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"Ich verstehe nicht, warum wir das gemacht haben"

Von Özkan Canel Altintop, t-online.de

Aktualisiert am 02.06.2016Lesedauer: 2 Min.
Zwischen 800.000 und 1,5 Millionen Menschen fanden zwischen 1915 und 1923 im Osmanischen Reich den Tod.
Zwischen 800.000 und 1,5 Millionen Menschen fanden zwischen 1915 und 1923 im Osmanischen Reich den Tod. (Quelle: /dpa-bilder)
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Mit der Verhaftung von über 200 Intellektuellen in Istanbul startete am 24. April 1915 der Völkermord an den Armeniern. Rund 101 Jahre danach will die Türkei die Massenvernichtung noch immer nicht anerkennen und fordert Beweise ein. "Meine Beweise sind meine Großmutter und mein Großvater", sagte der armenischstämmige Abgeordnete in der Türkei, Garo Paylan, der Zeitung "Evrensel".

Jeder Armenier wird früher oder später damit konfrontiert. In fast jeder Familie gibt es einen, der der "großen Katastrophe (Ageth)", wie die Armenier selbst den Völkermord nennen, zum Opfer gefallen ist.


Völkermord an Armeniern 1915

Anfang des 20. Jahrhunderts bilden Armenier nach den Griechen die zweitgrößte christliche Minderheit im Osmanischen Reich. Schon in den 1890er Jahren werden mehrere Zehntausend Armenier Opfer von Massakern. In der Folge bilden sich militante armenische Bewegungen wie die Daschnak-Partei (Armenische Revolutionäre Föderation), die für mehrere Anschläge verantwortlich zeichnet.
Am 14. November 1914 tritt das Osmanische Reich an der Seite der Mittelmächte in den Ersten Weltkrieg gegen die Entente ein, zu der Russland gehört. In Hoffnung auf Unabhängigkeit unterstützen einige Armenier die russische Seite. Obwohl der Großteil der Armenier sich loyal gegenüber dem Osmanischen Reich verhält, macht sie die jungtürkische Regierung für militärische Probleme verantwortlich.
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Auch die Vorfahren eines Journalisten-Kollegen lebten einst in Ostanatolien. Dieser Teil des Osmanischen Reiches war zum größten Teil von Kurden und Armeniern besiedelt. Landwirte machten nach dem 1. Weltkrieg auf ihren Äckern immer wieder Funde von gut erhaltenen menschlichen Schädeln. Wenn seine Mutter so einen Schädel fand, bekam sie von ihrem Vater gesagt: "Lass es fallen, das ist ein Armenier."

"Mehr als das konnten die Armenier ja nicht mitnehmen"

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Vorfahren des Journalisten haben als Soldaten gefangene Armenier verfolgt. "Es gab viele Nutznießer der Massaker, das muss man so klar sagen“. Bis zu 300 Kilometer - bis an die heutige syrische Grenze - seien sie ihnen gefolgt. Nicht in der Absicht sie zu töten. Jeder hätte das damals gemacht in der Hoffnung, so zu Gold und Geld zu kommen.

"Mehr als das konnten die Armenier ja nicht mitnehmen", sagt sein Vater. Der inzwischen verstorbene Großvater hätte immer Tränen in den Augen gehabt, als er davon erzählte. "Ich verstehe nicht, warum wir das gemacht haben", sagte er immer wieder.

Alles sonst, was für die osmanischen Soldaten irgendwie wertvoll war, wurde ihnen von den Offizieren abgenommen. Insbesondere das Vieh brauchte die Armee für Waffentransporte und Nahrung.

Die zurückgebliebenen Kinder versteckten sich bei Nachbarn. Später wurden sie von ihnen adoptiert. "Viele dieser Kinder wissen heute nichts mehr von ihren armenischen Wurzeln", sagt er.

Ein armenischstämmiges Familienmitglied hat seinen Vater immer wieder zu seinen Wurzeln und zu den Ereignissen von damals zu fragen versucht: "Er redet nicht darüber. In dieser Sache ist er einfach stumm", sagt der heute 50-jährige. Seine Herkunft wurde von seiner Familie immer verborgen.

Menschen wie er leben gut integriert wie die Kurden. Mit acht Jahren erfuhr er durch einen Zufall, dass er Armenier ist. Seine Reaktion: "Ich war geschockt. Ich konnte es nicht glauben, denn bis dahin dachte ich Armenier sei ein Schimpfwort. So hatte ich das gelernt."

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Die Türkei hat heute auf den Bundestagsbeschluss zum Völkermord wieder heftig reagiert. "Ich weiß nicht, wie du das nennst und wie wir das nennen sollen. Das ist der Fakt, egal ob du das Völkermord nennst oder auch nicht. Es gibt sie nicht mehr. Sie wurden ausgelöscht," sagte der Abgeordnete Garo Paylan der ARD im vergangenen Jahr.

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