überflüssig.

Mit Abstand betrachtet stellt sich die Lage etwas differenzierter dar. Nicht nur, weil Mücken und andere Plagegeister den Vöglein in Wald und Wiesen als Schmaus dienen. Sie sind auch ein Alarmsignal.

Die Natur verändert sich rasant, und wir tragen die Verantwortung dafür. Manche Tiere treten immer seltener auf. Versuchen Sie mal, in Schleswig-Holstein einen Schmetterling zu sichten. Die Populationen sind um fast 40 Prozent eingebrochen.

Andere Tiere treten plötzlich in viel größerer Zahl und für längere Zeit im Jahreszyklus auf. Zecken beispielsweise. Oder die Asiatische Tigermücke, die gefährliche Erreger transportieren kann – wie das Zika-Virus, das Dengue-Virus oder das Chikungunya-Virus (doch, das gibt es wirklich). Aus Südeuropa werden bereits Krankheitsfälle gemeldet; es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch hierzulande die ersten Infizierten in den Spitälern landen. Seit fünf Jahren zirkuliert in Ostdeutschland auch das von Mücken auf Vögel übertragene West-Nil-Virus, das Menschen ebenfalls befallen kann. Vor drei Jahren gab es einen ersten Todesfall.

Krankheitserreger aus anderen Weltregionen machen Deutschland unsicher: Damit sind wir beim Punkt. Denn natürlich sind daran nicht etwa die Tiere schuld, sondern wir Menschen. Indem der Homo sapiens sich ungebremst vermehrt, permanent Waren und Artgenossen rund um den Globus expediert und den Planeten in eine Sauna verwandelt, verändert er die Koordinaten der Natur. Davor warnt nun ein Bericht des Robert Koch-Instituts in eindringlichen Worten: Die Erderhitzung begünstigt, dass sich infektiöse Tiere und bakterielle Krankheitserreger hierzulande rasant vermehren und ausbreiten. Deshalb steigt das Risiko für Infektionskrankheiten. "Wir stehen vor einer wirklich großen Herausforderung, auch für unser Gesundheitssystem", sagt die Wissenschaftlerin Elke Hertig.

Der Epidemiologe Klaus Stark ergänzt: "Es gibt in den letzten Jahren klare Trends, dass ein Teil der klimasensitiven Erreger zugenommen hat." Auch bakterielle Resistenzen und Vibrionen im Wasser nehmen zu. Zu Letzteren zählt das Bakterium mit dem unangenehmen Namen Vibrio vulnificus, das in Meer- und Brackwasser vorkommt und durch winzige Wunden in die menschliche Haut eindringen kann. "Bei älteren Leuten oder Personen mit geschwächtem Immunsystem können diese Infektionen zu schwersten Wundinfektionen oder schwersten Blutvergiftungen führen, warnt Herr Stark. Erfolge eine Behandlung nicht unmittelbar, könnten Infizierte sterben.

Das klingt beunruhigend, aber nicht die Tiere sind die Wurzel des Problems, sondern der menschengemachte Klimawandel. Das sollte bedenken, wer in diesen Tagen fluchend durch die Luft fuchtelt oder sich eine Doppelportion Anti-Brumm in den Nacken schmiert. "Klimaschutz ist der effektivste Gesundheitsschutz", sagt die Wissenschaftlerin Elke Hertig. Wir haben es also selbst in der Hand, uns eine sichere Lebenswelt zu erhalten. Oder ob wir uns der Invasion irgendwann ergeben müssen.


Was steht an?

Es ist der Tag der exotischen Reiseziele: Außenministerin Annalena Baerbock besucht Panama. Der Welthandel und die Klimakrise stehen im Mittelpunkt der Gespräche. SPD-Chef Lars Klingbeil macht am Ende seiner Asienreise Station in der Mongolei. Er will dort eine "Absichtserklärung" mit der Mongolischen Volkspartei unterzeichnen.

Mehr Ergebnisse dürfte das Treffen der EU-Justizminister in Luxemburg hervorbringen: Es geht um Richtlinien zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie um die effektive Durchsetzung von Sanktionen gegen ausländische Aggressoren und Kriminelle.

In Nürnberg läuft der Evangelische Kirchentag. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kommt zur Bibelarbeit, Klimaminister Robert Habeck darf die höheren Weihen des Heizungsgesetzes erklären, außerdem soll es einen Gottesdienst mit Künstlicher Intelligenz geben. Ehrlich, ich kann auf alle drei Angebote verzichten.


Der Ohrenschmaus …

ist heute ein Ohrwurm. Aber ein richtig guter.


Das historische Bild

Ein deutsches U-Boot avancierte 1919 in England zur Touristenattraktion. Wie es dorthin gelangte, erfahren Sie hier.


Lesetipps

Die EU hat sich auf eine Asylreform geeinigt. Auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Doch es gibt – zumindest aus der Sicht der deutschen Bundesregierung – ein großes Aber. Und das wird nun vor allem für die Grünen zum Problem, schreibt meine Kollegin Camilla Kohrs.

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Die Ukrainer wollen im Fall der Fälle deutsche Waffen auch auf russischem Boden einsetzen. Das bringt Kanzler Scholz in die Bredouille, berichtet mein Kollege Daniel Mützel.


Christian Lindner kann sich mit seinen Kabinettskollegen nicht einigen, wie viel Geld die Regierung im nächsten Jahr ausgibt. Ist die Autorität des Finanzministers am Ende? Unser Reporter Tim Kummert hat die Hintergründe.


Die Aktivisten der "Letzen Generation" nehmen Privatjets ins Visier. Was sagen Piloten dazu? Meine Kollegin Beatrice von Braunschweig hat einen gefragt.


Eine Wärmepumpe in jedem Haus: Ist das überhaupt realistisch? Meine Kollegin Alexandra Schaller erklärt es in unserem Nachhaltigkeits-Podcast.


Es ist ein historischer Schritt: Erstmals ist ein ehemaliger US-Präsident von der Bundesjustiz angeklagt worden. Donald Trump soll nach eigenen Angaben schon am Dienstag vor Gericht erscheinen.


Zum Schluss

Die EU hat sich auf eine gemeinsame Asylpolitik geeinigt.

Ich wünsche Ihnen einen solidarischen Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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