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Amazon-Serie "The-Terror": Horror im ewigen Eis


Legendäre "Franklin-Expedition"
Im ewigen Eis wartete nichts als der Tod

Von Marc von Lüpke

10.04.2018Lesedauer: 5 Min.
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"HMS Erebus" und "HMS"Terror": In der Serie "The Terror" werden die beiden Schiffe Opfer des ewigen Eises.Vergrößern des Bildes
"HMS Erebus" und "HMS"Terror": In der Serie "The Terror" werden die beiden Schiffe Opfer des ewigen Eises. (Quelle: AMC/Amazon.com Inc.)

Mit seinen Schiffen "Erebus" und "Terror" segelte John Franklin 1845 auf der Suche nach der Nordwestpassage in die Arktis. Mit seinen Männern fand er ein grausiges Ende. Wie dies geschah, interpretiert eine neue Serie auf ihre Art.

Sir John Franklin liegt auf der Lauer. Einen Eisbären will der britische Seeoffizier erlegen, ein gewaltiges Untier, das bereits einen seiner Männer getötet hat. Deshalb sitzt Franklin mit seinen Soldaten verborgen unter einer weißen Zeltplane und blickt hinaus in die endlose Eislandschaft der Arktis. Was er allerdings nicht ahnt: Er ist nicht der Jäger. Sondern die Beute.

Augenblicke später schlägt die Bestie zu. Erst stirbt ein Soldat, dann ist Franklin an der Reihe. Aus der Ferne hören die Seeleute auf Franklins Schiffen "HMS Erebus" und "HMS Terror" die Todesschreie ihres Anführers. Und ahnen, dass ihnen ein ähnliches Schicksal droht. Keiner wird entkommen: Wenn sie nicht das Untier umbringt, werden dies mit hoher Wahrscheinlichkeit Eis und Kälte erledigen. Denn die mehr als 100 Männer Besatzung der "Erebus" und "Terror" sind inmitten der Arktis eingeschlossen vom Packeis. Fernab der Zivilisation.

Historie mit Horrorelementen gemischt

Soweit die Handlung der neuen Serie "The Terror", koproduziert vom britischen Regisseur Ridley Scott, die Amazons Streaming-Dienst Prime zurzeit in Deutschland auf die Bildschirme bringt. Klingt spannend? Ist es auch. Vor allem angesichts der Horror-Elemente, die der Serienschöpfer David Kajganich, basierend auf dem Buch "Terror" des amerikanischen Autoren Dan Simmons, im Drehbuch eingebracht hat. Dabei ist die Geschichte der wahren "Franklin-Expedition" schon schauderhaft genug.

Am 19. Mai 1845 war Sir John Franklin mit seinen beiden Schiffen in England aufgebrochen. Mehr als 120 Männer bemannten "Erebus" und Terror", die Schiffsbäuche waren angefüllt mit Lebensmitteln für drei Jahre. Darunter zigtausende Konserven und mehr als 4.000 Liter Zitronensaft zum Schutz vor Skorbut. Franklins Auftrag lautete, die letzte Lücke der sagenumwobenen Nordwestpassage zu entdecken. Also den mehr als 5.000 Kilometer langen Seeweg, der Atlantik und Pazifik über dem nordamerikanischen Kontinent verbindet.

Warnungen wurden konsequent ignoriert

Für die damaligen Umstände war die Expedition hervorragend ausgerüstet: "Erebus" und Terror" waren ursprünglich als "Bombarden" konstruiert worden: Segelschiffe, die mithilfe ihrer schweren Mörser Küstenbefestigungen angreifen sollten. Und entsprechend stabil gebaut waren, um die entstehenden Erschütterungen zu überstehen. Für den anstehenden Auftrag waren die polarerprobten Schiffe zusätzlich mit Dampfmaschinen, zentralen Heizungsanlagen und modernen Schiffspropellern ausgestattet worden, die zum Schutz vor Beschädigungen durch Eis eingezogen werden konnten.

Als "Erebus" und Terror" nach der Umrüstung aus der Themse gen Norden fuhren, galt der Öffentlichkeit ein Erfolg als sehr wahrscheinlich. Kritische Stimmen wurden überhört. Wie die des Polar-Veteranen Sir John Ross. "Erebus" und "Terror" seien zu groß, ihr Tiefgang mit sechs Metern ungeeignet für die Fahrt durch die eisigen Gewässer, die Vorräte wären darüber hinaus für die vorgesehene Besatzungsstärke zu gering bemessen. Und nicht zuletzt war Franklin mit 59 Jahren kein junger Mann mehr. So sehr war Ross vom Scheitern der Expedition überzeugt, dass er Franklin eine Rettungsmission versprach, falls dieser 1847 nicht wieder wohlbehalten aus dem Eis zurückgekehrt wäre. Amüsiert entgegnete Franklin: "Ich verlasse mich auf Sie."

"Der Mann, der seine Schuhe aß"

Zumindest war der auserkorene Expeditionsleiter keine schlechte Wahl. Vor allem, weil Franklin wusste, wie man in unwirtlichen Gegenden überlebte. Seit 1818 hatte der Offizier der Royal Navy immer wieder den Norden Kanadas erkundet. Eine dieser Expeditionen ging derart schief, dass sich Franklin und seine Kameraden von Flechten ernähren mussten. Und anderen Dingen: Als "Mann, der seine Schuhe aß", wurde Franklin nach seiner glücklichen Rückkehr in Großbritannien berühmt.

