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Fund von Ötzi sorgte 1991 für eine wissenschaftliche Sensation


Archäologie
Umjubelt und umstritten: So wurde Ötzi gefunden

Von afp, dapd, dpa
Aktualisiert am 19.09.2011Lesedauer: 4 Min.
Eis konservierte "Ötzis" Körper für über 5000 JahreVergrößern des BildesEis konservierte "Ötzis" Körper für über 5000 Jahre (Quelle: dpa)
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Am 19. September 1991 steigt ein Nürnberger Ehepaar in den Ötztaler Alpen ab, als der Mann plötzlich etwas Braunes im Eis erblickt. "Schau mal, was da liegt! Das ist ein Mensch", habe ihr Mann ausgerufen, erinnert sich Erika Simon später. Zunächst nimmt die italienische Polizei den Fund eher desinteressiert zur Kenntnis - der heiße Sommer hat bereits sechs andere tote Wanderer aus ihrem Eisgrab befreit. Erst als die österreichischen Behörden die Gletschermumie genauer untersuchen lassen, wird klar: Der "Mann im Eis" ist eine wissenschaftliche Sensation. In den vergangenen 20 Jahren haben Forscher "Ötzi", wie er mittlerweile genannt wird, immer wieder untersucht und eine Vielzahl seiner Geheimnisse gelüftet - doch manche werden vermutlich für immer verborgen bleiben.

Der hervorragende Zustand der Mumie lässt die Finder und die italienischen Behörden zunächst annehmen, der Mann sei höchstens einige Jahrzehnte tot. Als die Mumie einige Tage später nach Innsbruck gebracht und dort an der Universität untersucht wird, folgt jedoch eine Überraschung nach der anderen. Zunächst schätzen die Forscher, dass der Mann im Mittelalter gelebt haben dürfte. Doch dem Südtiroler Extrembergsteiger Reinhold Messner schwant schon bald: "Mit dem Mannd'l stimmt was net."

Was aber Gerichtsmediziner schließlich entdecken, kann selbst der "Bezwinger der Achttausender" nicht ahnen: Die Leiche stammt aus der Kupferzeit - "Ötzi" lebte vor mehr als 5000 Jahren. Diese Erkenntnis macht den "Frozen Fritz" - wie die Mumie im angelsächsischen Raum genannt wird - über Nacht zur Weltsensation. Es ist das erste Mal, dass leicht vergängliche Teile - wie Fell, Holz oder der gesamte Körper - über einen so langen Zeitraum erhalten geblieben sind.

Selbst die Augenfarbe ist geklärt

In minutiöser Arbeit rekonstruieren die Forscher in den Folgejahren eine Vielzahl an Details aus dem Leben des "Ur-Tirolers". So starb "Ötzi" - offenbar geschwächt durch Rippenbrüche und eine Pfeil-Verletzung in der linken Schulter - vor rund 5300 Jahren 90 Meter von der Grenze entfernt auf heute italienischem Gebiet. Bei seinem Tod war etwa 47 Jahre alt - für damalige Verhältnisse uralt - und vermutlich auf der Flucht. "Ötzi" trug einen Fellmantel, eine Art Leggins aus Pelz, grasgefüllte Schuhe aus Rindsleder und eine Mütze. Bewaffnet war er mit einem unfertigen Bogen, Pfeilen und einer Axt.

"Ötzi" war rund 1,60 Meter groß und 50 Kilo schwer, seine Haare waren wellig, sein Bart vermutlich voll. Sogar Ötzis Augenfarbe steht mittlerweile fest: "Sie waren ganz sicher braun, nicht blau, wie man vorher dachte", sagt die Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums, Angelika Fleckinger.

Genaue Todesumstände liegen im Dunkeln

Über 90 Prozent der DNA konnten dank modernster Technik inzwischen entschlüsselt werden. Die Forscher interessieren sich dabei besonders für mögliche Nachfahren des Gletschermannes, sie erhoffen sich aber auch Aufschlüsse über eventuelle genetische Ursprünge von heute häufigen Krankheiten wie etwa Diabetes, Krebs oder Alzheimer. Heute schon bekannt ist, dass "Ötzi" zwar von Karies verschont blieb, stattdessen aber unter einer unbekannten chronischen Krankheit litt.

Wie der Mann genau zu Tode kam, ist jedoch ungeklärt. "Es muss irgendetwas Dramatisches passiert sein", sagt Fleckinger. Rippenbrüche, Prellungen und eine Schussverletzung ließen keine Zweifel daran, dass "Ötzi" einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sei. "Was genau passiert ist, wird vermutlich für immer ein Rätsel bleiben", glaubt die Chefin des Museums, wo Ötzi bei minus sechs Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von fast 100 Prozent konserviert wird. So wird der "Mann aus dem Eis" unter den gleichen Bedingungen wie die letzten 5000 Jahre im Gletscher gelagert.

Streit und finstere Gerüchte

Auch warum der Mann nach seinem Tod nicht verweste, lässt Wissenschaftler weiter leidenschaftlich diskutieren. Einige Forscher glauben, dass "Ötzi" samt Kleidung und Ausrüstung von einer luftdurchlässigen Schneedecke bedeckt war, die eine Art Gefriertrocknung ermöglichte. Andere halten eine Mumifizierung an der Oberfläche oder im Schmelzwasser des Gletschers für wahrscheinlicher.

Der sensationelle Fund sorgte aber nicht allein für wissenschaftliche Debatten, sondern auch für handfesten Krach. Jahrelang stritten sich Österreich und Italien, bevor "Ötzis" italienische Nationalität eindeutig festgestellt werden konnte. Erst 1998 wurde die Mumie von Innsbruck nach Bozen gebracht.

Noch länger dauerte der Prozess zwischen Italien und den Entdeckern aus Nürnberg um eine nicht nur finanzielle Anerkennung: Erst vor wenigen Jahren endete der Rechtsstreit nach zwei Instanzen mit der Zahlung eines Finderlohns von über 150.000 Euro.

Sechs Todesfälle im "Ötzi"-Umkreis sorgten zudem für finstere Gerüchte über einen "Fluch der Mumie". So fand man Entdecker Helmut Simon 2004 tot in einem Gebirgsbach in den österreichischen Alpen. Der Urgeschichtler Konrad Spindler, der die Mumie an der Uni Innsbruck untersucht hatte, starb Anfang 2005 im Alter von nur 66 Jahren. Das Museum in Bozen jedoch wiegelt ab: Hunderte von Menschen hätten "Ötzi" im Laufe der Jahre untersucht - "es ist daher nicht ungewöhnlich, dass einige von ihnen nicht mehr leben."

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