Auf seiner letzten Mission sollte ihn Fortuna allerdings im Stich lassen. Am 26. Juli 1845 sichteten zwei Walfangschiffe Franklins Schiffe "Erebus" und Terror" vor dem Lancaster-Sund hoch im Norden Kanadas. Später berichteten die Walfänger, dass die Besatzungen der beiden Forschungsschiffe zu diesem Zeitpunkt noch wohlauf gewirkt hätten.

Größte Rettungsaktion des ganzen Jahrhunderts

Ohne weitere Nachricht von Franklin verstrich das Jahr 1846. Ein Jahr später löste John Ross sein Versprechen ein und verlangte von der Royal Navy eine Rettungsmission. Vergeblich: Die Admiräle begannen bereits, Franklin und seine Männer abzuschreiben. Sie hatten allerdings die Öffentlichkeit unterschätzt. Den Briten galt Franklin als Held, der gerettet werden musste. Und nicht zuletzt setzte Franklins Frau Jane ihren ganzen Einfluss ein, um ihren Mann zu retten. Dutzende Schiffe brachen in der Folgezeit Richtung Arktis auf, dazu mehrere Expeditionen zu Land. Es war die größte Suchaktion des 19. Jahrhunderts, bei der mehr Männer starben, als Franklins Expedition überhaupt umfasst hatte.

Erst allmählich kamen Retter dem Horror auf die Spur, den Franklins Männer durchgemacht haben müssen. Anscheinend hatten die Besatzungen von "Erebus" und "Terror" ihre Schiffe verlassen und sich zu Fuß auf den Weg Richtung Süden gemacht – und eine Spur des Elends hinter sich her hergezogen. Die Helfer fanden immer wieder weggeworfene Kleider, Holz und andere Gegenstände, alles was die durch die Eiswüste wandernden Männer von "Erebus" und "Terror" vor Erschöpfung nicht mehr transportieren konnten.

In der Not zu Kannibalen geworden

Den entscheidenden Hinweis lieferten schließlich die Inuit. Sie erzählten dem Rettungstrupp des Trappers John Rae, dass sie um 1849/50 mehrere Dutzend Seeleute auf der King-William-Insel getroffen hätten, die ein Boot hinter sich herzogen. Ihre Schiffe wären durch das Eis vernichtet worden, so die Fremden. Nachdem sie Nahrung erstanden hätten, wären sie weiter nach Süden gezogen.

Wochen später fanden die Inuit demnach, was von dem Trupp übrig geblieben war. Ein kleines Lager mit Zelten, dazu überall Leichen. An manchen war offensichtlich herumgeschnitten worden, um das Fleisch zu essen. In ihrer Not waren die zunächst Überlebenden zu Kannibalen geworden. Nur um bald ebenfalls zu sterben.

Gefangen im Eis

Zum Beweis ihrer Geschichte verkauften die Inuit Rae Gegenstände, die sie im Lager gefunden hatten. Darunter Gabeln, ein Messer und einen Silberteller, worauf stand: "Sir John Franklin". In einem letzten Versuch, noch mehr über das Schicksal ihres Mannes zu erfahren, sandte Lady Franklin schließlich 1857 auf eigene Faust die Dampfyacht "Fox" unter dem Polarforscher Francis McClintock in den Norden.

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Auf King-William-Land fand McClintock neben weiteren Hinterlassenschaften der verschwundenen Besatzungen den entscheidenden Hinweis. Einen Steinhaufen, darin verbogen ein Blechkanister mit einer Nachricht auf Papier: "25. April 1848. H.M.S. 'Erebus' und 'Terror' wurden am 22. April fünfundzwanzig Kilometer von hier aufgegeben, nachdem sie seit dem 12. September 1846 vom Eis festgehalten worden sind."

Ungelöste Rätsel

Auch über das Schicksal des Expeditionsleiters gibt die Nachricht Auskunft: "Sir John Franklin verstarb am 11. Juni 1847." Also lange, bevor die erste Suchexpedition Großbritannien verlassen hatte. Woran aber waren Franklin und weitere 24 Besatzungsmitglieder gestorben, wie das Papier berichtet? Lange bevor die Überlebenden die Schiffe aufgaben und sich Richtung Süden flüchteten?

Forscher haben zahlreiche Theorien dazu aufgestellt. Die Seeleute hätten unter einer Vergiftung gelitten, weil die Konserven mit lebensgefährlichem Blei verlötet worden waren, lautet eine These. Auch Tuberkulose, Lungenentzündungen und andere Krankheiten wurden als Erklärung herangezogen.

Letzen Endes wird das Geheimnis wahrscheinlich nie gelüftet werden. Viel Interpretationsspielraum also für eine Serie wie "The Terror", in der ein übernatürlicher Eisbär die Besatzung dezimiert. Franklins sterbliche Überreste sind übrigens bis heute verschollen. Seine gesunkenen Schiffe wurden allerdings wiederentdeckt: Die "Erebus" 2014, die "Terror" zwei Jahre darauf.

"The Terror", zehn Folgen, abrufbar auf "Prime Video" von amazon.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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